Biographie

Habermann, Johann (Avenarius)

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Theologe, Erbauungsschriftsteller, Hebraist
* 10. August 1516 in Eger/Böhmen
† 5. Dezember 1590 in Zeitz

1567 erschien in Wittenberg in der Ursprungsstätte der Reformation bei Johann Crato ein Gebetbuch, das bis ins 19. Jahr­hun­dert ganze Generationen protestantischer Christen in Mittel- und Osteuropa prägte: Christliche Gebeth für allerley Not und Stende der ganzen Christenheit aufgetheilt auf alle Tage in der Woche zu sprechen, samt gemeinen Danksagungen, auch Morgen und Abendsegen.

Das Buch erlebte zahllose Auflagen nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern besonders auch in den Niederlanden, wo es im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder nachgedruckt wurde. Der Verfasser war der gelehrte lutherische Theologe Johannes Avenarius, der als Johann Habermann am 10. August 1516 in Eger geboren wurde und am 5. Dezember 1590 in Zeitz starb. Dort wurde er in der St. Michaeliskirche begraben.

Habermann bzw. Avenarius hatte in der Lateinschule in Eger und an der Karls-Universität in Prag studiert, war 1540 in Wittenberg protestantisch geworden und diente der lutherischen Kirche als Kaplan, Pfarrer und Prediger in Elsterberg, Plauen, Jößnitz, Schönfels bei Zwickau, Freiberg in Sachsen und in Falkenau im Egerland. 1573 wurde er an die Universität in Jena berufen und 1575 wurde er Professor der Theologie an der Universität in Wittenberg. 1576 wurde Habermann Superintendent des Stiftes Zeitz in Naumburg. 1577 war er einer der beiden Kandidaten für Luthers Predigtkanzel und als Pfarrer in Wittenberg, dort wurde der Mathesius-Schüler Martin Obendorfer gewählt.

Durch sein Gebetbuch, das von den gläubigen Protestanten liebevoll als „Habermännchen“ bezeichnet wurde, ist er in der evangelischen Welt bekannt geworden. Schon im Jahre des Erscheinens 1567 wurde das Gebetbuch ins Tschechische übersetzt, 1570 durch den Prediger Hermann von Hagen-Neuen­gam­me in den Vierlanden bei Hamburg auch ins Plattdeutsche. Diese niederdeutsche Ausgabe ist mehrfach in Hamburg, Lübeck uns Rostock nachgedruckt worden. 1576 brachte Ha­bermann eine eigene lateinische Übersetzung heraus. 1578 tat dies auch Jakob Zader in Straßburg. Eine dritte lateinische Übertragung stammt von S. Hornwald und erschien 1596 in Tübingen. Weitere Übersetzungen erfolgten 1579 in Laibach ins Slowenische, 1606 und 1656 ins Französische und 1680 ins Rätoromanische.

Eine gelehrte dreisprachige griechisch-lateinisch-deutsche Aus­gabe erstellte 1614 Christoph Dauderstadt in Leipzig, die 1639 in Jena in 3. Auflage erschien. Bis 1871 können wir unter verschiedenen Titeln viele weitere Ausgaben sei es als kleines handliches schmuckes Gebetbüchlein, als Großdruckausgabe oder auch in einfachen billigen Ausgaben nachweisen. Die Ausgabe Frankfurt 1871 in 52. Auflage trägt den Titel: Dr. Johann Habermanns christliches Gebet-Büchlein bestehend in Morgen- und Abendsegen auf alle Tage in der Woche, wie auch anderen schönen Gebeten, in allen Nöthen und Anliegen eines Christen. Welchen noch beigefügt wurden M. Neumanns Kern aller Gebete, auch mit Morgen-, Abend-, Reise- und anderen geistreichen Liedern vermehrt.

„Seinen Habermann zur Hand nehmen“, hieß im 17. Jahr­hun­dert soviel, wie sich zum Gebet vorbereiten. Der Barockschriftsteller Hans Jakob Christofel von Grimmelshausen, der als Autor des Simplicissimus bekannt ist, empfiehlt in der Einleitung zum zweiten Teil seines Wunderbaren Vogelnest, sein Werk „nachts unter den Kopf zu legen, doch mit dieser Bescheidenheit, dass die Reformierten ihren Lobwasser, die Lutherischen ihren Habermann und die Katholiken darüber ihren Thomas a Kempis nicht vergessen.“

Habermann schrieb aber als Theologe auch andere Werke, so einige Erbauungsbücher, wie zum Beispiel in Falkenau 1569 für den Grafen Schlick sein Trostbüchlein, von dem wir Auflagen in Nürnberg 1570 und 1571 sowie in Leipzig 1577 und 1591 kennen. Er gab außerdem Evangelienpostillen heraus und ein Leben Christi und ein Leben der Apostel 1580 in Paris, er schrieb ferner eine Passionsgeschichte und kommentierte in gedruckten Werken die Episteln der Sonn- und Feiertage.

Berühmt wurde er aber auch als Hebraist, da er nicht nur in Wittenberg die hebräische Sprache lehrte, sondern dafür auch Grammatiken und Lehrbücher schrieb. 1562 war erstmals seine Hebräische Grammatik (Grammitica Ebraea) in drei Teilen erschienen, da er bereits in seiner Zeit als Prediger im sächsischen Freiberg an der Lateinschule auch Hebräisch unterrichtet hatte. Später erschien auch ein Hebräisches Lexikon, das seine 2. Auflage erlebte. Der französische Gelehrte Casaubon behauptete, dass er nichts Besseres für die hebräische Sprache kenne als dieses Werk des Avenarius.

In der Leichenpredigt für Habermann erwähnt sein Nachfolger in Zeitz, er habe schon vor 25 Jahren gehört, dass etliche Juden aus fremden Ländern in dieses Land gekommen seien, die seine hebräischen Arbeiten schätzten und erklärten, „sie hätten nimmermehr glauben können, dass in diesen Ländern ein solcher Mann gewesen wäre, der die hebräische Sprache wie seine Muttersprache schreiben und verstehen könne“.

1977 hat Professor Dr. Mout in Amsterdam darauf hingewiesen, dass Habermann auch ein christlicher Kabbalist war, wofür ihm seine Hebräisch-Kenntnisse von großem Nutzen waren. Leider ist dieser Aspekt des Wirkens von Habermann bis heute nicht weiter erforscht worden.

Lit.: Alfred Eckert, Beiträge zu Leben und Werk des Johannes Ha­bermann, in: Erbe und Auftrag, 7/8 (1971/72), S. 60-65. – Leo Bönhoft, Johann Habermann, Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages, in: BSKG 29 (1915), S. 213-230. – Ders., Bibel und Bekenntnis. Deutsch­sprachige Waldenser aus dem Egerland und hussitische Bibeltheologen aus Gesamtböhmen als Vorläufer des Jan Hus sowie bibeltreue Quellenforscher aus den Anhängern lutherischer Reformation im Königreich Böhmen deutscher Zunge, in: Europassion. Kirche – Konflikte – Menschenrechte. Festschrift Rudolf Grulich, Bad Schussenried 2006, S. 81-104.

Bild: Wikipedia.

Rudolf Grulich, 2017