Biographie

Hauffen, Adolf

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Volkskundler und Literaturhistoriker
* 30. November 1863 in Laibach/ Krain
† 4. Februar 1930 in Prag

Geboren in der Landeshauptstadt des österreichischen Kronlandes Krain studierte der spätere „Vater der böhmischen Volkskunde“, Adolf Hauffen seit 1883 Deutsch, Englisch, Geschichte und Erdkunde in Wien, Leipzig, Berlin und Graz. 1889 habilitierte sich Hauffen an der Deutschen Universität in Prag; es folgten 1898 die außerordentliche und 1919 die ordentliche Professur. Dabei befasste er sich in seinen Lehrgebieten mit der deutschen Sprache, Literatur und Volkskunde und war eher an der Erwachsenenbildung orientiert. Seine Forschungen sollten richtungsweisend für die Volkskunde sein und nicht umsonst gilt Hauffen als Begründer der wissenschaftlichen Volkskunde in Böhmen. In seinen Vorlesungen behandelte er hauptsächlich das Volkslied und die Volkskunde. 1894 bis 1900 leitete Hauffen die Sammlung der deutschen Volksüberlieferungen in Böhmen und 1896 begründete er die Beiträge zur böhmisch-deutschen Volkskunde; später fand sein Arbeitsgebiet Erweiterung auf Mähren, Schlesien und die Karpatenländer. Daneben beschäftigte er sich auch mit der Person von Johann Baptist Fischart, einem frühneuhochdeutschen Schriftsteller aus Straßburg; viele Veröffentlichungen gehen in diesem Zusammenhang auf ihn zurück. Besonders oft vertreten ist Hauffen in den Ausgaben von Kürschners Nationalliteratur, so legte er eine Ausgabe der Werke Fischarts in Band 18 (1891-1895) vor und beabsichtigte sogar die Herausgabe einer „umfassenden und kommentierten Fischart-Ausgabe“– allerdings konnte er dieses Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen.

Seine Publikation Die Deutsche Sprachinsel Gottschee aus dem Jahre 1895 indes gilt nach Basler als ein „den Gesamtbereich der Volkskunde umschließendes Werk“. Aufwendig recherchiert stellt dieser Titel eine erste allgemeine volkskundliche Darstellung einer Sprachinsel seiner Heimat Krain dar. Die deutsche Sprachinsel Gottschee befand sich Ende des 19. Jahrhunderts unter der politischen Verwaltung des vorwiegend von Slowenen bewohnten österreichischen Kronlandes Krain, in dessen südöstlichen Teil sie gelegen war.

Neben den für die Volkskunde typischen Kapiteln wie Lage und Beschaffenheit der Sprachinsel, die Herkunft der Bevölkerung, Mundart, Lebensverhältnisse, Tracht und Bau, Sitten, Märchen und Volksliedern hat Hauffen über die Hälfte des Buches darauf verwandt, sämtliche gesammelte Texte von Liedern nebst Anmerkungen dazu für den Leser aufzubereiten. Speziell für das Kapitel über die Mundart hat Hauffen gründlich im Wörterbuch der Mundart von Gottschee recherchiert, wie er selbst in seinem Vorwort schreibt: „Die bisher umfangreichste Arbeit über unseren Gegenstand, das Wörterbuch der Mundart von Gottschee von Karl Julius Schröer (in den Wiener Sitzungsberichten 1868 und 1870) hat mir gute Dienste geleistet.“ Die Lieder sind zumeist mit Melodien abgedruckt und sogar in Lautsprache (der auf der Sprachinsel vorzufindenden Mundart) verfasst. Besonders die Mundart bzw. den Dialekt hat Hauffen intensiv recherchiert und in mühevoller Arbeit die Lieder zusammengetragen.

Nach Hauffen verhalten sich die Stammvokale und die Mehrzahl der Konsonanten der Gottscheer Mundart bis auf wenige Ausnahmen wie im Bayerisch-österreichischen. Die Aussprache selbst sei dieselbe wie in den bayerisch-österreichischen Mundarten. Jener Charakter ist typisch für viele Mundarten im deutschen Osten.

Was Hauffen für die deutsche Sprachinsel Gottschee im „Kleinen“ geschaffen hat, das – so schreibt er ebenfalls im Vorwort – führte er auf dem Gebiet der deutsch-böhmischen Volkskunde weiter. Die Gottscheer Volkskunde war quasi das „kleine“ Vorbild und der Vorläufer der Volkskunde von Deutsch-Böh­men.

Hauffen war das große Vorbild für die Arbeiten von Josef Hanika, einem weiteren (großartigen) böhmischen Volkskundler, der 1946 als Deutscher die Vertreibung miterleben musste, nachdem er in einem Vernichtungslager nur knapp durch Entlassung wegen Krankheit dem Tod entronnen ist. Doch ganz klar bemerkt Josef Hanika:

„Die deutsche Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Prag erstreckte ihre Tätigkeit nur auf Böhmen. In ihrem Auftrag begann Univ.-Prof. Dr. Adolf Hauffen im Jahre 1894/95 mit der Sammlung der Volksüberlieferungen und begründete mit seiner Einführung in die deutsch-böhmische Volkskunde und einer Bibliographie die deutsche wissenschaftliche Volkskunde in Böhmen, ohne die deutschen Gebiete in Mähren-Schlesien in die Arbeit mit einzubeziehen. Die von A. Hauffen herausgegebene Schriftenreihe trug bis 1918 den Titel ‚Beiträge zur deutsch-böhmischen Volkskunde‘. Eine ‚sudetendeutsche Volkskunde‘ konnte es damals noch nicht geben, weil es eben noch kein ‚Sudetendeutschtum‘ gab.“

Die Arbeiten von Hauffen sind noch heute von bedeutendem Interesse für alle, die sich mit der Geschichte, der Mentalität und vor allem der großen Sprachenvielfalt im alten Österreich auseinandersetzen möchten. Die Autoren für die Werke jener Zeit, also für das Ende des 19. Jahrhunderts und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, erzählen von einer Welt, die sie noch so erlebt haben wie sie tatsächlich einmal war, ja, von der Welt von gestern wie der österreichische Jude und Schriftsteller von Weltrang, Stefan Zweig, gleichzeitig auch seine Autobiographie betitelt.

Werke: Caspar Scheidt, der Lehrer Fischarts, 1889. – Theodor Körner, 1891. – Shakespeare in Deutschland, 1893. – Zur Literatur der ironischen Enkomien, in: Vierteljahresschrift für Literaturgeschichte 6 (1893), S. 161-85. – Das Höritzer Passionsspiel, 1894. – Einführung in die deutsch-böhmische Volkskunde nebst einer Bibliographie, in: Beiträge zur deutsch-böhmischen Volkskunde 1 (1896). – Fischart-Studien I-XVI, in: Euphorion 3-6 (1896.99); 8-11 (1901-1904). – Geschichte, Art und Sprache des deutschen Volksliedes in Böhmen, 1912. – Kriegslyrik der Gegenwart, vornehmlich in Deutsch-Böhmen, 1916. – Bibliographie der deutschen Volkskunde in Böhmen, eingel. u. hrsg. v. G. Jungbauer, in: Beiträge zur sudetendeutschen Volkskunde 2 (1931. – Selbstbiographie: Mein Leben und Wirken, in: Die Wünschelrute, Reichenberg 1924, S. 5-18.

Bild: Adolf Hauffen (Hrsg.), Johann Fischarts Werke. Eine Auswahl, 1893.

Julia Nagel