Biographie

Hesekiel, Martin

Herkunft: Posener Land
Beruf: Theologe, Pastor
* 9. April 1912 in Posen
† 1. November 2003 in Lübeck

Martin Hesekiel wurde in der gleichnamigen Hauptstadt der preußischen Provinz Posen geboren. Er wirkte beruflich als Pastor in Westpreußen und, nach dem Krieg, in Lübeck. In zahlreichen Ehrenämtern setzte er sich – prädestiniert durch seine hervorragenden polnischen Sprachkenntnisse – für die Verständigung zwischen Polen und Deutschen und für umfangreiche Hilfsleistungen ein. Ebenso bedeutend war seine ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland und vor allem innerhalb der Gemeinschaft Evangelischer aus Danzig-Westpreußen, deren Zeitschrift „Danzig-west­preußi­­scher Kirchenbrief“ er jahrelang herausgab. Auch als Komponist und Dichter von Kirchenliedern ist er bekannt geworden. Als Dank und Anerkennung wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Seit 1916 wuchs Martin Hesekiel in Bromberg auf, wo sein Vater bis 1937 als Pfarrer tätig war. Auch er stammte aus einer Pastorenfamilie. Bereits als Schüler lernte Martin Hesekiel nach dem Ersten Weltkrieg und der Abtrennung umfangreicher Gebiete vom Deutschen Reich die Schwierigkeiten kennen, die für Deutsche im neugegründeten polnischen Staat entstanden. Wegen der schwierigen Verhältnisse für deutsche Schüler legte er sein Abitur 1931 in Posen ab. Er studierte zunächst auch in Posen an der Universität Germanistik und Geschichte, außerdem an der dortigen theologischen Hochschule. Dann wechselte er nach Königsberg, wo die Theologie sein Hauptfach wurde. Nach drei Semestern in Tübingen kehrte er nach Posen zurück, um am Deutschen Predigerseminar sein Examen abzulegen.

Das Vikariat führte ihn je ein Jahr nach Konojad im Kreis Strasburg in Westpreußen (1939-1945 Koppelgrund; poln. Ko­no­­jady) und nach Neuenburg im Kreis Schwetz. Im westpreußischen Neuenburg an der Weichsel blieb er einige Jahre, da er hier nach seinem 2. Examen und der Ordination 1938 seine erste Pfarrstelle erhielt. Hier gründete er auch mit seiner Ehefrau, Dr. Toska Schultze aus Braunschweig, eine Familie. Über seine Erlebnisse in den Wochen um den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges herum hat er wiederholt berichtet, wie er nur durch einen glücklichen Zufall den Ausschreitungen gegen deutsche Einwohner bzw. der Verschleppung entging.

Im Juni 1940 wurde Martin Hesekiel als Nachfolger von D. Gerhard Gülzow in Danzig Landesjugendpfarrer für das neu gebildete Kirchengebiet Danzig-Westpreußen. „Seine“ Kirche wurde damit St. Salvator im Danziger Stadtteil Petershagen, doch führte ihn sein Amt durch ganz Westpreußen. Nach Konflikten mit der Staatspolizei wegen verbotener Jugendveranstaltungen wurde er im Mai 1941 zur Marine einberufen.

Es folgten die Kriegsgefangenschaft in Emden sowie Internierung in Aurich, bevor er Weihnachten 1945 seine Familie auf der Nordseeinsel Borkum wiederfand. Zunächst leistete er als Seelsorger Vertretungsdienst in Oldenburg in Oldenburg, dann war er Flüchtlingspastor in verschiedenen Lagern in Lübeck – wie so viele Flüchtlinge musste er versuchen, sich wieder im Beruf zurechtzufinden und ein Zuhause für seine Familie zu finden. Er wurde dann Gemeindepfarrer in Genin, Pfarrer an St. Marien in Lübeck, nebenamtlicher Jugendpastor, Gemeindepfarrer in Lübeck-Schlutup und dann in der Lübecker Kreuz­gemeinde. Nach 32 Jahren Pfarrdienst trat er hier im Februar 1978 in den Ruhestand.

Es folgten viele Jahre, die mit ehrenamtlicher Tätigkeit ausgefüllt waren. Martin Hesekiel betreute den Danziger Paramen­ten­schatz in Lübeck, war seit 1980 18 Jahre lang Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer aus Danzig-Westpreußen – auch dies in Nachfolge von D. Gerhard Gülzow –, deren Geschäftsstelle, Bibliothek und Archiv er betreute und verwaltete. Neben der Herausgabe des Danzig-westpreußischen Kirchenbriefs leistete er auch dessen Redaktion und verfasste zahlreiche Artikel selbst. Er beriet Journalisten und Historiker, schrieb Leserbriefe und übersetzte Texte, wo immer er über deutsche und polnische evangelische Christen im Weichselland informieren konnte.

Doch er unterstützte ebenso die noch bestehenden evangelischen Gemeinden in diesem Gebiet – in Bromberg, Dirschau, Zempelburg und Zoppot –, mit Sach- und Geldspenden, um z.B. Kirchen oder Pfarrhäuser instand zu setzen. Sogar Kollekte und Spenden des Trauergottesdienstes hatte er vorab für die evangelische Gemeinde in Bromberg bestimmt. Aber auch seine geistliche Unterstützung galt den Christen im Weichselland. So war er Heiligabend 1974 in St. Marien in Danzig am ersten Gottesdienst beteiligt, in dem – wieder – deutsch gesprochen werden durfte. Viele Gottesdienste feierte er in Deutschland mit Vertriebenengemeinden, z.B. auf den Treffen „seines“ Bromberger Heimatkreises.

Besonders zugeneigt war Martin Hesekiel der Kirchenmusik. Im elterlichen Pfarrhaus – von der Erweckungsbewegung und von schwäbischem Pietismus geprägt – war er früh mit Musik und Gesang vertraut geworden. Bereits 1931 entstand bei der Vorbereitung einer Jugendfreizeit bzw. Singwoche sein Kanon Ruhet von des Tages Müh (EG 492), der 1936 in einem Liederheft für Deutsche in Polen veröffentlicht wurde. Auch die Melodie des Kanons Aus der Tiefe Herr und Gott (Ev. Gesangbuch für Niedersachsen und Bremen Nr. 600) stammt von ihm sowie die deutsche Fassung des polnischen Weihnachtsliedes In stiller Nacht (Lasset uns nun gehen nach Bethlehem. Hrsg. EVA 1971). An der Musikhochschule Lübeck am Institut für Kirchenmusik hatte Martin Hesekiel später einen Lehrauftrag für Kirchenkunde. Außerdem arbeitete er in der Arbeitsgemein­schaft Musik in der evangelischen Jugend Deutschlands mit.

Darüber hinaus war er einige Jahre im Vorstand der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lübeck ehrenamtlich tätig und als Delegierter in der Generalsynode der VELKD sowie im Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen.

Zahlreiche private Reisen führten ihn nach Osten, denn die erwähnten persönlichen und kirchlichen Spenden überbrachte er in der Regel persönlich. So pflegte er, erleichtert durch seine Sprachkenntnisse, bereits zur Zeit des Kalten Krieges vielfältige Kontakte ins Weichselland.

Lit.: Klaus Illmer-Kephalides, Gedenken an Pastor Hesekiels 100. Ge­burtstag, in: Danzig-westpreußischer Kirchenbrief Nr. 217, S. 17. – Hans-Jürgen Kämpfert, Nachruf auf Pastor Martin Hesekiel, in: DER WESTPREUSSE 3/2003, S. 4. – Horst Bethke, Martin Hesekiel im Evangelischen Gesangbuch, in: DER WESTPREUSSE 3/2003, S. 5. – Klaus Illmer-Kephalides, Abschied von Pastor Martin Hesekiel, in: Danzig-westpreußischer Kirchenbrief Nr. 199, S. 5. – Hans-Jürgen Käm­pfert, Martin Hesekiel zum 90. Geburtstag, in: DER WEST­PREUSSE 7/2002, S. 4. – Dietrich Wölfel, Hesekiel, Martin, in: HB zum Evangelischen Gesangbuch, Bd. 2, hrsg. Wolfgang Herbst, Göt­tingen 1999. – Imke Commichau, 50 Jahre Engagement. in: Lübecker Nachrichten, 15.8.1996. – Martin Hesekiel, in: Das neue Lied im Evan­gelischen Gesangbuch. Arbeitsheft des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nr. 3, hrsg. Dietrich Meyer, Düsseldorf 1996. – Hans-Jürgen Kämpfert, Verleihung des Kulturpreises der Ver­tretung der Freien Stadt Danzig, in: Unser Danzig 23/1992, S. 10-12. – Helmut Brauer, Pastor Martin Hesekiel wird 80 Jahre, in: Danzig-westpreußischer Kirchenbrief, 1992.

Bild: Martin Hesekiel bei der Überreichung des Bundesverdienstkreuzes durch den Lübecker Stadtpräsident Peter Oertling (1996). Foto Hans-Jürgen Kämpfert.

Barbara Kämpfert