Biographie

Hartmann, Moritz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller und Abgeordneter
* 15. Oktober 1821 in Duschnik (Dušniky)/ Böhmen
† 13. Mai 1872 in Oberdöbling

Moritz Hartmann war ein überzeugter Demokrat, der hoffte, mit seinem Schreiben die Menschen zu erreichen und aufzuklären. Er trat für die Abschaffung der Unterdrückung durch den Absolutismus im Metternichschen Polizeistaat ein, da dieser mit seiner Zensur die Literaten zu Verfolgten machte. Hartmann war sehr umtriebig, setzte sich überall ein und war durch die engen Gesetze gezwungen, dauernd auf der Flucht zu sein. So hatte er ein sehr bewegtes Leben mit vielen wechselnden Wohn- und Fluchtorten.

Moritz Hartmann wurde am 15.10.1821 in Duschnik geboren und wuchs in einer jüdischen Familie auf. Der Vater war Hammerwerksbesitzer, die Mutter war die Tochter des Kreisrabbiners von Jungbunzlau. Moritz besuchte 1832/1833 das Gymnasium in Prag und wechselte dann von 1833 bis 1837 an das Piaristen Gymnasium in Jungbunzlau. Diese Zeit war für ihn ziemlich schwer, denn er erlebte an dieser Schule heftigen Antisemitismus. Als für ihn hilfreich zeigte sich in dieser Zeit sein orthodoxer, aber pragmatischer Großvater und Rabbiner. Mit 17 Jahren konvertierte Moritz Hartmann zum Katholizismus. 1838 fing er an, in Prag Medizin zu studieren, was ihm aber nicht sehr behagte. Er soll auch Philosophie und Literatur studiert haben, was aber nicht ganz sicher ist. In der Zeit in Prag lernte er Alfred Meißner, Arzt und Schriftsteller aus Teplitz und Siegfried Kapper, ebenfalls Arzt und Schriftsteller aus Smichow, sowie Isidor Heller und Rudolf Glaser, den Herausgeber der Zeitschrift „Ost und West“ kennen. In dieser Zeit wurden auch seine ersten schriftstellerischen Publikationen in dieser Zeitung veröffentlicht. Die Gruppe der obengenannten Studenten gehörte zum Kreis der Jungböhmen, die sich immer wieder in Prag in dem Gasthaus „Zum roten Thurme“ trafen, um sich gegenseitig ihre Werke vorzulesen, zu politisieren und Ideen zu entwickeln.

1840 ging Hartmann nach Wien, um sich hier ganz der Literatur und der Schriftstellerei zu widmen. Um seinen Unterhalt zu finanzieren, war er hier, wie in Prag als Hofmeister d.h. als Erzieher und Hauslehrer in adeligen und großbürgerlichen Häuser tätig. In Wien freundete er sich mit Hieronymus Lorm an. Dieser ermunterte ihn, seine eigenen Schriften auch zu veröffentlichen.

1844 ging Hartmann für einige Jahre ins Ausland, wahrscheinlich nach Berlin oder Leipzig, eventuell sogar nach Paris. In Leipzig erschien 1845 sein erster Gedichtband Kelch und Schwert, indem er in den Gedichten das Hussitentum verherrlichte. Deswegen fiel dieser Band der österreichischen Zensur zum Opfer. Wegen der sofort angelaufenen polizeilichen Verfolgung musste er nach Paris fliehen. Bald kehrte er nach Leipzig zurück und als sein Band Neuere Gedichte 1846 in Leipzig erschien, musste er wieder vor der polizeilichen Verfolgung nach Brüssel und Paris fliehen. Dort schloss er Freundschaft mit Heinrich Heine. 1847 wagte er die Rückkehr nach Böhmen und da er durch seine liberalen Schriften und polizeilichen Verfolgungen auch in der Öffentlichkeit bekannt war, wurde er als Abgeordneter des Wahlbezirks Leitmeritz 1848 zur Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Er war einer der radikalsten Vertreter der demokratischen Linken.

Von dort aus schloss sich Moritz Hartmann zusammen mit Julius Fröbel und Robert Blum dem Wiener Oktoberaufstand von 1848 unterstützend an. Der Aufstand forderte 4.000 Tote und 2.400 Verhaftungen, 500 Verhaftete wurden verurteilt und 25 hingerichtet, u.a. Robert Blum, obwohl er Abgeordneter der Nationalversammlung in Frankfurt war. Auch Julius Fröbel wurde verhaftet. Moritz Hartmann gelang in letzter Minute die Flucht aus Wien. Moritz Hartmann gilt als bester Chronist der Wiener Oktoberrevolution.

Er ging mit dem Rumpfkabinett der Frankfurter Nationalversammlung nach Stuttgart und blieb dort bis zur Auflösung dieses Kabinetts als Abgeordneter tätig. Als er auch noch an der Badischen Revolution teilnahm und diese niedergeschlagen wurde, musste er endgültig aus Deutschland fliehen. Es folgten Jahre der Wanderschaft, die ihn in die Schweiz, 1850 nach England und nach Frankreich führten. Dort lebte er meist in Paris oder in der Bretagne. Von hier aus unternahm Hartmann auch Reisen nach England, Holland, Belgien und Italien, später auch wieder nach Deutschland.

Er lebte vom Schreiben für Zeitungen und Zeitschriften und arbeitete als Korrespondent im Krim-Krieg von 1854 bis 1855 für die „Kölnische Zeitung“. Dabei zog er sich eine schwere Beinverletzung zu, an der er lange litt und deshalb auch längere Zeit bettlägerig war. In dieser Zeit meldeten sich viele bei ihm, ob Flüchtlinge oder Intellektuelle und baten um Rat und Hilfe.

1860 bekam er das Angebot, an der Genfer Akademie Vorlesungen über Literaturgeschichte zu halten.

Am 14. Juni 1860 heiratete er Bertha Roediger, die Tochter des Achilles Roediger, eines bekannten Pfarrers, Predigers der Niederländischen Wallonischen Kirche in Hanau, der auch eine private Schule betrieb und wegen seiner religiösen Toleranz und Einsatz für Benachteiligte und Verfolgte aus dem Dienst entlassen wurde. Das Ehepaar Moritz und Bertha Hartmann bekam zwei Söhne, Heinrich, der bereits mit vier Jahren starb und Ludo Moritz, der 1865 in Stuttgart geboren wurde und der später das Erbe seines Vaters weiterverfolgte, dessen Werte er verinnerlicht hatte. 1863 arbeitete Hartmann als Redakteur in Stuttgart und leitete ab 1867 die Zeitschrift „Freya“. Nach der allgemeinen Amnestie für die österreichischen exilierten „Achtundvierziger“ konnte 1867 konnte Hartmann wieder in Wien als Redakteur für die „Neue freie Presse“ arbeiten.

Seit 1870 litt er an einer schweren Nierenerkrankung und war zunehmend ans Bett gefesselt. Dennoch verkehrten im Hause zahlreiche Besucher und Gäste, Bankiers, Literaten, Wissenschaftler, Ärzte, Künstler und Universitätsprofessoren wie zum Beispiel Ludwig Bamberger, Theodor Gomperz, der Rechtshistoriker Adolf Exner sowie der Historiker Heinrich Friedjung. Moritz Hartmann starb am 13. Mai 1872. Seine 32-jährige Frau sorgte nun mit Hilfe von Ludwig Bamberger, dem Bankier und Politiker, für den Sohn Ludo Moritz.

Werke: Gesammelte Werke, Stuttgart 1873-1874, 10 Bände. – Moritz Hartmanns Gesammelte Werke, Prag 1906-1907, 2 Bde.

Lit.: BLKÖ 8, 1862, S. 4-11. – ADB 10, 1879, S. 657f. – NDB 7 (1966), S. 737-738.

Hildegard Schiebe