Biographie

Helwig, Martin

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kartograph und Pädagoge
* 5. November 1516 in Neisse
† 26. November 1574 in Breslau

Über die erste Schlesienkarte des Pädagogen und Kartographen Martin Helwig urteilte Christian Runge, Lehrer und Prorektor am Maria-Magdalena-Gymnasium in Breslau, 1738 in einem seiner Druckwerke, dass „sie die Mutter aller andern Schlesischen Land=Charten heissen kann“, weniger gewählt formulierte es ein schlesischer Historiker, der schrieb, dass „mit diesem ersten Kalbe […] alle Land=Charten=Macher gepflügt“ haben. Der eine wie der andere unterstrich damit aber die Bedeutung der im Jahre 1561 fertiggestellten ersten Regionalkarte Schlesiens. Ihr Schöpfer Martin Helwig wurde am 5. November 1516 im oberschlesischen Neisse geboren. Über seine Jugendzeit ist wenig bekannt. Berichten zufolge besuchte Helwig die Lateinschule in Goldberg, an der seinerzeit der Schulreformer Valentin Trotzendorf wirkte, der zeitlebens sein Vorbild blieb. Nach seinem Schulabschluss hat Helwig sich im Jahre 1536 an der Universität Krakau eingeschrieben. Ob er hier oder, wie es in anderen Quellen berichtet wird, in Wittenberg sein Studium mit dem Magister abschloss, ist nicht belegt. Seinerzeit hatten jedoch beide Universitäten einen guten Ruf und Helwig wurde eine hervorragende naturwissenschaftliche Ausbildung in Astronomie, Mathematik und Geographie zuteil.

Ab 1544 war Helwig in Schweidnitz als Lehrer, zeitweise auch als Schulleiter, tätig, hatte dort aber mit einigem beruflichen Ärger und Verleumdungen zu kämpfen. Als er sich 1551 dem ein Jahr zuvor an die Schweidnitzer Pfarrkirche berufenen katholischen Pfarrer Wolfgang Droschke widersetzte, der bestrebt war, dem vor Ort herrschenden lutherischen Geist entgegen zu wirken, und er die von diesem verordnete Wiedereinführung der Prozession ablehnte, büßte er dies mit dem Verlust seines Amtes. Martin Helwig war Humanist und Anhänger der lutherischen Lehre, so dass er aus Glaubensgründen in das den Ideen der Reformation gegenüber aufgeschlossene Breslau wechselte. Ab 1552 war er an der Breslauer Lateinschule Maria-Magdalena tätig, seit 1560 bis zu seinem Tode am 26. Januar 1574 war er deren Leiter.

Martin Helwig hatte am Ketzterberg inmitten der Breslauer Altstadt ein Haus bezogen, wo er mit seiner zehnköpfigen Familie lebte. Von seinen acht Kindern verstarben vier bereits im Kindesalter. Um seine Einkünfte zu steigern, schrieb Helwig nebenbei Gelegenheitsgedichte und Horoskope. Er entwarf Unterrichtsmaterialien und verfasste für die Breslauer Bürgerschaft 1570 die nützliche Schrift Von allerley Stunden=Zei­gern, ihrem ursprung, unterscheid und gebrauch, ein kurzer bericht.

Helwig genoss einen Ruf als außergewöhnlicher Pädagoge. Sein didaktisches Geschick rührte daher, dass er die Auffassungsgabe der jungen Menschen erkannte und zu fördern wusste. Seine fortschrittlichen Lehrmethoden, die sich auch in den aus seiner Tätigkeit hervorgegangenen Lehrwerken wiederfinden, brachten ihm seitens seiner Schüler nicht nur Respekt ein, sondern prägte diese, wie mehrfach belegt ist, über ihre Schulzeit hinaus. Seine Fähigkeiten waren auch außerhalb Breslaus bekannt, weshalb die Städte Schweidnitz und Liegnitz 1556 darum bemüht waren, ihn mit höheren Gehältern an ihre Schulen zu locken. Doch trotz des bescheideneren Einkommens verblieb Helwig in der toleranten Stadt Breslau, da er den Verkehr mit gelehrten Humanisten und Lutheranern zu schätzen wusste.

Bleibenden Ruhm erwarb Helwig sich aber nicht durch seine Leistung als Pädagoge sondern aufgrund seiner 1561 herausgebrachten Schlesienkarte, deren Erscheinen im Zusammenhang mit der seinerzeit wachsenden Anzahl von Kosmographien und Regionalkarten deutscher Länder zu sehen ist. Für die Fertigstellung dieses damals einzigartigen Kartenbilds von Schlesien benötigte er insgesamt drei Jahre. Ohne die finanzkräftige Förderung des Breslauer Ratsherrn Nikolaus Rehdinger wären die dafür notwendige Bereisung Schlesiens sowie die aufwendigen messtechnischen Beobachtungen jedoch nicht möglich gewesen. Helwig ging in seiner Kartenwidmung auf die zeitraubende Mühe, die großen Unkosten und die mangelnde Unterstützung, die seine Arbeit erschwerten, ein und würdigte entsprechend die großzügige Hilfeleistung des vermögenden Kaufmanns Rehdinger, ohne die er sein Vorhaben nicht hätte beenden können.

Mit der Schlesienkarte schuf Helwig ein außergewöhnliches und ästhetisch ansprechendes Kartenwerk, das aufgrund der Genauigkeit und zeichnerischen Leistung sowie des präzisen und hervorragend ausgeführten Drucks große Anerkennung fand. Vielfalt und Zuverlässigkeit des Inhalts erfuhren starke Beachtung. Hierfür spricht zum einen die hohe Zahl der Auflagen, bis 1889 erschienen insgesamt elf Ausgaben, wie auch die Verbreitung der Karte im ganzen deutschen Reich und weit darüber hinaus. Zudem blieb die Karte rund zweihundert Jahre die Vorlage aller anderen Schlesienkarten, insbesondere der in niederländischen, französischen und deutschen Kartenverlagen erschienenen. Bedeutsam für die Bekanntheit und Verbreitung der Karte Helwigs war vor allem ihre Aufnahme in den Atlas Theatrum Orbis Terrarum von Abraham Ortelius, der 1570 in Antwerpen gedruckt wurde.

Drei Jahre nach Erscheinen der Karte brachte Helwig zur näheren Erläuterung noch seine Erklerung der schlesischen Mappen heraus, in der er gleich zu Beginn auch die Gründe, die ihn zur Kartenherstellung motiviert hatten, erklärte. So schrieb er: „Erstlich dienet diese Mappa zum Verstand allerley Historien, alt und neu, dieses Land und ihre Nachbarschafft betreffende, &c. […] Und da dieses alles gering geachtet, ist dennoch zu bedencken, dieweil auch ein Vieh seinen Stall und Herberg kennet; obs einem vernünftigen Menschen ehrlich sey, da er sein eygen Vaterland nicht kennet, noch kennen lernen wil.“

Von der Erstausgabe ist heute noch ein Exemplar vorhanden, dass sich in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe befindet. Originale späterer Auflagen sind in weiteren Bibliotheken und Archiven vorhanden. Ferner lebt die Arbeit Helwigs in zahlreichen Kopien fort.

Lit.: Herbert Gruhn/Martin Helwig (Hrsg), in: Historische Kommission für Schlesien, Schlesische Lebensbilder, Band IV, Sigmaringen 1985, S. 108-113. – Haus Schlesien (Hrsg), „… die Mutter aller andern schlesischen Land-Charten“, Martin Helwigs Schlesienkarte 1561, Königswinter 2011. – Manfred Spata, Die Schlesienkarte von Martin Helwig aus dem Jahre 1561, in: Kurt Brunner/Heinz Musall (Hrsg), Martin Helwigs Karte von Schlesien aus dem Jahre 1561, Karlsruher Geowissenschaftliche Schriften, Reihe C, Band 9, Karlsruhe 1996, S. 5-18.

Bild: Ausschnitt aus der Schlesienkarte von 1561.

Silke Findeisen, 2017