Als er am 5. August 1935 in Troppau gestorben war, brachten die Tageszeitungen und viele Zeitschriften ausführliche Nachrufe und Würdigungen über Viktor Heeger. Damals kannte man ihn landauf, landab als den „Dichter der grünen Schles“, als den „Koppenvater“, als den „schlesischen Rosegger“. Das Schicksal, das seinen Landsleuten zehn Jahre nach seinem Tode beschieden war, und der zeitliche Abstand, der zur Abklärung führt, haben es mit sich gebracht, daß Heegers Popularität zwar ein wenig verblaßt ist, aber vergessen hat man ihn keinesfalls. Auch die Literaturgeschichtsschreibung hat ihn nicht vergessen – im Gegenteil: Man hat Viktor Heeger und seine literarischen Werke einer kritischen Analyse unterzogen – und sie haben die Prüfung bestanden. Daher nimmt Viktor Heeger im Kreise der Heimatdichter, die ihre eigene literarische Landschaft vertreten, den Ehrenplatz des bedeutendsten sudetenschlesischen Mundart- und Heimatdichters ein.
Viktor Emanuel Heeger wurde am 28. April 1858 in Zuckmantel (Bezirk Freiwaldau) als Sohn eines fürstbischöflichen Revierförsters geboren. Ein abwechslungsreiches, ja sogar bewegtes Leben stand bevor. Die wichtigsten Stationen seines Lebens waren Troppau, Freudenthal, Brunn, Wien, Olmütz, Graz und Gräfenberg bei Freiwaldau. In Troppau besuchte er die Volksschule, die Realschule und die Lehrerbildungsanstalt, nach Troppau kehrte er 33 Jahre später zurück, um seine Tätigkeit als Wanderlehrer der „Nordmark“ und als Geschäftsführer der „Deutschen Post“ aufzunehmen, und nach nochmaliger längerer Unterbrechung kam er endgültig nach Troppau zurück und beendete dort seinen Lebensweg.
Die berufliche Laufbahn führte ihn nach Freudenthal, wo er als Lehrer und Bürgerschullehrer unterrichtete. In Brunn widmete er sich vorwiegend redaktioneller Arbeit und ging seinen politischen Interessen nach. Eine steile Karriere brachte das Mandat eines Reichsratsabgeordneten und die Übersiedlung nach Wien mit sich. In Olmütz ließ er sich als Wanderlehrer des „Bundes der Deutschen Nordmährens“ nieder, in Graz als Wanderlehrer der „Südmark“. Seinen Lebensabend verbrachte Viktor Heeger in seinem „Koppenhaus“ bei Grafenberg, und dort schrieb er auch seine „Koppenbriefe“, jene Zeitungsaufsätze, die ihm den Beinamen „Koppenvater“ eintrugen.
Literarische Verdienste erwarb sich Viktor Heeger vor allem als Epiker und Dramatiker. Seine „Geschichten vom alten Haiman“ (1888), humoristische Erzählungen in schlesischer Mundart, ließen aufhorchen. 1895 erschien der zweite Teil, und heute weiß man, daß Heeger mit seinem „Vater Haiman“ einen literarischen Typus erschaffen hat, mit dem er gar manchen Epigonen beeinflußt hat. Mundartgeschichten, aber auch Gedichte enthält der Band „Köpernikel und Amika“ (1909). Der ein Jahr vorher veröffentlichte „Kobersteiner“ weist neue Wege; der Dichter gestaltet eine Heimatsage in der Form eines Epos. Den „Schubert-Schmied“ (1928) wertet Heeger selbst als eine „schlesische Dorfgeschichte“. Wie erfolgreich Viktor Heeger die Zeiten überdauert hat, beweist die Tatsache, daß außer Neuauflagen postum zwei weitere Bände erscheinen konnten, deren Inhalt sich aus dem literarischen Erbe des Dichters ergeben hat: die „Koppenbriefe“ (1960) und „Grüße der Heimat“ (1962). Ein besonderes Anliegen war es dem Dichter, Literatur in die Bevölkerung zu tragen. Dazu schien ihm das Volkstheater als besonders gut geeignet. Er gründete als erste schlesische Volksbühne die „Reihwiesner“ (1912 ) in der Gemeinde Reihwiesen, und Dutzende Städte bzw. Dörfer griffen diese Anregung auf. Jetzt fühlte sich Heeger aber auch verpflichtet, für volkstümliche Bühnenstücke zu sorgen. Mit der „Wunderkur“ (1913) gelang ihm der erste große Wurf, und die Buhnenstücke „Hans Kudlich“ und „Der Pfeifla-Schuster“ (beide 1914) gehörten zum Standardrepertoire der meisten Volksbühnen und wurden selbst in Wien gern gespielt. Soweit sich Heeger der Mundart bediente – und darin sah er geradezu eine Verpflichtung –, mußte er die durch die Mundart bedingte Begrenzung seines Schaffens in Kauf nehmen. Es bleibt ihm jedoch das Verdienst, den südschlesischen Dialekt in der Literatur verankert zu haben.
Lit.: J. W. König: Ihr Wort wirkt weiter. Wolfratshausen, 1966; J. W. König: Viktor-Heeger-Bibliographie. Wolfratshausen, 1966; Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens; II. Band. München, 1967; J. W. König: Heimat im Widerschein. Heidenheim an der Brenz, 1978; J. W. König: „Viktor Heeger in der neueren Literaturgeschichtsschreibung“. In: „Altvater-Jahrbuch 1983“. Heidenheim an der Brenz.