Biographie

Heintschel-Heinegg, Hanns Georg

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Theologiestudent, Lyriker und Widerstandskämpfer
* 5. September 1919 in Kneschitz (Kněžice)/ Böhmen
† 5. Dezember 1944 in Wien

Viele Opfer des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten in Österreich stammen aus Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien. Die einzige Ordensschwester, die von den nationalsozialistischen Henkern enthauptet wurde, stammte aus Brünn: Die von Papst Johannes Paul II. seliggesprochene Sr. Restituta Kafka. Einer der Führer der katholischen Widerstandsgruppe „Österreichische Befreiungsbewegung“, der Klosterneuburger Chorherren Roman Scholz, ist in Mährisch Schönberg geboren. Zu dieser Widerstandsbewegung gehört auch Hanns Georg von Heintschel-Heinegg, der wie Roman Scholz 1944 in Wien hingerichtet wurde.

Dieser zu Unrecht vergessene Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten ist am 5. September 1919 auf Schloss Kneschitz im Böhmerwald geboren, „tief im Grund, wo einsam steht ein weißes Haus“, wie er später in einem Gedicht schreibt. Der Vater, ein Wollwarenfabrikant aus Heinersdorf an der Tafelfichte, hatte das Schloss 1897 erworben, musste es jedoch im Jahr 1926 wegen Überschuldung verkaufen. Als Sechsjähriger kommt Hanns Georg mit den Eltern und drei Schwestern nach Wien und tritt dort 1928 in das Theresianum, die alte Schul-Stiftung der Kaiserin Maria Theresia ein. Früh entdeckt er seine Begabung zur Dichtung. Er glühte und sprühte buchstäblich in Begeisterung für Rainer Maria Rilke und bald auch für die strenge Formkunst Stefan Georges. Einer seiner Studienkollegen in jener Zeit berichtet von Hanns Georgs weiteren literarischen Präferenzen wie Eichendorff, dessen „melodiöse Liedhaftigkeit er liebte“, und Grillparzer, über den er zum spanischen Drama kommt und sich dabei vor allem für die Werke Calderons begeistert. In dieser Zeit beschließt Hanns Georg, Priester zu werden und tritt nach der Matura 1937 in das Canusianum in Innsbruck ein. Vorher macht er eine Reise nach Paris und Oberitalien und schreibt Gedichte über die Landschaften im Süden:

Mild wie niemals die Luft

Frühen Herbstes im Süd,
Traumhaft süß im Geblüt,
und ein Lied erklang,
Melodisch und bang.
Von schwarzen Locken trug es den Duft. –
Mild wie niemals die Luft.

Auch aus der Zeit in Innsbruck sind uns Gedichte von ihm erhalten. Damals las er die Franzosen Léon Bloy, Paul Claudel und Georg Bernanos, aber besonders begeisterte er sich an den Hymnen an die Kirche von Gertrud von Le Fort.

Als nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich die Gestapo auch Hausdurchsuchungen im Canusianum macht und Professoren und Studenten schikaniert, ja verhaftet, verbringt auch Heintschel-Heinegg erste Tage in der Gefängniszelle. Er muss das Studium abbrechen und wirbt zunächst im Freundeskreis für seine Ideale: Freiheit und Menschenwürde. Gemeinsam mit Freunden und Gleichgesinnten beschließt er, den Kampf gegen die Nationalsozialisten aufzunehmen.

Im Juni 1939 geht er nach Wien zurück und tritt eine Stelle im Statistischen Amt in Erwartung seiner Einberufung an. Einem Freund und Studienkollegen, der schon beim Militär war und den Polenfeldzug erlebte, schreibt er im Oktober 1939: „Vielleicht ist es notwendig, dass die Hand Gottes uns sehr hart anfaßt.“ In Wien lernt er den Augustiner-Chorherrn Roman Scholz kennen und übernimmt bald in dessen „Österreichischer Freiheitsbewegung“ wichtige Funktionen. Aber durch einen eingeschleusten Spitzel, den Burgschauspieler Otto Hartmann, gelingt es der Gestapo schon bald, diese Bewegung zu lähmen und zahlreiche Mitglieder am 23. Juli 1940 zu verhaften, unter ihnen auch Heintschel-Heinneg, der sich stundenlangen Verhören unterziehen muss. Im Juli 1941 wird er von Wien in das Zuchthaus nach Anrath an die holländische Grenze verlegt, im November 1941 nach Krefeld, wo er bis Anfang März 1943 in der Zelle sitzt, ehe er wieder nach Anrath kommt und im Herbst 1943 zurück nach Wien verlegt wird. Einige erhaltene Briefe und Notizen geben Aufschluss über seinen Seelenzustand in dieser langen Zeit der Inhaftierung und zeigen, wie sehr er besonders unter dem wiederkehrenden Schreibverbot leidet.

Am 22. und 23. Februar 1944 steht Heintschel-Heinegg wegen Hochverrat und Landesverrat vor dem Volksgericht. Er wird als leitender Funktionär der „Österreichischen Befreiungsbewe­gung“ beschuldigt, Flugblätter verteilt und Widerstandsgruppen in Mähren und in der Slowakei beauftragt zu haben. Das Urteil lautet Tod durch das Fallbeil.

An Roman Scholz wird es schon am 10. Mai vollstreckt; Heintschel-Heinegg verbringt noch über ein halbes Jahr in der Todeszelle. Hier entwickelt er den Plan für einen Orden des Hl. Geistes. War Roman Scholz der unbestrittene Kopf der Bewe­gung, so war Heintschel-Heinegg deren tiefgründigster Geist. Die Exekution erwartend, gründete er mit zwei Mitgefangenen diesen Orden, Herbert Christian und Ignatz Köhler, die er auf den nahen Tod vorbereitete und ihnen geistigen und moralischen Halt gab. Am 5. Dezember 1944 wird er selbst hingerichtet.

Mit 39 weiteren Hingerichteten, die von der Gestapo als Gruppe 40 geführt wurden, ist Heintschel-Heinegg auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben, wo 2015 eine Gedenktafel enthüllt wurde, ebenso im Hinrichtungsraum des Wiener Landgerichtes. 1947 erfolgte in Graz unter dem Titel Vermächtnis die Publika­tion der Gedichte des Widerstandkämpfers, für die Rüdiger Engerth die Einleitung schrieb. Von der katholischen Kirche Deutsch­lands wurde Heintschel-Heinegg in das Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

Lit.: Ildefons Fux, Heintschel-Heinegg, in: Jan Mikrut (Hrsg.), Blutzeugen des Glaubens, Bd. I, Wien 1959. – ÖBL; Bd. 2, Wien 1959, S.251. – Christine Klusacek, Die österreichische Freiheitsbewegung Gruppe Roman Karl Scholz, Wien 1968. – Helmut Moll (Hrsg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Paderborn 2019, S. 861-864.

Bild: Vision 2000.

Rudolf Grulich