Biographie

Heling, Moritz

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Theologe, Gründungsvater der Akademie Altdorf
* 21. September 1522 in Friedland/Ostpr.
† 2. Oktober 1595 in Nürnberg

Die Namensformen, mit denen er sich bzw. man ihn belegte, sind beinahe so schillernd, wie es die Persönlichkeit ihres Trägers gewesen sein muß. Im 16. Jahrhundert findet sich für den Vornamen, damals durchaus nicht ungewöhnlich, auch die lateinische Entsprechung Mauritius, die Alternationen des Familiennamens lauten Heiling, Heling (latinisiert: Helingius), Helling und sogar vonHelling; sein Vater Paul (v.) H. soll wegen Verarmung zu bürgerlicher Berufsausübung gezwungen gewesen sein und deshalb auch das Adelsprädikat abgelegt haben (vgl. Deutsches Geschlechterbuch, Bd. 30, S. 388 f.). Im beginnenden 20. Jahrhundert wird er fälschlich auch mit dem Vornamen (eines seiner Söhne) Martin bedacht (Realenzyklopädie f. protestant. Theol. u. Kirche 12, S. 89, Z. 15, Leipzig 1903).

Eine schillernde Persönlichkeit – das Prädikat "schillernd" auf Personen angewandt, enthält die Konnotationen "zwielichtig", "facettenreich" und "umstritten". Nur in diesem letzteren Sinne ist die gewählte Attribuierung denn auch auf Moritz Heling anzuwenden. Eine der zahlreichen Widersprüchlichkeiten: J.A. Wagenmann bezeichnet Heling als einen der friedliebendsten Theologen, während K. Schornbaum (in der APB) die Vermutung äußert, er habe zur "Schroffheit" geneigt (was angesichts der Nüchternheit, deren sich Verfasser von Lexikonartikeln zu befleißigen haben, nichts anderes sein kann als ein Euphemismus für "zänkisch", "streitsüchtig" usw.). An anderer Stelle (AfR, S. 181) weist derselbe Schornbaum nach, daß Heling auch unter einigen seiner Zeitgenossen (so bei Joachim Heller) als "grob" gegolten habe.

Umstritten: Vor uns steht das Kuriosum eines Mannes, der, etwas pointiert ausgedrückt, zwar erwiesenermaßen irgendwelche Verdienste hat, bei dem aber niemand präzise sagen kann, worin diese bestehen! Helings Biograph Zeltner (1715) und der Enzyklopädist Zedler (1735), denen aufgrund größerer zeitlicher Nähe eine gewisse Kompetenz nicht abgesprochen werden kann, bescheinigten Heling, daß er "viel zur Errichtung der Academie zu Altdorf beygetragen" (Zedler) habe, und auch Wagenmann vermerkt noch 1880, daß er "bei der Stiftung und ersten Einrichtung der Universität Altorf [!] mitgewirkt und für Stipendien gesorgt sowie die "Aufsicht über Buchläden und Meßkataloge" geführt habe. G.A. Will hebt (S. 9) die Stipendien hervor, die Heling den Studierenden verschafft habe. Neuzeitlichen Autoren, die sich mit der Geschichte der Hochschulen Altdorf hier und Erlangen-Nürnberg dort beschäftigen, ist Heling nicht einmal die undankbare Erwähnung unter "ferner liefen" wert (ausgenommen Kunstmann, der ihm wenigstens in einer Fußnote, S. 98, die Funktion eines "Zensors" zubilligen mag, und Leder, der ihn als Bittsteller in Sachen Hochschulgründung an den Nürnberger Rat erwähnt, S. 56, FN 4). Was also ist nun wahr?

Moritz Heling erblickte in Ostpreußen als Sohn des dortigen Schullehrers ("collaborators") Paul Heling und dessen Frau Ursula (geb. von Spirau) das Licht der Welt, besuchte die Schulen von Friedland, Königsberg und Elbing, studierte in Frankfurt/Oder und Wittenberg, wo er Luther, Melanchthon (mit dem er, nach Rotermund "einen vertraulichen Umgang" genoß) und Georg Major hörte. Im Jahre 1545 (nach Wagenmann 1546, Pisanski 1548, was aber sicher falsch ist) wurde er Lehrer an der Schule zu Halle a.S., kehrte 1547 nach Wittenberg zurück und wurde 1548 Magister. 1549 war Heling Rektor in Eisleben. Rätselhaft erscheint in diesem Zusammenhang ein Brief Moritz Helings an Herzog Albrecht von Preußen aus dem Jahre 1550, der sich im Staatsarchiv Königsberg (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin) befindet und auf den mich vor einigen Jahren Dr. Reinhold Heling aus Hamburg hinwies; in diesem Brief ersucht Moritz Heling den Herzog um ein Stipendium – zu einem Zeitpunkt also, da er seine Studien doch längst hinter sich hat! – Im Jahre 1554 wurde er wegen des Verdachtes des Majorismus, d.h. der Anhängerschaft zu einem seiner Lehrer, der im Streit um die Rechtfertigungslehre eine von Luther abweichende Position einnahm, abgesetzt, kehrte wiederum nach Wittenberg zurück und wurde auf Melanchthons Empfehlung 1555 als Superintendent und Pfarrer an St. Sebald nach Nürnberg berufen. 1575 geriet er erneut – und daran selbst keineswegs unschuldig – zwischen die Mahlsteine innerkirchlicher Zwistigkeiten. Diesmal bezichtigte man ihn des "Philippismus", also der Anhängerschaft zu Melanchthon, und des "Kryptocalvinismus". Gegner schmähten ihn als "Schleichling". Gegen seinen Willen wurde er, freilich bei vollem Salär, emeritiert.

Auch nach dieser Zwangsversetzung in den Ruhestand blieb er aktiv, schlichtete manche Religionsstreitigkeiten, wie sie damals noch buchstäblich an der Tagesordnung waren, und war eben, wie bereits vermerkt, an der Gründung der Akademie zu Altdorf im Jahre 1578 beteiligt (und wohl maßgeblicher, als heutige Hochschulhistoriker es ihm zuzugestehen bereit sind – immerhin finden wir bei vier verschiedenen Autoren vier verschiedene Charakterisierungen: Mitinitiator der Akademiegründung, Organisator studentischer Stipendien, Übernahme bibliothekarischer Aufgaben, Zensorentätigkeit). Es handelte sich um jene Akademie, die 1622 zur "Universitas Altorfina" wurde: dieses Jahr gilt bei den meisten Autoren denn auch als das eigentliche Gründungsjahr. Die Universität, an der unter anderem Albrecht von Wallenstein studierte, bestand bis zu ihrer Auflösung durch den bayerischen König Maximilian I. im Jahre 1809 (nach anderen Quellen: bis 1814). Sie kann, wo nicht im streng juristischen Sinne (u.a. wegen der Übergabe des Hauptteils ihrer Bibliotheksbestände) und aufgrund ihrer geographischen Lage nicht ganz zu unrecht als Vorläuferin der heutigen, im Jahre 1742 als Academia Fridericiana in Bayreuth gegründeten und 1743 nach Erlangen verlegten Universität Erlangen-Nürnberg angesehen werden.

Helings Schriften bestehen vorwiegend aus lateinischen "carmina" biblischen Inhaltes, lateinischen "colloquia", Reden und Geschichtstabellen.

Wenigstens in einemPunkte sind sich die Biographen des Moritz Heling einig: er war dreimal verheiratet und wurde so zum Vater von 20 Kindern, von denen aber nur zwei Söhne und drei Töchter das Erwachsenenalter erreichten.

Werke:Bedenken von Abschaffung des Exorcismi an E.E. Roth gestellt 1570 von Heling, Schelhammer und Dürnhöfer. 1570. – Carmen de natali Christi. Wittenberg: Crato 1551. – Carmen de obitu Christophori Schram, senatoris et bibliopolae Wittebergensis. Leipzig: Bapst 1550. – Carmina in natalem Jesu Christi in Phalaecio genere ad Melch. Kling. II. in genere elegiaco. III. ad Ferdin. (Fridr.) a Folchersam hymnus Sapphicus. Wittenberg 1554. – Colloquium Evae et Mariae virginis post resurrectionem Jesu Christi, de ejus incarnatione et nativitate, doctrina, miraculis et morte usque ad resurrectionem, versibus expositum. Nürnberg 1581. – Colloquium inter Noricum et Polonum de Patria […]. Nürnberg: Heusler 1587. – De Legum auctoritate et utilitate; De signis praenunciis postremae Diei […]. 1591. – Elegia fun. ad Sim. Cliverum 1591. – Elegia gratulatoria, scripta in honorem nuptiarum D. Sim. Cliveri. Nürnberg 1586. – Elegia in obitum Phil. Geuderi; Klag- und Trostschrift bei dem Tode Ortgies von Wersabe, Herrn auf Cossabrügel. Amberg 1596. – Libellus versificatorius […] Nürnberg: Gerlach 1590. – Orationes de legum auctoritate atque utilitate, 1576. – Orationes de perpetua ecclesiae conservatione et ministrorum in ea missione, 1576. – Orationes de scholarum constitutione et officio magistratus in erigendis scholis, 1576. – Orationes in Obitum Val. Erythraei, 1576. – Periochae, id est argumenta librorum quorundam biblicorum et locorum communium consignationes breves, tomus 1, in libros Josuae, Judicum, Ruth, tom. 2, in I. et II. Samuelis, tom. 3, in libros Regum. Nürnberg 1593-94. – Pezelii argumenta et objectiones de praecipuis articulis religionis Christianae; Tabulae Historicae sive chronologia 4 monarchiarum a Daniele praevisarum, 1558 (Neuaufl. Altdorf 1667). – Versus de signis praenunciis postremi diei. 1591. – Versus numerales de navali conflictu et victoria Anglorum contra class. Hispan. 1588 u.a.m.

Lit.: Deutsches Geschlechterbuch (Genealog. Handbuch Bürgerl. Familien, DGB), hrsg. v. B. Koerner, Bd. 30, Görlitz 1918, bes. S. 388 ff. – H. Kunstmann: Die Nürnberger Universität Altdorf und Böhmen, Köln, Graz 1963. – K. Leder: Universität Altdorf. Zur Theologie der Aufklärung in Franken. Die theol. Fakultät in Altdorf 1750-1809, Nürnberg 1965, bes. S. 56, FN 4. – G.C. Pisanski: Entwurf einer preußischen Literärgeschichte in vier Büchern. M.e. Notiz über den Autor u. sein Buch hrsg. v. R. Philippi […] Königsberg i.Pr. 1886, S. 91. – Rotermund: Heling, Helling oder Heiling, in: Allg. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste […], hrsg. v. J.S. Ersch u. J.G. Gruber, 2. Section, 5. Teil, Leipzig 1829, S. 108 f. – K. Schornbaum: Die brandenburgisch-nürnbergische Norma doctrinae 1573, in: Archiv für Reformationsgeschichte (AfR), Jg. 19, Leipzig 1922, bes. S. 175 ff. – K. Schornbaum: Heling (Heiling), Moritz, in: Altpreußische Biographie (APB), Bd. 1, Königsberg i.Pr. 1936, S. 263 f. – Wagenmann: Heling, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 11, 1880 (ND: 1969), S. 690. – G.A. Will: Geschichte und Beschreibung der Nürnbergischen Universität Altdorf, Altdorf 1801 (ND: Aalen 1975), bes. S. 9, FN. – J.H. Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […], Bd. 12, Halle u. Leipzig 1735 (ND: Graz 1961), Sp. 1261. – G.G. Zeltner: Historiae Noribergensis ecclesiasticae notabilior pericope in Mauritii Helingi, […] Altdorf 1715

 

  Friedemann Kluge