Biographie

Hagel, Hans

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Herkunft: Banat
Beruf: Mundartforscher, Volkskundler, Publizist
* 15. Januar 1888 in Karlsdorf/Banat
† 20. April 1942 in Temeschburg/Banat

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges schwelgte das noch ungeteilte Banat in seiner Vergangenheit als ehemaliger Kaiserlicher Provinz der Habsburger. Nichts lag darum näher, als diese glorreiche Vergangenheit immer wieder neu aufzulegen. Aus diesem Grunde kann das Banat mit einer ansehnlichen Schar namhafter Lokalhistoriker aufwarten. Genannt seien Franz Griselini (noch im 18. Jh.), Leonhard Böhm, Johann Heinrich Schwicker, Eugen Szentláray, Ludwig Baröti, Felix Milleker, Leo Hoffmann, Karl Möller, Friedrich Pesty, Koloman Juhász, Franz Wettel, Theodor Ortvay, Karl Kraushaar, Paul Oltványi, Johann Nepomuk Preyer und Georg Reiser. Die Aufteilung des Banates im Frieden von Trianon (1920) auf drei Staaten, nämlich auf Rumänien, Jugoslawien und Ungarn, brachte die große Wende bzw. die Hinwendung zur Volkskunde. Bislang fand sie nur in einzelnen Monographien eine gebührende Beachtung. Hans Hagel hob sie aus ihrem lokalen Kolorit heraus und machte sie zu seiner Lebensaufgabe bzw. zu einer selbständigen Wissenschaft.

Hagel wurde am 15.1.1888 in Karlsdorf, einem ehemaligen Grenzort der k. und k. Militärgrenze im südlichen Banat, als Sohn bäuerlicher Eltern geboren, deren Vorfahren schon 1720 hier nachweisbar sind. Das Abitur machte er 1908 in der benachbarten Henne-mannstadt Werschetz mit Auszeichnung. Nach zwei Semestern Theologie in Temeschburg bezog er die königlich-ungarische Peter-Päzmäny-Universität in Ofenpest (Budapest) und studierte dort Germanistik und Romanistik. Vor allem wandte er sich der Germanistik zu, wo Gideon Petz und Jakob Bleyer seine Professoren waren. Allem Anschein nach hat ihn der Erforscher der ungarländischen deutschen Mundarten, Prof. Dr. Gideon Petz, zur Mundartforschung animiert. So behandelte seine Staatsexamen-Arbeit die Laut- und Flexionslehre Karlsdorfs, das übrigens nach Erzherzog Karl, dem Sieger von Aspern, benannt war. Nicht minder hatte es ihm das Französische angetan. Um seine Französisch-Kenntnisse zu vervollkommnen und um Land und Leute kennenzulernen, studierte er im Studienjahr 1912/13 an der Pariser Sorbonne. Am 13. April 1913 bestand er das Staatsexamen in obigen Fächern und wurde als sogenannter Supplent an das Gymnasium in Kecskemet versetzt, wo er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges blieb. Diese urmadjarische Stadt, die Ägopolis der Humanisten, hatte es ihm angetan, aber der Krieg bereitete seiner Karriere in Ungarn ein Ende. Als Offizier wurde er zum Verwaltungsdienst im Hinterland nach Diemrich (Deva) in Siebenbürgen eingezogen.

Als Oberleutnant der Reserve schied er 1918 aus dem Kriegsdienst und kehrte in seine Banater Heimat zurück, die mittlerweile von Serben und Rumänen besetzt worden war. Temeschburg, die Banater Metropole, sollte seine zweite Heimat und die Stadt seines pädagogischen und wissenschaftlichen Wirkens werden. Vom 26. November 1918 bis zum l. November 1931 war er Professor an der Temeschburger deutschen Handelsschule sowie zwischen 1931 und 1942 an der Banatia bzw. an der Prinz-Eugen-Schule. Ein tragischer Tod riß ihn aus seinem schaffensfrohen Leben und löste allgemeine Trauer und Erschütterung aus. Die „Südostdeutsche Tageszeitung“ berichtete ausführlich über die Umstände seines Sterbens: Hagel lief zu einer Straßenbahn-Haltestelle und wollte den Zug noch erreichen, obwohl dieser sich bereits in Bewegung gesetzt hatte. Da jener überfüllt war, konnte sich Hagel nur auf die Treppe schwingen und sich festhalten. Aber da passierte das Unglück. Hagel stieß mit dem Kopf an den Eisenträger eines Oberleitungsmastes. Durch den Anprall wurde die Schädeldecke zertrümmert. Trotzdem verlor er nicht sogleich das Bewußtsein, wurde sofort in das nahegelegene Deutsche Krankenhaus eingeliefert, wo er kaum nach zehn Minuten trotz ärztlicher Hilfe verschied.

Hans Hagel gehörte schon während seiner Ofenpester Universitätsjahre zur Tafelrunde der sogenannten „Erzschwaben“. Der Name kommt nicht von ungefähr, sondern erinnert an den größten donauschwäbischen Schriftsteller, Adam Müller-Guttenbrunn (1852-1923), der schon zu seinen Lebzeiten mit diesem Epitheton ornans belegt wurde. Hagel gehörte sogar zu den Mitbegründern dieser studentischen Tafelrunde. Nach seiner Rückkehr ins Banat bzw. seiner endgültigen Niederlassung in Temeschburg ging er nebstbei daran, die Volkskunde der Banater Schwaben in allen ihren Bereichen systematisch aufzuarbeiten. Dazu boten ihm die Banater Deutschen Kulturhefte, deren Schriftleiter er 1928-1931 war, reichlichen Raum. Hagels volkskundliche Bestrebungen verliefen in lexikalischer Richtung, d. h., das Banater deutsche Volk in allen seinen Lebensäußerungen systematisch zu erforschen und die Ergebnisse in einer Banater deutschen Volkskunde zusammenzufassen. Die Anregung dazu erhielt er während seiner Ofenpester Universitätsjahre von Gideon Petz (1863-1942). Die zwischen beiden Weltkriegen in Deutschland gepflegten volkskundlichen Bestrebungen in lexikalischer Richtung kamen ihm dabei sehr entgegen. So verfaßte er für das Handwörterbuch des Auslanddeutschtums (Breslau 1935) die volkskundlichen Rahmenartikel über das Banat einschließlich der Banater Mundarten und der Volkslieder.

Da stellte er für Sitte und Brauch eine fast restlose Einheitlichkeit mit den Auswanderungslandschaften, vor allem mit dem Pfälzischen, fest. Denn trotz verschiedener Herkunft und Mundarten behielt das Pfälzische die Oberhand. Außer der Mitarbeit bei einigen Zeitschriften (Die Westmark, Die Pfalz am Rhein und anderen) war er als Mitautor auch an Sammelwerken beteiligt.

So war er Mitarbeiter der von Karl Bell herausgegebenen Reihe Das Deutschtum im Ausland: Banat. Das Deutschtum im rumänischen Banat, Dresden 1926 (Die Lebensform der Banater Schwaben. Mit vier Bildern und drei Dorfanlagen aus Griselinis Werk). In allen seinen Beiträgen und Aufsätzen erwies sich Hans Hagel als feiner Analytiker von Sitte, Brauch und Mundart. Außer mit sämtlichen Äußerungen des Volkslebens befaßte sich Hans Hagel auch mit der Wissenschaft und Kunst der Banater Schwaben. Es war ihm dabei nicht entgangen, daß eine zusammenfassende Darstellung der Leistungen des Banater Deutschtums auf dem Gebiet der Wissenschaften fehlte, wozu er dann auf volkskundlichem Gebiet zusammenfassende Beiträge lieferte. Aber der Abschluß seines Lebenswerkes blieb ihm durch sein tragisches Ende versagt.

Lit.: Hans Hagel. Die Banater Schwaben. Gesammelte Arbeiten zur Volkskunde und Mundartforschung. Hg. von Anton Peter Petri. München 1967