Biographie

Gussich, Seifried Freiherr von

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Staatsbeamter
* 13. Dezember 1709 in Schloß Preisseck/Prelek in Unterkrain
† 13. Juni 1794 in Laibach

Seifried Freiherr von Gussich war einer der ersten Kreishauptleute im Herzogtum Krain und seit 1779 Präsident der Krainer Landstände. In ihm, der einen slawischen Namen trug, sah damals eine kleine Gruppe Akademiker in Krain, später preroditelji – Erneuer – genannt, die schon damals von der Neugeburt slowenischer kultureller und politischer Eigenständigkeit träumten, eine Hoffnung, aber auch das Werkzeug für die Verfolgung ihrer Ziele. Seine Kindheit verbrachte Gussich auf dem elterlichen Schloß Preisseck in Unterkrain; es steht heute noch, einsam von dichten Wäldern umgeben, am Fuße des Uskokengebirges. Seine Eltern waren Jobst Ferdinand von Gussich, 1701 mit seinen Vettern Franz Karl und Johann Sigmund mit dem Prädikat „Herr zu Gradiz, Poganiz, Forst und Kroißenbach" in den erbländischen Österreichischen Freiherrnstand erhoben, und Marie Franziska geborene von Rudolphi. Es wird behauptet, die Gussich seien Nachkommen des römischen Konsuls Manlius Torquatus, und die Gans in ihrem Wappen weise auf jene Gänse hin, die die Römer vor der gallischen Heimsuchung gewarnt hatten. Doch dürfte das ins Reich der Fabel gehören; wahrscheinlicher ist, daß die Krainer Gussich stammesgleich mit jener Grafenfamilie Gussich sind, die den zwölf einflußreichsten und ältesten Familien Kroatiens angehörte, von denen 1102 der ungarische König Koloman auf den kroatischen Thron berufen wurde. Da die Türken immer häufiger die angestammten Wohnsitze in den bosnischen Regionen Lika und Korbavien, Angst und Schrecken verbreitend, heimsuchten, gaben die dort lebenden Gussich – neben zahlreichen anderen Familien – Anfang des 16. Jahrhunderts ihre Heimat auf und ließen sich in Nordkroatien sowie in Krain nieder und vertauschten den Grafentitel mit dem der Herren. Jene Ereignisse sind vergleichbar mit dem aktuellen Geschehen auf dem Balkan, zumal damals dort nicht eigentlich Österreicher und Türken gegeneinander kämpften, vielmehr überwiegend Slowenen (Krainer, Steiermärker etc.) und Kroaten wider die Serben – allerdings die einen mit dem habsburgischen Doppeladler und die anderen mit den osmanischen Roßschweifen voran. Gussich besuchte zunächst das Gymnasium in Laibach und studierte danach in Wien Philosophie. Im August 1728 vertrat er in der Aula der Wiener Universität in Anlehnung an die Vorträge des Laibacher Paters J. K. Mayer eine These aus der allgemeinen Philosophie. Die Dissertation, dem Durthaler Abt Maximilian gewidmet, erschien unter dem Titel: Summi Pontifices, quotquot a S. Benedicto I. usque ad Benedictum XIII. Pontifices Maximi in Romanam S. Petri Sedem exaltati sunt, compendio relati. Nach dem Studium entschied er sich 1728 für den Verwaltungsdienst und nahm zunächst in Laibach bei den Krainer Ständen eine Stelle zur besonderen Verwendung an. Nur wenige seines Geschlechts ergriffen damals die Laufbahn eines Beamten oder Geistlichen. Die meisten seiner Vorfahren waren Offiziere in k. k. österreichischen Diensten, eingesetzt an der Militärgrenze zur Abwehr türkischer Eroberungszüge. Als leuchtendes Beispiel, stellvertretend für alle, sei lediglich Gussichs Urahn Andreas genannt, der 1566 neben dem großen Feldherrn Nikolaus Zrinyi bei der Verteidigung der Festung Sziget sein Leben ließ.

Kurz vor den einschneidenden Reformen der Kaiserin Maria Theresia finden wir Gussich 1746 noch im Dienste beim Krainer Vicedomat. Dieses Amt wurde ein Jahr später aufgelöst. Mit derSchaffung der landesfürstlichen Behörden, den „Repräsentationen und Kammern" und den ihr als Organe untergeordneten „Kreisämtern", denen nunmehr die politischen und Fiskalangelegenheiten übertragen wurden, erlebte die ständische Organisation in Österreich ihre erste Erschütterung. Als in Krain 1749 die Kreisämter Laibach (Ljubljana) für Oberkrain, Rudolfswerth (Novo mesto) für Unterkrain und Adelsberg (Postojna) für Innerkrain eingerichtet wurden, berief man Gussich zum Kreishauptmann von Innerkrain. Die Kreisämter hatten die Aufgabe, die landesfürstlichen Befehle zu vollziehen, z.B. durch Führung des Katasters, bei Volkszählungen, im Polizei-, Verkehrs-, Straßenbau- und Sanitätswesen. Sie mußten aber auch die Klagen untertäniger Bauern gegen ihre Grundherren entgegennehmen und behandeln. Alle öffentlichrechtlichen Angelegenheiten unterstanden nunmehr allein der Aufsicht des Kreishauptmannes. Gussich zählte damals zu den einflußreichsten Beamten im Lande.

Dieses Amt behielt Gussich bis Mitte 1753. Zehn Jahre später finden wir ihn als k. k. Rat und Hauptmann-Amtsverwalter von Zengg (Senj) an der dalmatinischen Küste, das die Kaiserin unter die Verwaltung Triests gestellt hatte, danach als Präsidenten in Temesvar und 1772 wiederum in Laibach als k. k. Gubernialrat und ständischen Abgeordneten. In der Zeit von 1779 bis 1783, während der Amtszeit Maria Josef Graf von Auerspergs als Landeshauptmann von Krain, war Gussich Präsident der Krainer Landstände. Gussich war Mitglied zweier Krainer Gesellschaften, der Ackerbaugesellschaft und der „Academia operosorum". Die Ackerbaugesellschaft wurde in Laibach 1767 zur Förderung des Ackerbaus und der Landwirtschaft gegründet. Mitglieder waren vor allem für physiokratische Ideen aufgeschlossene Herrschaftsbesitzer undr Beamte sowie einige Unternehmer und Wissenschaftler. Ihr Einsatz veränderte die überlieferten bäuerlichen Bewirtschaftungsgepflogenheiten, wodurch eine merkliche Steigerung und Qualitätsverbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse verbucht werden konnte.

Im April 1781 wurde Gussich – bereits 72 Jahre alt – mit dem Beinamen Resolutus, der Entschlossene, zum Präsidenten der „Academia operosorum" gewählt.

Die Academia operosorum, Akademie der Wirksamen, ein welkes Pflänzchen kultureller Bemühungen in Krain nach dem Muster der italienischen Akademien, bereits 1693 gegründet, war die erste wissenschaftliche Gesellschaft in diesem Land. Die 27 Gründerväter, zumeist Mediziner, Juristen und Geistliche, erwählten damals als Symbol die emsig sammelnde Biene. Jeder von ihnen war aufgerufen, ein seinem Beruf und seinem Talent entsprechendes „kleines" Werk der Öffentlichkeit vorzustellen. Doch der erhoffte öffentliche Zuspruch blieb der Akademie versagt, so daß sie mit ihren Gründern ausstarb. Im März 1781 jedoch feierte sie ihre Wiedergeburt. Von den 23 Mitgliedern waren 18 Slowenen. Im Zuge der sicherlich mißdeuteten Reformen der großen Kaiserin und ihres Sohnes Joseph bemächtigte sich die bislang stille Sehnsucht nach politischer und kultureller Eigenständigkeit immer euphorischer der Herzen slowenischer Intellektueller. Initiatoren waren der Slowene Kumerdej und Freiherr von Edling. Kumerdej, mit dem Beinamen Indefessus, der Unermüdliche, war Direktor der Laibacher Normalschule, Sprachwissenschaftler und begeisterter Anhänger des Rationalismus, Josephinismus und des Physiokratismus. Edling, Vivax, der Lebhafte, ein Befürworter der slowenischen Ansprüche, war Leiter des gesamten Schul- und Studienwesens in Krain und Geschäftsführer der Akademie. Die Zielsetzung war diesmal wesentlich anspruchsvoller. Im Wettbewerb mit anderen ähnlichen Einrichtungen auf der Welt sollte die Akademie zur Hebung der Geistesbildung und der Moral beitragen und die Wissenschaften und die Künste im Lande fördern. Die Themen, mit denen man dem hohen Anspruch gerecht werden wollte, im wesentlichen von Kumerdej vorgegeben, waren folgende: Auseinandersetzung mit der allgemeinen Geschichte und der des engeren Vaterlandes, Studium und Förderung der slowenischen Sprache und anderer slawischer Sprachen, Erörterung von Fragen aus der Philosophie, der Medizin, Jurisdiktion und den politischen Wissenschaften sowie Pflege der Belletristik und der Redekunst. Die Vorträge sollten nicht nur in deutscher und lateinischer, sondern auch in slowenischer Sprache gehalten werden.

Doch auch diesmal war der Akademie der Wirksamen kein langes Leben beschieden. Nach der Gründung tagten die Mitglieder nur noch einmal, am 15. Mai 1781. Ausschlaggebend für das abermalige Scheitern dürften die Unterschiede in den Auffassungen, im Alter und in der Herkunft der einzelnen Mitglieder gewesen sein. Edling war heimlicher Gegner der Klöster, was den Ansichten der Mönche Japelj und Pohlin widersprach, und dem deutsch eingestellten Gussich mißfiel die slawophile Dominante.

Wer war Gussich? Er war sicherlich ein ambitionierter und pflichtbewußter Beamter im Sinne der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben des Staatsapparates. 1738 heiratete er Maria Rosalia, geborene Freiin von Egkh, verwitwetete Gräfin von Engelshaus. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren nicht sonderlich gut. In den Büchern des Laibacher Magistrates aus den Jahren 1749 bis1751 ist die Rede von Schulden. Die Ursachen hierfür sind unbekannt. 1761 verkaufte er das väterliche Erbe – Preisseck – für 10000 Gulden. Für seine Wahl zum Präsidenten der Akademie dürften folgende Gründe den Ausschlag gegeben haben: Er war von Adel und Präsident der Krainer Landstände, davon versprach man sich großen Zuspruch und kaum Widerstand für das Unternehmen. Außerdem trug er einen slawischen Namen und konnte neben anderen Sprachen auch Slowenisch und Kroatisch. Hierin sahen die slawophil fühlenden Mitglieder – in der Realität und vom politischen Verständnis her nach wie vor k. k. Untertanen – eine gewisse Hoffnung für das Gelingen ihrer Bemühungen und vor allem für die Förderung der slowenischen Sprache. Diese Rechnung ist jedoch nicht aufgegangen: Gussich dachte deutsch. Seine Ansprache anläßlich der konstituierenden Sitzung hielt er bewußt in deutscher Sprache. In der Öffentlichkeit genoß Gussich unzweifelhaft ein hohes Ansehen. Deshalb ist es ihm sicherlich bewußt gewesen, als Ständepräsident lediglich Aushängeschild sowie Bittstelle für die Erfüllung der eigennützigen Ziele einzelner Mitglieder zu sein. So widmete der Laibacher Arzt Anton Makoviz, ebenfalls Mitglied der Akademie, Gussich sein zweisprachiges Werk Fragen und Antworten über die Geburtshilfe.

Gussich verbrachte seine letzten Jahre zurückgezogen und in bescheidenen Verhältnissen lebend in Laibach. Seine Hinterlassenschaft 1794 betrug ganze 2451 Gulden und 18 Kreuzer. Mit ihm, dem Nachkommenschaft versagt geblieben war, starb der Preissekker Zweig der Gussich aus.

Lit.: Wöchentliches Kundschaftsblatt des Herzogtums Krain auf das Jahr 1775, Erstes Stück, Laibach 1775. – Anton Makoviz: Fragen und Antworten über die Geburtshilfe nach Raphael Johann Steidele’s Lehrbuch von der Hebammenkunst, Laibach 178: (Prashanja, inu odgovori zhes vshegarstvu). – V. F. Klun/Ethbin Heinrich Costa: Mittheilungen des historischen Vereins für Krain, Elfter Jahrgang; Laibach 1856. – Anton Dimitz: Bibliotheca Carniolae, Laibach 1862. -J. Marn: Jezičnik. Knjiga Slovenska v XVIII veku, Ljubljana 1884 (Rabulist. Slowenisches Buch im 18. Jahrhundert). – August Dimitz: Geschichte Krains; 4. Teil, Laibach 1876. – Karol Glaser: Zgodovina s venskega slovstva. II. zvezek, Ljubljana 1895 (Geschichte der slowenischen Liten 2. Band). – Anton Koblar: Izvestja muzejskega društva za Kranjsko, Ljubljana 18 (Berichte des Musealvereins für Krain). – Viktor Steska: Izvestja muzejskega društva za Kranjsko, Ljubljana 1900. – France Kidrič: Zgodovina slovenskega slovstva, Ljubljana 1929 – 1938. – Lino Legisa, Alfonz Gšpann: Zgodovina slovensk slovstva, Ljubljana 1956. – Slovenski biografski leksikon, Ljubljana 1925 – 1932 (Das slowenische biographische Lexikon, 1. Buch). – Ludwig Schiviz von Schivizhofen: Der Adel in den Matrikeln des Herzogtums Krain; Görz 1905. – Slovenska književnost, Liubliana 1982 (Slowenische Literatur). – Genealogisches Handbuch des Adels, Frhr. Häuser B Band III, Limburg/Lahn 1963. – E.H. Kneschke: Neues allgem. Deutsches Adels-Lexicon, III. Band, Leipzig 1861. – Gen. Taschenbuch d. frhr. Häuser, 1. Jhrg., Gotha 1849. – Bogo Grafenauer: Zgodovina slovenskega naroda, V. Zvezek, Ljubliana 1974; (Geschichte des slowenischen Volkes, V. Bd.), – Ivan v. Bojnićić: Der Adel von Kroatien und Slavonien (Nachdruck), Neustadt/Aisch 1986.

Literaturbeschaffung:Freifrau von Lazarini, Laibach, und Dr. Reisp, Archivar im Laibacher Nationalmuseum.

Bild: Wappen der Familie von Gussich aus dem slowenischen Staatsarchiv Laibach.