Biographie

Hadwiger, Victor

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller
* 6. Dezember 1878 in Prag
† 4. Oktober 1911 in Berlin

Der Lyriker und Erzähler Victor Hadwiger, geboren am 6. Dezember 1878 in Prag, gilt als Vorläufer des literarischen Expressionismus. Sein Vater arbeitete in Prag, der Hauptstadt des Königreichs Böhmen, als Oberstabsarzt beim Heer des Habs­burger Kaiserreichs. Nach dem Abitur nahm er 1899 an der Karls-Universität ein Studium der Philosophie und Literaturgeschichte auf und verkehrte im neuromantischen Literaturzirkel Jung-Prag, wo er Paul Leppin (1878-1945) und Gustav Meyrink (1868-1932) kennen lernte, der mit seinem Roman Der Golem 1913 berühmt wurde. Max Brod (1884-1968), der Freund Franz Kafkas (1883-1924), erinnerte sich in seinem Buch Der Prager Kreis (1966): „Leppin und Hadwiger erschienen meist zwillingsbrüderhaft gemeinsam. Sie waren beide sehr groß und trugen enorme Hüte, fielen auch auf der Straße auf.“

Der erste Lyrikband Victor Hadwigers erschien 1900 unter dem Titel Gedichte. Im Jahr nach seiner Paris-Reise 1901 starb seine Mutter, worauf der Bruch mit dem Vater folgte, der seinem Sohn aus Verärgerung über dessen Lebenswandel und die Vernachlässigung seines Studiums die finanzielle Unterstützung entzogen hatte. Im Frühjahr 1903 verzog er, tief verschuldet, in die deutsche Reichshauptstadt Berlin, inzwischen 24 Jahre alt, um als freier Mitarbeiter der angesehenen, liberalen Vossischen Zeitung, die 1934 verboten wurde, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im gleichen Jahr erschien in Berlin und Leipzig sein zweiter Gedichtband Ich bin.

Auch in Berlin bewegte sich der Prager Dichter vornehmlich in der Vaganten- und Kabarettistenszene um Peter Hille (1854-1904) und Erich Mühsam (1878-1934). Unstet und von Unruhe erfüllt zog er von Quartier zu Quartier, wobei er ein immer stärker anwachsendes Bündel unveröffentlichter Manuskripte mit sich schleppte. Erich Mühsam beschrieb ihn in seinen Unpolitischen Erinnerungen (1977) als „maßlos in allem: im Trinken, Rauchen und Fluchen, im Überschwang der Glückseligkeit und im Weltschmerz.“

Erst die Eheschließung mit der Schriftstellerin Else Strauß, der Großnichte des berühmten Theologen David Friedrich Strauß (1808-1874), der im 19. Jahrhundert mit seinem Buch Das Le­ben Jesu, kritisch betrachtet (1835/36) großes Aufsehen erregt hatte, brachte Ruhe und Ausgeglichenheit in seine Lebensführung. Zugleich wuchs sein literarisches Ansehen durch Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien: 1911 erschienen sowohl die Novelle Der Empfangstag wie auch die beiden Liebesgeschichten Blanche und Des Affen Jogo Liebe und Hochzeit.

Sein plötzlicher Tod am 4. Oktober 1911 in Berlin beendete seinen Lebensweg als Schriftsteller, der gerade erfolgreich zu werden versprach.

Weitere Werke: Abraham Abt (1912). – Wenn unter uns ein Wanderer ist. Ausgewählte Gedichte aus dem Nachlass (1912). – Der Tod und der Goldfisch (1913) – Il Pantegan (1919).

Lit.: Ferdinand Josef Schneider, Victor Hadwiger 1878-1911 (Halle 1921). – Jürgen Serke, Böhmische Dörfer (Wien/Hamburg 1987), Seite 388-392. – Hans J. Schütz, Victor Hadwiger, in: Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen, München 1988, Seite 104-108.

Bild: Wenn unter uns ein Wanderer ist. Ausgewählte Gedichte aus dem Nachlass (1912).

Jörg Bernhard Bilke