Biographie

Hergesell, Hugo

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Herkunft: Posener Land, Westpreußen
Beruf: Meteorologe, Geophysiker
* 29. Mai 1859 in Bromberg/Posen
† 6. Juni 1838 in Berlin

Hugo Hergesell hat sich lebenslang für ein Zusammenwirken von Luftfahrt und Meteorologie auf wissenschaftlicher Basis eingesetzt, wie es heute unverzichtbar erscheint. Als Meteorologe gehört er zu den Begründern der Aerologie (mit W. Koppen, R. Assmann, A.L. Rotch und L. Teisserence de Bort). Die Aerologie ist ein Teilgebiet der Meteorologie und beschäftigt sich mit der Erforschung von Vorgängen in der freien Atmosphäre, deren Höhe über der Erdoberfläche nicht genau eingrenzbar ist. Diese hoch liegenden Luftschichten werden von der Erdoberfläche zwar nicht mehr beeinflußt, haben ihrerseits aber dennoch Auswirkungen auf unser Wetter.

Ais Hugo Hergesell am 29. Mai 1859 als Sohn eines Eisenbahn-Rechnungsrates in Bromberg geboren wurde, gehörte die alte Stadt im Netzedistrikt zur preußischen Provinz Posen. Hergesell studierte von 1878 bis 1881 in Straßburg (u.a. bei G. Gerland) und trat dann einen sehr abwechslungsreichen und stets außerordentlich aktiven und engagierten beruflichen Lebensweg an.

Zunächst war er Oberlehrer am Prot. Gymnasium in Straßburg, wo er im Jahre 1887 auch zum Dr. phil. promovierte. Im Anschluß an seine Doktorarbeit erhielt er den Auftrag, in Elsaß-Lothringen einen meteorologischen Dienst aufzubauen, dem er auch bis zum Beginn des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 als Direktor vorstand. Gleichzeitig war er ab 1900 außerordentlicher Professor an der Universität Straßburg. Schon in dieser Zeit erkannte Hergesell, daß die meteorologischen Messungen am Erdboden notwendigerweise durch ständige Beobachtungen aus der freien Atmosphäre ergänzt werden mußten, um einen effektiven und zuverlässigen Wetterdienst einrichten zu können. Deshalb durften diese Messungen auch nicht auf lokale Bereiche beschränkt bleiben, sondern mußten weltweit ausgedehnt werden. So begann Hergesell folgerichtig mit Messungen auf dem Straßburger Münster und auf den Bergen der umliegenden Mittelgebirge, arbeitete mit der Luftschiffertruppe und mit Luftfahrtvereinen zusammen und setzte schließlich Drachen, Fesselballons sowie bemannte und unbemannte Freiballons ein. Damit leitete Hugo Hergesell eine wissenschaftliche Entwicklung ein, die so erfolgreich verlief, daß heute für den gleichen Zweck Spezialflugzeuge, Raketen und Satelliten verwendet werden. Bereits im Jahre 1909 flog Hergesell in einem „Flugzeug“ der Gebrüder Wright als wissenschaftlicher Beobachter mit. Er unternahm zahlreiche Expeditionen, z.B. mit dem Fürsten von Monaco auf dessen Jacht in die Passatgebiete, wo er durch Drachenflüge in den Jahren 1904 bis 1907 eine Erklärung für das Entstehen der Passatwinde fand, oder später mit dem Grafen Zeppelin in einem Luftschiff in das Polargebiet. Auch feste Beobachtungsstationen richtete er ein: 1908 die Drachenstation Friedrichshafen am Bodensee, 1909 ein Berg-Observatorium auf Teneriffa unter Mithilfe Kaiser Wilhelms II. und 1911 eine Station auf Spitzbergen. Er entwickelte aerologische Meßgeräte, die weite Verbreitung fanden.

Hugo Hergesell hatte 1894 in Zabern im Elsaß Emilie Wenz geheiratet, ein Sohn ging aus dieser Ehe hervor. Seine aufgeschlossene Persönlichkeit, seine begeistert von ihm vertretenen Ideen, aber auch die von ihm verfaßten Gedichte gaben ihm Freunde im In-und Ausland. Auf seine Anregung hin wurde 1896 die Internationale aerologische Kommission gegründet, deren Präsident er bis 1914 war. Von 1894 bis 1914 und nochmals von 1927 bis 1935 war er Präsident der Internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftfahrt.

1914 wurde Hergesell ordentlicher Professor an der Universität Berlin, Honorarprofessor an der dortigen Technischen Hochschule und bis 1932 Direktor des Preußischen Aeronautischen Observatoriums in Lindenberg nahe Berlin, des wichtigsten internationalen Forschungsinstituts überhaupt. Gleich nach dem 1. Weltkrieg übernahm er – ebenfalls bis 1932 – die Leitung des nach seinen Ideen gegründeten Deutschen Flugwetterdienstes. Von 1924 bis 1932 war Hergesell Präsident der Direktorenkonferenz der Deutschen Meteorologischen Institute. Seine auf zahlreichen wissenschaftlichen Fachtagungen in aller Welt vorgetragenen Ideen fanden breite Anerkennung und – manchmal auch erst späte – Verwirklichung, so z.B. die Einrichtung ständiger Wetterflugstellen, die drahtlose Übermittlung von Meßergebnissen aus der oberen Atmosphäre zur Erde und das weltweite Radiosondennetz. Seine intensiven und erfolgreichen Bemühungen um die internationale Absicherung der Luftfahrt auf meteorologischem Gebiet führten zur Verleihung des Adlerschildes des Deutschen Reiches, der Buys-Ballot-Medaille und der goldenen Symons-Medaille.

Werke: Über die Änderung der Gleichgewichtsflächen der Erde durch die Bildung polarer Eismassen und der dadurch verursachten Schwankungen des Meeresniveaus, Dissertation, Straßburg, 1887, in: Gerlands Beiträge l, 1887, S. 59-114. – Die Deutsche wissenschaftliche Station in Spitzbergen, in: Schriften der wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, Heft 21, 1914. – Mit Zeppelin nach Spitzbergen, 1913.

Lit.: K. Keil: Verzeichnis der Schriften Hugo Hergesells, in: Beiträge zur Physik der Atmosphäre 25, 1939, S. 71-78. – L. Weickmann: Hugo Hergesell, in: wie oben.