Biographie

Hansemann, Ferdinand von

Herkunft: Posener Land, Zentralpolen (Weichsel-Warthe)
Beruf: Großgrundbesitzer, politischer Aktivist
* 10. September 1861 in Berlin
† 3. Oktober 1900 in Berlin

Der Begriff Hakata ist bis heute in Polen ein bekannter Kampfbegriff des polnisch-deutschen Nationalitätenkampfes und auch in der deutschen Geschichtsschreibung ist der Begriff Hakatisten eingegangen. Er ist eine Ableitung der Abkürzung der Namen der drei wichtigsten Gründer des Deutschen Ostmarkenvereins, der in seiner Zeitung selbst die Buchstaben HKT verwandte, nach Hansemann, Kennemann und Tiedemann.

Der Deutsche Ostmarkenverein war eine Organisation, die man durchaus als nationalistisch bezeichnen kann. Vor allem in spä­terer Zeit näherten sich seine Mitglieder dem Gedankengut der Nationalsozialisten an.

Der Deutsche Ostmarkenverein wurde im Jahr 1894 in Posen gegründet. Sein Ziel war es, das Deutschtum in den immer polnischer werdenden preußischen Ostprovinzen, vor allem in Posen, Westpreußen und (Ober-)Schlesien, zu stärken und die polnischen Nationalisten zurückzudrängen.

Der Verein war in diesen Gebieten unter der einheimischen deutschen Bevölkerung durchaus umstritten, wurde oft sogar abgelehnt. Seine Zusammensetzung zeigt dies deutlich. Es ist auffällig, dass die Gruppe der heute sogenannten Multiplikatoren, der Lehrer, Professoren, Unternehmer, Beamten und leitenden Angestellten sehr hoch war. Die meisten dieser Mitglieder stammten gar nicht originär aus diesen Provinzen. Im Jahr 1913 bestanden bereits 446 Ortsgruppen mit 50.230 Mitgliedern, was belegt, dass der Verein ein starkes Anliegen und großen Rückhalt in der Führungsschicht dieser Provinzen hatte.

Der Artikel 1 der Satzung des Deutschen Ostmarkenvereins lautet: „Ziel des Vereins ist Kräftigung und Sammlung des Deutschtums in den Ostmarken und Hebung und Befestigung deutsch-nationalen Empfindens und wirtschaftliche Stärkung des deutschen Volkes.“

Man könnte dieses Denken als typisch für die Kaiserzeit, für die Wilhelminische Ära ansehen, weniger aber als typisch preußisch, denn Preußen war Nationalismus immer fremd. Seit den 1890er Jahren war der deutsche Nationalismus – durchaus hervorgerufen durch den immer stärker werdenden polnischen Nationalismus – auch im polnischen Teilungsgebiet Preußens angekommen, auch wenn der Verein vielfach auf den Widerstand der alteingesessenen deutschen Einwohner stieß und Mitglieder vielmehr die von außen kommenden Beamten waren.

Einer der drei wichtigsten Aktivisten war Ferdinand v. Hansemann. Die Familie Hansemann war wirtschaftlich sehr erfolgreich und zugleich mit dem deutschen Nationalgedanken eng verbunden. Der Großvater des Hakatisten war David Hansemann (1790-1864), der jüngste Sohn des kinderreichen Pastors Eberhard Ludwig Hansemann in Finkenwerde bei Hamburg. Er erlernte das Kaufmannshandwerk, da sich der Vater nicht für alle Söhne ein Studium leisten konnte. 1817 machte er sich in Aachen selbständig und wurde mit dem Handel mit Frankreich bald wohlhabend und heiratete eine Hugenottin aus Eupen. 1824 gründete er die gemeinnützige Aachener Feuer-Versiche­rungs-Gesellschaft, die spätere Aachen-Münchener Versicherung, und engagierte sich schon damals gesellschaftlich und politisch.

Sein Sohn Adolf Hansemann (1827-1903) führte die Familie endgültig in höchste gesellschaftliche Kreise. Er trat in die Geschäftsführung der Disconto-Gesellschaft seines Vaters ein, die er nach dessen Tod übernahm und zur größten Privatbank Deutschlands und zur renommiertesten in ganz Europa machte. Er saß im Aufsichtsratsmitglied bei Krupp, förderte wie sein Vater den Eisenbahnbau und wurde als Bergwerksunternehmer tätig. Er war Aufsichtsratsvorsitzender der Gelsenkirchener Berg­werks-AG, die er sanierte und in die Mengeder Bergwerks-AG umwandelte. Nach ihm ist eine heute in Dortmund-Mengede liegende Zeche benannt. Er wurde einer der reichsten Männer des Deutschen Reichs.

Auch der zweite Hansemann vertrat energisch eine patriotische Haltung. Er gehörte zu den Finanziers des Deutsch-Französi­schen Krieges, wofür er am 8.3.1872 in den Adelsstand erho­ben wurde. Er liebte die Jagd und den Landbesitz. Aus diesem Grund er warb er großen Landbesitz im Posener Land: die Herrschaften Lissa-Laube (Długie, Kr. Lissa und Fraustadt) und Pempowo (Pępowo, Kr. Gostyn).

Die dritte Generation dieser Familie war Ferdinand v. Hansemann. Er wurde am 10.9.1861 als Sohn des Adolf v. Hansemann und der Ottilie v. Kusserow (1840-1919) in Berlin geboren. Seine Mutter war bekannt als sozial engagiert und geradezu revolutionäre Frauenrechtlerin bekannt.

Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte Ferdinand in Berlin und Heidelberg Jura, wo er zum Dr. iur. promovierte. Er trat anschließend in den preußischen Staatsdienst ein und wurde Referendar am Amtsgericht in Berlin und am Landgericht in Luckenwalde. Seit 1888 betätigte er sich nur noch als Landwirt auf den väterlichen Gütern, die in einen Fideikommiss umgewandelt worden waren, und lebte in Pempowo. Er heiratete Josephine Stienen, die Tochter eines Heidelberger Professors, mit der er einen Sohn und vier Töchter hatte.

Als Großgrundbesitzer in der Provinz Posen sah er die Entwicklungen im Posener Land, dass die Provinz immer polnischer wurde, da die Deutschen in die Industriezentren abwanderten und die polnischen nationalen Kräfte erfolgreich an der weiteren Polonisierung des polnischen Kernlandes „Wielko­polska/Großpolen“ arbeiteten.

Ganz in der deutsch-patriotischen Tradition der Familie trat er für das deutsche Interesse ein, speziell in den östlichen preußischen Provinzen. Aus diesem Grunde war er einer der treibenden Kräfte bei der Gründung des Vereins zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken. Seine Passion war die Presse, er war Miteigentümer der Berliner Neuesten Nachrichten – folgerichtig war er im Ostmarkenverein für die Pressearbeit zuständig.

Schon wenige Jahre nach der Gründung des Deutschen Ostmarkenvereins starb Ferdinand v. Hansemann am 3.10.1900 in Berlin.

Lit.: Grabowski, Sabine: Deutscher und polnischer Nationalismus – der Deutsche Ostmarken-Verein und die polnische Straż 1894-1914. (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung; 3), Marburg 1998. – Oldenburg, Jens: Der Deutsche Ostmarkenverein 1894-1934, Berlin 2002. – Sprungala, Martin: Die Hakatisten – Teil 1: Hansemann, in: Posener Stimmen Nr. 5, Mai 2009, Lüneburg, 56. Jahrgang.

Bild: Archiv des Verfassers

Martin Sprungala