Biographie

Heermann, Johann

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: evangelischer Geistlicher, Kirchenlieddichter
* 11. Oktober 1585 in Raudten/Niederschlesien
† 17. Februar 1647 in Lissa/Posen

Johannes Heermann gilt als der bedeutendste evangelische Liederdichter zwischen Luther und Paul Gerhardt. Not und Elend des 30jährigen Krieges, dazu viel persönliches Mißgeschick bescherten ihm ein leidvolles Leben. Aus seiner Bewältigung im Glauben erwuchs ihm die Kraft zur religiösen Dichtung und brachte ihm den Beinamen eines „schlesischen Hiob“ ein.

Er wurde am 11. Oktober 1585 in Raudten bei Wohlau als Sohn eines Kürschners geboren. Seine Mutter bestimmt ihn zum Predigerberuf, nachdem ihr vier ältere Kinder gestorben waren. Sie bringt ihn in das Haus des Pfarrers und bekannten Liederdichters Valerius Herberger. Der nimmt ihn als Hauslehrer seines Sohnes auf, um ihm den Besuch der Lateinschule in Fraustadt zu ermöglichen. Der junge Heermann wird Freund und Gehilfe des Pfarrers, der ihm die entscheidenden Anregungen zum dichterischen Schaffen vermittelt. Danach besucht er ein Jahr das Elisabet-Gymnasium in Breslau und bezieht anschließend die Fürstenschule in Brieg, die als protestantische Bildungsstätte einen großen Ruf hatte (1604-09). Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als „Informator“ junger Adliger. Nach der Sitte der Zeit erbringt er durch Gedichte in lateinischer Sprache den Beweis seiner Befähigung und wird am 8. Oktober 1608 von dem Breslauer Arzt Caspai Cunrad mit Genehmigung eines kaiserlichen Pfalzgrafen zum „Poeta laureatus caesareus“ mit dem Dichterlorbeer gekrönt. Von einer Bildungsreise als Begleiter junger Adeliger kehrt er 1610 schwerkrank heim. 1611 wird er in Koben an der Oder zum Kaplan und bald darauf zum ersten Pfarrer gewählt. Fünf glückliche Jahre verlebt er in 1. Ehe mit Dorothea Feige, da Tochter des Bürgermeisters seiner Vaterstadt. Ihr früher Tod trifft ihn schwer. Aber ein Pfarrhaus braucht eine Pfarrfrau, und so führt er im nächsten Jahr eine Waise, Anna Teichmann, heim. Sie schenkt ihm drei Söhne und eine Tochter. Bald verschlimmert sich sein altes Leiden. Eines Tages versagt ihm die Stimme. Von 1624 an muß er sich von Kandidaten vertreten lassen, die seine zu Papier gebrachten Predigten vorlesen. Auch schafft er sich Ersatz durch Herausgabe gedruckter Predigten, einzeln und in Sammlungen. Er wird nicht bitter, sondern ein Beter: „O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell aller Gaben, ohn‘ den nichts ist was ist, von dem wir alles haben. Gesunden Leib gib mir …“

Noch bevor das Lied mit vielen anderen in der „Devoti Musica cordis“ 1630 in Breslau erscheint, bricht die Kriegsnot in seine Gemeinde. 1629 muß er sich siebzehn Wochen vor den Liechtensteinschen Dragonern in den feuchten Oderwäldern versteckt halten. In den folgenden Jahren muß er achtzehnmal fliehen. Mehrfach wird sein Haus von Landsknechtshorden geplündert. Das lange Ausharren in den Wäldern legt sich mit Rheuma auf seine Glieder. In dieser Zeit verfaßt er seine meisten Kirchenlieder. Es sind „Tränenlieder“, da seine Gemeinde von Pest heimgesucht, verringert, verängstigt und verarmt war. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres muß er sich wegen zunehmender Krankheit ganz aus seinem Amt zurückziehen. 1638 übersiedelt er nach Lissa, wo er 1647 nach qualvollen Leiden stirbt. Sein ältester Sohn Samuel, auf den er alle Hoffnungen setzte, war ihm – an Schwindsucht erkrankt – im Tod vorangegangen.

Aus der schlichten, formvollendeten Sprache seiner Kirchenlieder leuchtet ein Gott, der stärkt, der Zuversicht und Geborgenheit schenkt. Sie sind wie das folgende unter weiteren zehn Liedern bleibendes Besitztum der evangelischen Gemeinde (Evangelisches Kirchengesangbuch für Hessen und Nassau 1964, Nr. 276):

1. Geht hin, ihr gläubigen Gedanken/ins weite Feld der Ewigkeit/erhebt euch über alle Schranken/der alten und der neuen Zeit;/erwägt, daß Gott die Liebe sei/die ewig alt und ewig neu./

5. Wie wohl ist mir, wenn mein Gemüte/hinauf zu dieser Quelle steigt/von welcher sich ein Strom der Güte/zu mir durch alle Zeiten neigt,/daß jeder Tag sein Zeugnis gibt:/ Gott hat mich je und je geliebt./

8. Im sichern Schatten dieser Flügel/find ich die ungestörte Ruh./Der feste Grund hat dieses Siegel:/“Wer dein ist, Herr, denn kennest du“./Laß Erd und Himmel untergehn,/ dies Wort der Wahrheit bleibt bestehn.

Auch im kath. Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ finden wir noch heute eines seiner bekanntesten Lieder: „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen, …“ Kulturgeschichtlich trug Johannes Heermann bei zu einer aus Not und Leid geborenen Blütezeit der Dichtung und des Denkens, in der Schlesien für ein Jahrhundert im Bereiche des Schrifttums der Deutschen die Führung übernahm.

Lit.: Georg Blümel, Johannes Heermann, Schlesische Lebensbilder, Band II. Breslau 1929. Rudolf Irmler, Johannes Heermann, der schlesische Mob, Gießen 1959. Wilhelm Lueken, Handbuch zum ev. Kirchengesangbuch, Lebensbilder der Liederdichter und Melodisten, Göttingen 1957.

Abb.: Stich von Lucas Kilian, 1631