Biographie

Henckel, Joachim Friedrich

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Gynäkologe, Chirurg
* 4. März 1712 in Preußisch Holland
† 1. Juli 1779 in Berlin

Geboren in Preußisch Holland in Ostpreußen, erhielt Henckel seinen ersten chirurgischen Unterricht von seinem Vater, der das Amt eines Stadtrichters bekleidete und daneben als erfahrener Wundarzt tätig war. Ab 1729 bekam Henckel einige Jahre in Königsberg bzw. Danzig Unterricht bei den Wundärzten Marggraf und Nicolai sowie bei den Anatomen Prof. Matthias Ernst Boretius (1694-1738) und Dr. Johann Adam Kul-mus (1689-1745).

1731 wechselte Henckel nach Berlin über, um zur Weiterbildung medizinisch-chirurgische Vorlesungen am Collegium medico-chirurgicum zu hören und als Volontär die Charité zu besuchen. Anschließend trat er das Amt eines Feldschers bei einem preußischen Infanterie-Regiment an, es folgten seine Versetzung als Kompaniefeldscher zum Königlichen Leib-Regiment nach Potsdam sowie zwei Jahre später die Ernennung zum „Pensionär-Chirurgus“ (Chirurg in der 3jährigen Phase der Weiterbildung, mit einer Besoldung von 50 Talern im Jahr).

Der König finanzierte Henckel danach eine zweijährige Studienreise über Holland nach Paris, wo er bei den damals angesehensten Chirurgen und Geburtshelfern hospitierte. Nach Beendigung seiner Studien in Frankreich und der Rückkehr nach Preußen wurde er 1740 zum Regimentschirurg des königlichen Leibregiments ernannt. Schon 1740 wurde nach dem Tod König Friedrich Wilhelms I. dieses Regiment der „Langen Kerls“ aufgelöst und Henckel nach Berlin zum berühmten Gendarmen-Regiment versetzt. Mit diesem nahm er ab 1740 am Ersten Schlesischen Krieg teil, wo er neue chirurgische Erfahrungen sammeln konnte.

1742 aus dem Krieg zurückgekehrt, hielt er in Berlin in seinem Privathaus erste chirurgische Vorlesungen, musste aber gegen heftige Anfeindungen ankämpfen, da man ihm vorwarf, kein Akademiker zu sein. Um seine akademische Situation zu verbessern, begann er mit der Ausarbeitung einer medizinischen Doktorarbeit und beantragte die Zulassung zum Staatsexamen. 1744 wurde Henckel in Frankfurt/Oder mit der augenheilkundlichen Dissertation über Operationen des Grauen Stars De cataracta crystallina vera zum Doktor der Medizin promoviert.

1745 mußte Henckel mit seinem Regiment erneut nach Schlesien in den Krieg ziehen. Nach Berlin zurückgekehrt, begann er als „Pensionär-Chirurg“ an der Charité mit seinen Vorlesungen über Geburtshilfe, chirurgische Bandagen und Operationen.

1747 kam der erste Band seiner Sammlung Medicinischer und Chirurgischer Anmerckungen heraus. Bis 1763 folgten noch sieben weitere Bände aus dieser Schriftenreihe. Unter dem Titel Neue medicinische und chirurgische Anmerckungen erschienen 1769 und 1772 noch zwei Nachtragsbände. In verschiedenen Rezensionen wurden diese sowie auch andere Werke Henckels heftig angegriffen, so daß er häufig gezwungen war, entsprechende Repliken zu verfassen.

Henckel nahm als Kriegschirurg dann auch am Siebenjährigen Krieg teil. Nach dessen Beendigung 1763 kehrte er wieder nach Berlin zurück, wo er sehr erfolgreich seine ärztliche Praxis ausbaute und erneut chirurgische und geburtshilfliche Privatvorlesungen, später auch wieder Unterrichtsveranstaltungen an der Charité, hielt.

Bereits 1761 erschien Henckels Schrift Abhandlung zur Geburtshülfe, in der er auch die Theorie des Kaiserschnitts beschreibt. 1769 führte er einen solchen Eingriff an einer lebenden Schwangeren erfolgreich durch, was nicht nur in Berlin für großes Aufsehen sorgte. Aufgrund des geglückten Kaiserschnitts wurde Henckel im November 1769 von König Friedrich II. zum Professor für Chirurgie und zum Hofrat ernannt. 1770 erfolgte seine Ernennung zum ärztlichen Direktor der Charité. Daneben wurde Henckel 1774 als Nachfolger des Anatomen Johann Friedrich Meckel zum Direktor der 1751 von Friedrich dem Großen an der Charité gegründeten Entbindungsanstalt, der eine Hebammenschule angegliedert war, berufen. Henckel übernahm nun auch die Aufgabe, den Studenten der Chirurgie klinisch-geburtshilflichen Unterricht zu erteilen. 1774 hat Henckel somit den Höhepunkt seiner beruflichen Karriere erreicht. Er starb 1779 als Ärztlicher Direktor der Charité sowie als Professor für Chirurgie und Geburtshilfe.

Wie seine Abhandlung zur Geburtshülfe zeigt, arbeitete Hen-ckel insbesondere auf dem gynäkologisch-geburtshilflichem Gebiet, mehrere Schriften erschienen zu diesem Thema. Aber diese Werke waren nicht unumstritten. So konstatierte beispielsweise der Göttinger Frauenarzt und Geburtshelfer Friedrich Benjamin Osiander (1759-1822), daß Henckels geburtshilfliche Arbeiten nur einen geringen Nutzen für das Fach hätten und dieses nicht voranbrächten.

Auch im Bereich der Chirurgie forschte Henckel intensiv. Er verfaßte einige spezielle chirurgische Schriften, die er für seine wundärztliche Lehrtätigkeit benötigte und die über Jahre hinweg als Standardwerke galten. So brachte er 1759 seine Abhandlungen von Bein-Brüchen und Verrenkungen heraus und von 1770 bis 1776 folgten 8 „Stücke“ seines Werkes Abhandlung der chirurgischen Operationen. In diesem Werk bietet Henckel eine weitgefächerte Palette operativer Eingriffe: Er beschreibt u. a. das operative Vorgehen am Auge (Grauer Star), an der Blase (Steinoperation), bei Krebsleiden (Tumorentfernung), bei Brüchen, bei Magen- und Darmeingriffen sowie bei Amputationen. Ferner beschäftigt er sich ausführlich mit der chirurgischen Naht.

Als sein Hauptwerk gilt jedoch seine 1756 herausgekommene Schrift Anweisung zum verbesserten chirurgischen Verbande, die als erste umfassende Schrift zu dieser Thematik mehrere Auflagen und später Umarbeitungen und Erweiterungen erfuhr. Auch diese Arbeit ist ein Standardwerk, das mehr als 80 Jahre lang ein Leitfaden für Medizinstudenten und Chirurgen blieb.

Obwohl Henckel nicht zu den wegweisenden Pionieren seines Faches zählt, so hat er als Praktiker doch das Verdienst, durch Sammlung und systematische Darstellung von Krankheitsfällen sowie durch die Aufarbeitung des aktuellen Wissensstandes verschiedener Gebiete der Chirurgie und Geburtshilfe diese Disziplinen entscheidend bereichert zu haben. Des weiteren konnte er sehr erfolgreich für die Hebammenausbildung wirken. Als akademischer Lehrer war Henckel sehr erfolgreich und bei seinen Studenten überaus beliebt.

Aufgrund seiner Verdienste wurde Henckel 1750 zum Mitglied der Königlichen Akademie für Chirurgie in Paris ernannt.

Werke: De cataracta crystallina vera, Frankfurt/Oder 1744. – Sammlung Medicinischer und Chirurgischer Anmerckungen, Bde. 1-8, Berlin 1747–1763. – Anweisung zum verbesserten chirurgischen Verbande, Berlin 1756. – Abhandlungen von Bein-Brüchen und Verrenkungen, Berlin 1759. – Abhandlung zur Geburtshülfe, Berlin 1761. – Neue medicinische und chirurgische Anmerckungen, Bde. 1-2, Berlin 1769-1772. – Abhandlung der chirurgischen Operationen, Bde. I-VIII, Berlin 1770-1776.

Lit.: ADB 11 (1880), S. 730f. – Lehmann, Volker: Vom Barbiergehilfen zum Leiter der Charité, in: Hamburger Ärzteblatt, H. 10 (2007), S. 478f.

Bild: Wikipedia

Werner E. Gerabek