Biographie

Hagenow, Karl Friedrich von

Herkunft: Pommern
Beruf: Geologe, Kartograph
* 19. Januar 1797 in Langenfelde/Vorpommern
† 18. Oktober 1865 in Greifswald

Karl Friedrich v. Hagenow wurde am 19. Januar 1797 bei Loitz, Kr. Grimmen in Vorpommern, geboren. Er war der älteste Sohn bei drei älteren Schwestern von insgesamt neun Kindern des Rittergutsbesitzers Friedrich Christoph Karl Hagenow, der 1802 den Reichsadel erwarb; seine Mutter Marie war die Tochter des Tertialgutsbesitzers Mentz aus Nielitz, Kr. Grimmen.

Bereits 1809, also mit 12 Jahren, begann er, nach solider Vorbereitung durch häuslichen Unterricht, mit dem Studium der angewandten Mathematik und Technologie an der Universität Greifswald. Einer seiner Lehrer war Prof. Tillberg, der in Friedrich v. Hagenow bereits als Hauslehrer nicht nur die Freude an den Naturwissenschaften geweckt, sondern auch die Grundlagen für deren systematische Erforschung gelegt hatte.

Nach dem Tode des Vaters (1812) heiratete die Mutter den gebürtigen Schweden Tillberg, Prof. für Mathematik und Physik. Da Friedrich v. Hagenow gern den mütterlichen Gutsbesitz übernommen hätte, beschäftigte er sich an der Universität auch mit landwirtschaftlichen Studien. Nach nur 3jähriger Studienzeit ging er mit 15 Jahren (1812-1814) nach Dargun/Mecklenburg, um sich auf dem dortigen im Verwaltungswesen praktische Kenntnisse anzueignen. 1815 siedelte er nach Schoritz auf Rügen, dem Geburtsort von Ernst Moritz Arndt, über, er selbst schreibt dazu: „1815 kam ich zur Erlernung der Landwirtschaft nach Schoritz/Rügen, wo ich zum erstenmal von Hünengräbern reden hörte und mit Erstaunen diese ältesten Werke der Vorzeit erblickte. Ein Besuch bei Pastor Franck zu Bobbin (= Kirchdorf bei Sagard/Rügen) um Pfingsten 1816 und das Anschauen seiner Altertümer hob den Schleier von meinem Blicke.“ Der Dienst als Freiwilliger (1817-1818) bei den Gardeschützen in Berrlin unterbrach seine Forschungen auf Rügen. Neben dem Militärdienst hörte er Vorlesungen an der Friedrich-Wilhelms-Universitätbei den Professoren Thaer und Reckleben über Landwirtschaft und  Tiermedizin. 1818 nach Rügen zurückgekehrt, pachtete v. Hagenow das Gut Poggendorf bei Schaprode, gegenüber der Insel Hiddensee. Am 4. Juni 1819 heiratete er eine Verwandte, Elisabeth Karoline Hennings, Tochter des Pastors Hennings aus Ahrenshagen b. Damgarten und seiner Ehefrau Eleonore Elisabeth, geb. Hagenow. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, zwei starben früh, eine Tbchter heiratete Med. Rat Glubrecht in Stettin, eine andere Major v. Winterfeld in Greifswald, sein Sohn Friedrich Karl übernahm später den Familienbesitz, das Gut Nielitz.

hAb 1819 datieren die Sammlungsberichte und Ausgrabungsprotokolle seiner Durchforschung rügischer und vorpommerscher Gräber der Vorzeit. Kleinere Abhandlungen, z. B. „Über Denkmäler und Inschriften der Vorzeit“, oder über Randgebiete seiner Forschungen, „Beiträge zur Ornithologie Pommerns“, hier ausschließlich über die Vögel in Vorpommern, sind in den „Stralsunder Geschichtsbüchern“ publiziert worden. Friedrich v. Hagenow war nicht nur vielseitig begabt und interessiert, er führte auch seine einmal angefangenen Studien, auf welchem Gebiet auch immer, mit peinlicher Genauigkeit und zäher Beharrlichkeit durch.

Die praktische Landwirtschaft auf seinem Pachtgut füllte ihn nicht aus, zu wenig Zeit blieb ihm für seine Forschungstätigkeit. Deshalb gab er das Gut auf und zog mit seiner Familie nach Loitz a.d. Peene. Dort widmete er sich – nun als Privatgelehrter – auch kartographischen Arbeiten. Nach einer trigonometrischen Aufnahme Rügens und durch eigene Feststellungen von Standorten über insgesamt 229 Riesensteingräber, 1239 Hügelgräber und 401 Urnenfriedhöfe erstellte v. Hagenow eine „Spezialkarte der Insel Rügen“ in vier Blättern im Maßstab M 1:51282. Diese Karte lehnt sich an das Vorbildder Lubinschen Karte an. Die Spezialkarte ist genau und sehr schön gezeichnet und von den Wappen der Rügenschen Adelsgeschlechter umrahmt. Damit stellte er als erster eine Gliederung der Riesensteingräber und Grabhügel auf. Ein Jahr später, 1830, gab er eine Reisekarte der Insel Rügen heraus, die vergrößert als Reiseführer durch die Insel Rügen mit Erläuterungen 1878 in Berlin herausgegeben wurde. Auch entwarf v. Hagenow (1839) eine „Fluß- und Höhenkarte von Pommern und Rügen“. Das von ihm 1830 entdeckte antediluviale Menschenskelett in einer Mergelgrube bei Gr. Rakow, Kr. Grimmen, erregte bei der damaligen Auffassung über die Evolution des Menschen großes Aufsehen.

Der Oberpräsident der Provinz Pommern, Dr. Sack, stiftete im Jahre 1825 die „Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde“ in Stettin, in die Friedrich v. Hagenow aufgrund seiner prähistorischen Forschungen sofort berufen wurde. Mit seinen engen Freunden Kosegarten und Schildner gründete er 1826 die Rügisch-Vorpommersche Abteilung dieser Gesellschaft in Greifswald. Die meisten seiner prähistorischen Publikationen erschienen in den „Baltischen Studien“, dem Publikationsorgan der Gesellschaft. Für die Universität Greifswald konstruierte er mehrere optische und physikalische Instrumente und Maschinen, außerdem erfand er auch ein Verfahren, wobei Stahl ohne Verlust seiner Härte mit Eisen und anderen Metallen verbunden werden kann. Die Philosophische Fakultät der Universität promovierte Karl Friedrich v. Hagenow 1830 zum Ehrendoktor.

1832 zog er nach Greifswald und betrieb dort eine Kreideschlämmerei, es war die erste Schlämmkreidefabrik Deutschlands, die er mit selbst erfundenen und konstruierten Maschinen ausstattete. Gleichzeitig (1835-38) hielt er Vorlesungen über angewandte Mathematik an der landwirtschaftlichen Akademie Eldena. Durch den eigenen Betrieb hatte sich die wirtschaftliche Lage v. Hagenows gebessert, außerdem wurde er 1843 zum Regierungskondukteur ernannt. Dann, nach dem Tode seiner Mutter (1844), erbte er das Tertialgut Nielitz, das seit 1630 im Besitz der mütterlichen Familie Mentz gewesen war. Die Bewirtschaftung des Gutes übernahm sein Sohn Friedrich Karl, er selbst konnte sich nun uneingeschränkt seinen Forschungen widmen, nachdem er 1850 die Kreideschlämmerei verkauft hatte.

Sein Interesse galt anfangs mehr der Urgeschichte, wandte sich dann fortschreitend den Naturwissenschaften zu und beschäftigte sich schließlich eingehend mit der Geologie, besonders mit der Paläontologie und Mineralogie. Schon auf Rügen hatte sich v. Hagenow neben seinen prähistorischen Studien mit der Erforschung der fossilen Lebewelt der Kreide beschäftigt. Die Regierung räumte ihm 1832 das alleinige Nutzungsrecht in allen Kreidebrüchen der Stubnitz/ Rügen für eine systematische Erstellung der Kreidefossilien ein. Durch die von ihm gegründete Schlämmkreidefabrik hatte er viel Forschungsmaterial aus den Rückständen gewinnen können, seine Versteinerungen wuchsen auf über 100 000 Exemplare an. So wurde v. Hagenow Experte für die Bestimmung der Vielzahl von Belemniten, Entomostracen, Cirripedier, Fische und Wirbeltiere u.a., er stellte neue Arten auf und konnte 1839 den 1. Teil seiner berühmten „Monographie der Kreideversteinerungen Neuvorpommerns und Rügens“ herausgeben, dem 1840 der 2. Teil und 1842 der 3. Teil folgten (veröff. im Neuen Jahrbuch für Mineralogie in Berlin). Zum Zeichnen der Versteinerungen unter dem Mikroskop erfand er den „Dikatopter“, der bald von vielen Geowissenschaftlern benutzt wurde und für den er anläßlich einer Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien mit der großen Goldmedaille vom Kaiser ausgezeichnet wurde.

Karl Friedrich v. Hagenow trat mit den berühmtesten Gelehrten der Paläontologie seiner Zeit, dem Franzosen d’Orbigny, dem Engländer Davidson, den Deutschen Goldfuß, Leopold v. Buch, Alexander v. Humboldt, Beyrich u. a. in engen, oft auch sehr streitbaren Briefwechsel und persönlichen Kontakt. Zahlreiche wissenschaftliche Reisen führten ihn durch Deutschland (besonders oft durch Pommern), Skandinavien, Frankreich, England, Belgien u. a. Er war seit 1835 Mitglied der Deutschen Geologischen Gesellschaft, seit 1853 der Palaeontographical Society in London, seit 1855 der Societe géologique de France in Paris. 1865 wurde er Ehrenmitglied der Stettiner Abteilung der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde. Ein Augenleiden schränkte sein Schaffen immer mehr ein, es führte schließlich zur Erblindung. Der Ordinarius für Geologie in Greifswald, Prof. Deecke („Geologie von Pommern“) sprach von „… den rastlosen Bemühungen Friedrich v. Hagenows, des unermüdlichen Erforschers vorpommerschen Altertums, der trotz seiner Erblindung nicht aufhörte, zu sammeln, was auf die Vorgeschichte Pommerns Bezug hatte.“ Am 18. Oktober 1865 starb Karl Friedrich v. Hagenow in Greifswald. Er wurde mitten aus seiner Arbeit über die „Entdeckung von Resten ehemaliger Pfahlbauten im Ryck b. Greifswald“ abberufen. Seine umfangreiche Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer wurde für 1550 Taler von dem Stralsunder Museum angekauft. Seine Fossilsammlung aus der Kreide (untere Maastricht-Schreibkreide), aber auch diejenige Sammlung von Exemplaren aus den pommerschen und dem süddeutschen Jura, den pommerschen Dogger-Geschieben und zahlreiche Geschenkexemplare aus aller Welt kamen, seinem letzten Wunsch entsprechend, in das Landesmuseum in Stettin. Nach Fertigstellung des Museums an der Hakenterrasse wurde dieser Sammlung dort eine eigene Abteilung eingerichtet, die, neben den Dohrn’schen Sammlungen, zum Lehr- und Anschauungsmaterial vieler Schülergenerationen in Stettin und für Besucher aus aller Welt wurde.

Lit.: Gummel, Hans: Forschungsgeschichte in Deutschland, Berlin 1938. Historische Kommission f. Pommern, hrsg. v. Hofmeister u. Braun: Pommern des 18., 19. und 20 Jahrhunderts, Stettin 1939. Pommernforschung, Reihe 2, Heft l, Greifswald 1934