Biographie

Haftmann, Werner

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Kunsthistoriker
* 28. April 1912 in Glowno/Westpreußen
† 28. Juni 1999 in München

„Ich habe mich nie als Richter empfunden, sondern nur als Zeuge.“ Trotz dieser bescheidenen Selbsteinschätzung hat Werner Haftmann als Schreibender, Lehrender und als Museumsmann entscheidende Weichen gestellt. Seine sehr entschiedenen Stellungnahmen, seine Veröffentlichungen und seine Tätigkeit in leitenden Funktionen haben ihm Bewunderung wie Kritik eingebracht. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Archäologie in Berlin und Göttingen war er Erster Assistent am Kunsthistorischen Institut in Florenz (von 1935-40) und nach Kriegsdienst und Gefangenschaft von 1951-54 Dozent an der Landeskunstschule Hamburg. Seine institutionelle Laufbahn wurde, nachdem er für die ersten Documenta-Ausstellungen in Kassel 1955,1959 und 1964 mitgestaltend im wesentlichen die Konzeptionen geliefert hatte, durch die Berufung als Direktor der Neuen Staatsgalerie im Rahmen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin gekrönt. Im Neubau nach den Plänen von Mies van der Rohe setzte er mit dem Auf- und Ausbau der Sammlungen, denen auch die der Galerie des 20. Jahrhunderts eingegliedert wurden, Maßstäbe. Das gilt ebenso für eine Reihe exemplarischer Ausstellungen moderner Kunst, die halfen, Berlin viel von seiner Geltung als internationalem Kunstzentrum zurückzugeben. Doch gab er den 1967 angetretenen Postenvorzeitig 1974 auf. Er zog sich nach Gmünd am Tegernsee und in die Toscana zurück und wirkte fortan vornehmlich als Schreibender.

Der häufig Geehrte, seit 1971 außerordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin, wurde 1962 mit dem Lessing-Preis der Hansestadt Hamburg ausgezeichnet. Das hatte seinen besonderen Sinn. Denn sein Handeln und Schreiben war stets von autonomem und auf das Ganze ausgerichtetem Geist und von kritischer, eigenständiger Haltung bestimmt. In seiner Museal- und Ausstellungspolitik wie als Kunsthistoriker und Kritiker wirkte er über den Tag hinaus.

Das gilt für seine Beschäftigung mit der italienischen Kunst („Das italienische Säulenmonument“, 1939) in kunstgeschichtlicher Rückschau wie für seine bekenntnishaften monographischen Bücher, Ausstellungskataloge, Essays und Vorträge zur nun sehon klassischen Moderne. Neben dem Standardbuch über die Maler des 20. Jahrhunderts, das trotz mancher Einseitigkeit selbst schon ein Klassiker geworden ist, schrieb er die Monographien über Paul Klee, Fritz Winter, Emil Nolde, E. W. Nay, Wols, Marino Marinis Zeichnungen, die autobiographischen Bilder Renato Guttusos, Marc Chagalls Zeichnungen, Aquarelle und Guaschen, über Jorge Castillo, Klaus Fussmann, den Bildhauer Ludwig Kasper, über Franz Marc (in „Die großen Deutschen“). Seinem Freunde, dem Maler Hermann Teuber, hat er zu dessen 70. Geburtstag eine besonders schöne Laudatio gewidmet.

Für die Verleihung des Lessing-Preises bedankte er sich mit der Rede „Gotthold Ephraim Lessing – oder über den Auftrag des Schriftstellers in kritischer Zeit“. Wie er selbst diesen Auftrag verstand, wurde aus der vielbeachteten, manche schockierenden Rede deutlich, die er 1969 zur Jahrhundertfeier der Hamburger Kunsthalle hielt und in der er sich gegen die Soziologen als „Programmierer der heutigen Kunst“, gegen „politisch verseuchte Kritiken“ und sogar gegen „herumrandalierende Malerrudel“ und zügellose Avantgardismus wandte. Da wurde der Vorkämpfer der Avantgarde von manchen naserümpfend wegen seines „Konservativismu“ abgetan.

Werner Haftmanns Bedeutung erhellt am umfassendsten aus der Sammelausgabe von Reden und Aufsätzen im „Skizzenbuch zi Kultur der Gegenwart“ mit geistesgeschichtlichen, aber auch historischen und zeitkritischen Ausblicken in Künste, Literatur und Politik. So zählt zuseinen grundsätzlichsten Stellungnahmen der Vortrag „Einheit und Vielfalt der europäischen Künste“. „Kafka und das Religiöse“ heißt eine seiner Arbeiten. Die zusammenfassenden Titel aus dem Sammelband „Der autonome Mensch“ und „Moderne Kultur und ihre politische Idee“, seien als Hinweis auf die Spannweite eines Lebenswerks angeführt, das Kunstgeschichte nie in eng professionellem Sinn verstanden und betrieben hat, ihr aber auch nicht kunstfremde Kriterien aufnötigte.

Werke (Auswahl): Malerei im 20. Jahrhundert. Textband 1954. Tafelband 1955. Erweiterte Auflage München 1962 (auch englisch und italienisch); Skizzenbuch zur Kultur der Gegenwart, München 1962; Freunde danken Werner Haftmann, Nationalgalerie Berlin 1976.