Biographie

Gustas, Aldona

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Malerpoetin
* 2. März 1932 in Karceviškiai/ Litauen
† 8. Februar 2022 in Berlin

Auch wenn sie kein litauisch mehr sprach, war sie doch noch mal als 85-Jährige in Vilnius, um ihre Ausstellung ‚Mundfrauen‘ in der Nationalbibliothek zu eröffnen. Sie gestand: „Meine Seele ist litauisch, aber mein Verstand ist deutsch…“

Sie hatte sehr schöne Erinnerungen an die Kindheit in ihrer gemischt litauisch-deutschen Familie, erzählte sie, aber als Litauen 1940 von der Sowjetunion besetzt wird, wird ihr Vater – ein Litauer – nach Sibirien deportiert, die Mutter zieht zunächst nach Rostock und dann nach Berlin, wo Aldona seit 1945 lebte. Viele Frauen erleiden das Trauma durch die Vergewaltigungen der sowjetischen Soldaten … all diese Verwerfungen der europäischen Geschichte hat sie in ihrem Werk – Literatur wie auch in ihrer Kunst – verarbeitet.

Aber trotzdem war sie bis ins hohe Alter das frische Mädchen geblieben, das auf ihren Bildern oft nur mit wenigen Strichen skizziert ist. Es ist eine Lebendigkeit in ihrem Werk – und eine prickelnde Erotik.

Dieses Gedicht konnte sie als einziges auch noch auf litauisch, ansonsten hatte sie die Sprache verlernt:

„Ich bin ein kleines Mädchen,
wie die schönen Rauten,
ich drehe mich hin, ich drehe mich her
und kann sonst nicht mehr.“

1962 erscheint ihr erster Gedichtband ‚Nachtstraßen‘ in der Eremitenpresse von Victor Otto Stomps. Hans Sünderhauf illustrierte den Band mit seinen Holzschnitten. Seitdem erschien die Mehrzahl ihrer zahlreichen Gedichtbände in den Verlagen Eremitenpresse und Corvinus Presse, vielfach mit eigenen Zeichnungen und Grafiken.

1972 gehörte Aldona Gustas zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Malerpoeten; als einzige Frau unter Günter Grass, Wolfdietrich Schnurre, Günter Bruno Fuchs und Kurt Mühlenhaupt sich zu behaupten, ist schon eine Leistung an sich. Für diese Künstlervereinigung organisierte sie Ausstellungen im In- und Ausland und gab Kataloge heraus.

1952 lernte sie den Schriftsteller und Journalisten Georg Holmsten (1913-2010) kennen, der nach dem Attentat auf Hitler einer der wenigen daran Beteiligten war, die der Hinrichtung im Berliner Bendlerblock entkommen konnten. Sie heiraten, sie sagte von ihm, er habe sie zwar nicht zur Dichterin gemacht, aber werden lassen.

So dichtet sie in einem Gedicht:

„Ich war lange 1932 / ich war lange 1945 / ich war lange 1952 / ich war lange 1962 / ich war lange 1972 / in den Jahren dazwischen / lebte ich kurz.“

Das sind die wichtigsten Jahresdaten ihres Lebens.

In der GEDOK-Galerie in Berlin, in der sie seit 1964 Mitglied war, hatte sie 2022 zum 90. Geburtstag eine Einzelausstellung mit Werken aus der Sammlung der Corvinus Presse, wo ihre meisten Werke erschienen sind.

Mit dem letzten Buch ‚Kas Naujo Aldona (Was Neues, Aldona)‘, Bildband, deutsch/litauisch. Raudondvaris, Kauno 2019, schließt sich ihr Lebenskreis, der 1932 in Litauen begann …

Bild: Kulturstiftung

Jenny Schon