Biographie

Hausmann, Richard

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Historiker
* 28. November 1842 in Werro/Livland
† 19. Dezember 1918 in Dorpat/Estland

Gotthard Gustav Richard Hausmann war der Sohn eines Goldschmiedemeisters. Nachdem er die Kreisschule in Werro beendet hatte, schickten die Eltern den lesefreudigen Jungen zum Besuch des Gouvernementsgymnasiums nach Reval. Gefördert durch einen seiner Lehrer, den rege publizierenden Historiker Gotthard Hansen, erwachte hier das Interesse des Gymnasiasten an der Geschichte.

Dementsprechend studierte Hausmann dieses Fach ab 1862 an den Universitäten Dorpat und Göttingen. In Dorpat begeisterte ihn Carl Schirren, in Göttingen besuchte er wie zahlreiche andere junge Balten die methodisch höchst anregenden Veranstaltungen von Georg Waitz, was seine Vorliebe für quellenkritische Untersuchungen und seine Hochschätzung der historischen Hilfswissenschaften bestimmte.

Nach seiner Rückkehr nach Dorpat wurde Hausmann dort im Jahre 1871 Dozent. Damit begann eine erfolgreiche akademische Karriere, die mit der Ernennung zum Ordentlichen Professor für allgemeine Geschichte 1880 einen Höhepunkt erreichte. Seit den frühen 1890er Jahren mußte Hausmann jedoch die Russifizierung und den Niedergang der Universität Dorpat mitansehen. Indem er sich weigerte, in russischer Sprache zu lesen, nahm er statusmäßige und finanzielle Nachteile in Kauf. Nach seiner Emeritierung (1898) bot er in Dorpat noch mit großem Erfolg Privatkurse zur livländischen Geschichte an. Seinem Tod gingen Jahre schwerster Krankheit — tragischerweise verlor er sein Gedächtnis – voraus. Für die Entwicklung der baltischen Geschichtsforschung waren nicht nur die zahlreichen Publikationen Hausmanns wichtig, sondern auch seine lange, auf das Mittelalter konzentrierte Dorpater Lehrtätigkeit war von höchstem Belang. Er hat wie kein anderer deutschbaltischer Historiker schulebildend gewirkt. Sein Ideal strenger Wissenschaftlichkeit und die von Waitz übernommene kritische Methode vermittelte er in Verbindung mit der Liebe zur gemeinsamen Heimat und ihrer Geschichte einer sehr großen Zahl von angehenden baltischen Historikern. Aus dem Kreis seiner Schüler seien auswahlsweise Johannes Haller, Leonid Arbusow jun., Friedrich Bienemann jun. und Ernst Seraphim genannt. Hausmanns Forschungstätigkeit galt namentlich der Geschichte Alt-Livlands, für die er auf zahlreichen Archivreisen neues Material erschloß. Aus seinen Publikationen seien Das Ringen der Deutschen und Dänen um den Besitz Estlands (1870), seine quellenkritischen Studien zur Geschichte des Königs Stephan von Polen (1880) und die grundlegenden Studien zur Geschichte der Stadt Pernau (1906) hervorgehoben. In vorbildlicher Weise hat er zusammen mit Konstantin Höhlbaum Johannes Renners Livländische Historien, eine Chronik des 16. Jahrhunderts, ediert (1876). Eine große Darstellung über das Verhältnis Livlands zum Reich blieb leider unvollendet. Wesentliches hat Hausmann aber auch noch auf dem Gebiet der baltischen Archäologie, die vor ihm weitgehend dilettantisch betrieben wurde, geleistet. Bezeichnend für die Wertschätzung, die der persönlich bescheidene Forscher bei seinen Zeitgenossen fand, ist die Tatsache, daß er Ehrenmitglied aller acht gelehrten Gesellschaften war, die es in Est-, Liv- und Kurland gab. Das hohe Niveau der älteren deutschbaltischen Geschichtsforschung ist in der Tat zu einem sehr erheblichen Teil Richard Hausmann zu verdanken.

Lit.: Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710-1960, hrsg. von Wilhelm Lenz (sen.), Köln-Wien 1970, S. 304. – Otto Freymuth: Richard Hausmann, in: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1922, Dorpat 1923, S. 5-25. – A. M. Tallgren: R. Hausmann als Archäologe, ebd., S. 26-31. – Wilhelm Lenz (jun.): „Alt-Livland“ in der deutschbaltischen Geschichtsschreibung 1870-1918, in: Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung, hrsg. von Georg von Rauch, Köln-Wien 1986, S. 203-232.