Biographie

Hartung, Hugo

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Film- und Bühnenautor, Schriftsteller
* 17. September 1902 in Netzschkau
† 2. Mai 1972 in München

Wie äußerte sich doch der Waldschlesier Hugo Hartung über Schlesien: „Hier fühlte ich mich vom ersten Tage an wunderbar daheim. Da war Vaterland in den anmutigen Waldbergen und den goldenen Felderbreiten, doch auch im dunklen Fachwerk mittelalterlicher Häuser und Mühlen – da war Mutterland im Glatzer Bergland mit seinen barocken Kirchen, und das Barocke noch gesteigert zu köstlicher Vollendung in der Architektur der Breslauer Kirchen und Kapellen. Und es gab so viele echte Behaglichkeit und herzliches Gutsein unter einfachen Menschen, daß man Schlesien zur Wahlheimat machen mußte. Noch enger aber band das Leid des Untergangs, der Zerstörung und der Austreibung mich an dieses Land, daß es vollends geliebte, verlorene, unvergessene Heimat geworden ist.“

Hugo Hartung wurde am 19. September 1902 in Netzschkau im Vogtland geboren. Seine Mutter kam aus dem Sudetenland. Er studierte in Leipzig und München Theaterwissenschaft, Kunst- und Literaturgeschichte. An der Landesbühne in München war er von 1928 bis 1931 als Dramaturg tätig. In der Zeit von 1931 bis 1940 arbeitete Hartung als Autor und Redakteur bei verschiedenen Sendern und war auch nebenbei in Oldenburg Dramaturg. Danach wirkte er bis zum Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 als Chefdramaturg in Breslau, wo er als Soldat am Festungskampf teilgenommen hat. Sein biographisches Buch „Schlesien 1944/45 – Aufzeichnungen und Tagebücher“, welches 1956 erschienen ist, ist ein beredtes Zeugnis, wo es im Eintrag vom 30. Juni 1945 heißt: „Der Größe nach antreten! – Dieses Kommando zum letzten Mal. Ohne Eile und ohne auf das nachbarliche Maß zu achten, schieben sich die Männer durcheinander, die Kranken, die Einbeinigen, die Einarmigen. Dann steht der Haufen einigermaßen. Und wartet wieder einmal! … Der russische Kapitän kommt. Er verliest die Namen und händigt die Entlassungspapiere aus. Ich muß ziemlich lange warten. Endlich mein Name …“

Stärker noch als in seinem Romanvom Untergang Breslaus, „Der Himmel war unten“, gestaltete Hugo Hartung in seinem nächsten Buch, „Gewiegt von Regen und Wind“ (1954), Einzelschicksale, wie das von einem oberschlesischen Pastor, eines durchschnittlichen Menschen und mittelmäßigen Theologen, der aus Oberschlesien ausgewiesen mit dem Fahrrad unterwegs nach dem Westen ist und im Sommer 1945 in den Sog des ungeheuerlichen Geschehens gerät: Zehntausende von Heimatlosen, die jenseits der Görlitzer Neiße ihre Dörfer, Wälder und Berge nahe vor Augen sahen, warten auf die Rückkehr, werden von Gerüchten genarrt und müssen erfahren, daß die einzige intakte Brücke sie von der Heimattrennt, statt hinüberzuleiten.

Im Zusammenhang der genannten Romane, mit denen der Schriftsteller erstmals Aufsehen erregte, steht auch seine Erzählung „DER DESERTEUR oder die große belmontische Musik“, welche er der Erinnerung an Breslau widmete. Darin heißt es in einem Brief, den der Schriftsteller T. an seine Frau schreibt: „Groß und schön wäre es, dichtend, das ist selig leidend und unter Tränen lächelnd, den Menschen, und nicht nur denen des eigenen Volkes, noch einmal die Wahrheit sagen zu können –, und wenn sie die große belmontische Melodie hat, bedarf sie des Übersetzens nicht. Sie klingt dann in ihrer Heiterkeit unmittelbar von Herz zu Herz der Völker wie die Musik Mozarts, der in Büchners Jahren gleich um das Geheimnis wußte …“ Neben den schönen französischen Geschichten „Das Feigenblatt der schönen Denise“ aus dem Jahre 1952 steht der Zwillingsroman „Aber Anne hieß Marie“ von 1952.

Zu den filmischen Welterfolgen zählen die Romane „Wir Wunderkinder“ (1957), „Ein Prosit auf die Unsterblichkeit“ (1960) und nicht zuletzt „Ich denke oft an Piroschka“, welche in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

In einer Besprechung zu Hartungs Roman „Stern unter Sternen“ aus dem Jahre 1963 heißt es in der Süddeutschen Zeitung: „Hugo Hartung bemüht sich, Gegenwärtiges im Vergangenen, Problematisches im Poetischen aufgehen zu lassen. So umkreist er die Zeit der ersten großen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, von denen unser heutiges Weltbild herkommt, einer Zeit, in der Wissenschaft und Kunst noch nach einer Einheit strebten und die Natur, auch in der Atmosphäre, in der wir leben, noch groß und beherrschend war, jeder Sturm, jeder Wetterumschlag ein Geheimnis. Es ist die Geschichte der Wanderschaft zweier ungleicher Freunde, in der kleine Leiden und Freuden die große Auseinandersetzung mit den Weltproblemen und den großen, ewigen Fragen zwanglos unterbrechen. Es ist die Geschichte einer Gefahr, die der Bau einer kosmologischen Uhr heraufbeschwört. Wem kämen da nicht Gedanken an andereGefahren, die heute heraufbeschworen werden … – für die ganze Menschheit. Im Besitz einer sicheren Sprachkultur kommt Hartung zu weit tieferen Ergebnissen.“

Seinen letzten heiter-satirischen Romanen „König Bogumil“ und „Timpe gegen alle“ folgten die Erzählungsbände „Die glitzernde Marietta“ und „Keine Nachtigallen im Ölbaumwald“ sowie der Roman „Die stillen Abenteuer“. Zunächst in Berlin wohnend, später in München, wo Hugo Hartung am 2. Mai 1972 überraschend starb, hinterließ er ein umfassendes literarisches Werk, das weiterhin Beachtung verdient.

Bild: Schlesischer Kulturspiegel.

Konrad Werner