Biographie

Haltrich, Josef

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Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Volkskundler, Sprachforscher
* 22. Juli 1822 in Sächsisch-Regen/Siebenbürgen
† 17. Mai 1886 in Schaas/Siebenbürgen

Für die Volkskunde und Sprachforschung der Siebenbürger Sachsen hat Josef Haltrich die gleiche Bedeutung, wie sie die Brüder Grimm für den gesamtdeutschen Sprachraum haben. Als junger Mensch von der Grimmschen Märchenwelt gefesselt, hat der während Haltrichs Studienzeit in Berlin lehrende Jakob Grimm einen unauslöschlichen Eindruck bei dem jungen Menschen hinterlassen und seine spätere Tätigkeit entscheidend bestimmt.

Josef Haltrich wurde am 22. Juli 1822 in Sächsisch-Reen geboren, absolvierte das Schässburger Gymnasium und begann 1845 das Studium der Theologie und Philologie in Leipzig. Im Bemühen, alles das zu erforschen, was siebenbürgisch-sächsisches Wesen und Volksleben betrifft, fand er sich hier mit Gleichgesinnten zusammen, von denen jeder nach freier Wahl ein bestimmtes Gebiet zum Sammeln und Bearbeiten übernahm: Friedr. Wilh. Schuster die Volkslieder und Rätsel, Fr. Müller die Sagen, Joh. Matz die Sitten und Gebräuche, Haltrich die Märchen. 1848 hatte Haltrich die Stelle eines Gymnasiallehrers in Schässburg erhalten und widmete sich nun neben seiner Lehrtätigkeit der übernommenen Verpflichtung der Sammel- und Forschungstätigkeit. Aufbauend auf der Märchensammlung Fr. W. Schusters, vermehrte Haltrich sie vorwiegend durch Beiträge, die ihm durch Schüler des dem Gymnasium angegliederten Lehrerseminars zugetragen wurden. Schon 1855 veröffentlichte er „Zur deutschen Thiersage“ und 1856 die Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen, die durch den echten Volkston, den Haltrich gefunden hatte, ein richtiges Volksbuch und das Buch mit der höchsten Auflage den Siebenbürger Sachsen wurde. Sowohl die Tiersagen als die Märchen wurden von der Fachwelt, voran die Brüder Grimm und Simrock, freudig begrüßt. Man glaubte, hier germanische Märchen-Urformen gefunden zu haben, eine Vermutung, die spatere Forschungen allerdings nicht bestätigen konnten. In der Folgezeit erschienen dann eine ganze Reihe volkskundlicher Schriften: Die Stiefmütter, die Stief- und Waisenkinder in der siebenbürgisch-sächsischen Volkspoesie (1856); Bildliche Redensarten, Umschreibungen und Vergleichungen der siebenb.-sächs. Volkssprache (1858); Deutsche Inschriften aus Siebenbürgen – ein Beitrag zur epigrammatischen Volkspoesie der Deutschen (1867); Die Macht und Herrschaft des Aberglaubens in seinen vielfältigen Erscheinungsformen (1871); Sächsischer Volkswitz und Volkshumor (1881); Die Welt unserer Märchen und unserer Kinder (1881). – Diese gründliche Beschäftigung mit Märchen, Sage und Brauch bedingte ein intensives Studium der Volkssprache, und als derVerein für Siebenbürgische Landeskunde 1859 die Herausgabe eines Wörterbuches der sächsischen Mundart beschloß, wurde Haltrich mit dieser Aufgabe betraut. Aufbauend auf den Vorarbeiten Johann Karl Schullers, legte er 1865 einen Plan zu Vorarbeiten für ein Idiotikon der siebenbürgisch-sächsischen Volkssprache vor, trug fleißig Material zusammen und erstattete 1874 einen Bericht über den Stand dieser Vorarbeiten. Doch mußte er feststellen, daß er allein und ohne Hilfe weiterer Mitarbeiter dieses Projekt nicht durchführen konnte, und übergab sein ganzes Material an den jüngeren Freund Johann Wolff.

Auch auf allgemeingeschichtlichem bzw. kulturgeschichtlichem, sogar auf rechtsgeschichtlichem Gebiet betätigte sich Haltrich. Seine wissenschaftliche Arbeit, von Anfang an von den Brüdern Grimm, Simrock und anderen führenden Volkskundlern anerkannt, fand auch weitere Würdigungen. 1859 wurde er zum Mitglied des Gelehrtenausschusses des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg ernannt, 1860 zum Ausschußmitglied des Vereins f. Siebenb. Landeskunde. – 24 Jahre war er am Schässburger Gymnasium als Lehrer tätig, die letzten 3 Jahre als dessen Rektor. 1872 wurde er zum Pfarrer der Gemeinde Schaas gewählt. Hier wurde er, erst 64jährig, durch einen Herzschlag aus dem Leben gerissen.

Josef Haltrich hat durch seine Arbeiten der sächsischen Volkskunde ihre wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen. Die Sprachwissenschaft verdankt ihm wichtige Impulse. Durch seine Volksmärchen aber sicherte er sich einen bleibenden Platz im Herzen seiner Landsleute.