Biographie

Hantsch, Hugo

Hugo Alois Emmanuel Hantsch wurde als Sohn eines Angestellten der Prager Eisen-Industrie-Gesellschaft geboren, besuchte zuerst das Gymnasium in Prag und dann in Teplitz-Schönau. Nach seiner Reifeprüfung mit Auszeichnung im Jahr 1913 trat er, der in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen war, am 21. August 1913 als Novize in das Benediktinerstift Melk (Niederösterreich) ein, wo sein Großonkel Amandus John von 1909 bis 1942 Abt war.

Hantsch begann gleich das Studium an der Theologischen Fakultät der deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag, wo er der CV-Verbindung „Ferdinandea“ beitrat. Nach seiner ein­fachen Profess wechselte er im Herbst 1915 an die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck (abs. theol. 1917), wo er im Jesuiten-Kolleg Canisianium wohnte. Am 8. September 1917 legte er die feierliche Profess ab und wurde am 30. Juni 1918 in St. Pölten von Bischof Johann B. Rößler zum Priester geweiht. Anschließend begann er für einen späteren Einsatzes am Stiftsgymnasium das Studium der Geschichte, Germanistik und Geographie an der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck (Dr. phil. 1921). Im März 1921 legte er die Lehramtsprüfungen für Gymnasien in den Fächern Deutsch sowie Geschichte und 1922 in Geographie ab.

Gefördert von seinem Onkel, dem Melker Abt, wandte sich Hantsch in der Folge der historischen Forschung zu, war 1922 Archivar am Bayerischen Staatsarchiv München und 1923/24 am Hausarchiv der Grafen Schönborn im unterfränkischen Wiesentheid (Landkreis Kitzingen, Bayern). Dort nahm er auch die Gelegenheit zu Studien an der Universität Würzburg wahr. Von 1924 bis 1927 absolvierte er als außerordentlicher Hörer den Kurs am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien, wo u.a. Heimito von Doderer sein Kurskollege war. Im Februar 1930 habilitierte er sich für Allgemeine Geschichte der Neuzeit bei dem großdeutsch eingestellten Historiker Heinrich von Srbik an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und hielt in der Folge dort Vorlesungen ab.

Mit 1. Oktober 1935 wurde Hantsch zum außerordentlichen Universitätsprofessor dieses Faches an der Philosophischen Fakultät der Universität Graz und Anfang 1938 dort zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt, was aber wegen des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich (13. März 1938) nicht mehr wirksam wurde. In Graz hielt er gemäß des Hochschulerziehungsgesetzes von 1935 die Vorlesungen „zur weltanschaulichen und staatsbürgerlichen Erziehung über die ideellen und geschichtlichen Grundlagen des österreichischen Staates“. Diese wurden von nationalsozialistischen Studenten gestört. In seiner Grazer Zeit erschien 1937 im dortigen Verlag Styria auch der erste Band seiner Geschichte Österreichs.

Ab 1934 arbeitete Hantsch beim Österreichischen Verband für volksdeutsche Auslandsarbeit mit, der auf Anregung des damaligen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß gegründet wurde, ebenso auch bei der „Vaterländischen Front“, die quasi die Einheitspartei des damaligen autoritären „Ständestaates“ war (1933/34 bis 1938).

Nicht zuletzt deshalb wurde Hantsch nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich mit Wirksamkeit vom 31. Mai 1938 in den Ruhestand versetzt und bereits am 21. März, damals der liturgische Gedenktag des hl. Benedikt, in Wien verhaftet. Zuerst wurde er im dortigen Polizeigefängnis, später im Wiener Landesgericht festgehalten. Am 25. September 1938 wurde er ins KZ Buchenwald überstellt, von wo er am 21. Februar 1939 freikam. Mit 31. März 1939 wurde ihm der Ruhegenuss aberkannt. Danach war er bis zum Kriegsende Pfarrer von Ravelsbach (Bezirk Hollabrunn, Niederösterreich), wobei er Freiheitsbeschränkungen unterworfen war und ein Publikationsverbot hinnehmen musste. Einen Ruf an die Universität New York lehnte er ab.

1945 wurde Hantsch als Universitätsprofessor in Graz rehabilitiert und mit 1. November 1946 nach Wien als Nachfolger des amovierten Heinrich von Srbik berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1965 ordentlicher Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit war. Im Studienjahr 1955/56 war er Dekan der Philosophischen Fakultät. 1951 bzw. 1958 wurde er Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wo er Obmann der Kommission für Geschichte war. 1970 verlieh ihm die Universität Innsbruck den Dr. iur. h.c.

Hantsch war einer der pofiliertesten Historiker Österreichs der ersten 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und prägte durch seinen Schülerkreis eine große Zahl von Historikern sowie auch von Gymnasiallehrern im Fach Geschichte. Bekannt wurde er vor allem durch seine zweibändige Geschichte Österreichs, die nach wie vor ein in seiner Art unerreichbares Standardwerk darstellt und wo er ein spezifisches Österreich-Bild vertritt. Sie erlebte mehrere Auflagen. Ein geplanter dritter Band kam nicht mehr zustande. 1963 wurde ihm das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, 1964 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

Einige der Geschwister von Hantsch wurden anlässlich der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei ermordet. Er selber starb an einem historischen Gedenktag. 166 Jahre zuvor legte Kaiser Franz II die römisch-deutsche Kaiserkrone nieder und erklärte das Heilige Römische Reich für aufgelöst. Hantsch wurde nach einem Requiem im Stift Melk beigesetzt.

Werke (Auswahl): Der deutsche Bauernkrieg (1925). – Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn. 1674-1746 (1929). – Die Entwicklung Österreich-Ungarns zur Großmacht (1933). – Geschichte Österreichs. Zwei Bände, (1937-1950, 5. Aufl. 1969). – Jakob Prandtauer. Der österreichische Klosterbaumeister (1960). – Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann. Zwei Bände (1963). – Prinz Eugen. Staatsmann und Mäzen (1963).

Lit.: Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag. Graz 1965. – Fritz-Corradini Fellner, Doris A., Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon, Wien 2006, S. 166f. (hier weitere Literatur- und Publikationsangaben). – Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner, Mitteilung 8. 6. 2021). – Winfried Schwab OSB, Benediktiner bei Ferdinandea, in: Katholisch Deutsche Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg im CV. 135, Stiftungsfest, Pfingsten 2021, Heidelberg 2021, S. 22-26.

Weblink: Gerhard Hartmann in https://oecv.at/Biolex/Detail/10401802 (letzter Abruf 28.7.2021).

Bild: Archiv des Österreichischen Cartellverbands, Wien.

Gerhard Hartmann