Biographie

Hettner, Hermann

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Literatur- und Kunsthistoriker
* 12. März 1821 in Niederleisersdorf/Niederschlesien
† 29. Mai 1882 in Dresden

Als Sohn des Rittergutbesitzers Karl Friedrich Hettner wurde der für die deutsche Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts wegweisende Literatur- und Kunsthistoriker Hermann Hettner in Niederleisersdorf/Schlesien geboren. Er studierte seit 1838 in Berlin, Heidelberg und zuletzt in Halle, wo er 1843 mit einer Arbeit über die Aristotelische Logik zum Dr. phil. promovierte. Nach ersten Aufsätzen über Ludwig Feuerbach und gegen die spekulative Ästhetik und nach einem längeren Italienaufenthalt (1844-1847) habilitierte sich Hettner 1847 in Heidelberg für Ästhetik und Kunstgeschichte. 1850 erschien seine kritische Untersuchung über „Die romantische Schule in ihrem inneren Zusammenhang mit Goethe und Schiller“, in der Hettner Romantik und Weimarer Klassik als komplementäre Reaktionen auf den kulturellen und politischen Zustand des ausgehenden 18. Jahrhunderts darstellte und Unterscheidungen trifft, die den Ansatz der späteren Goetheforschung bestimmen und die Romantik in einer die spätere Forschung vorwegnehmenden Weise charakterisiert. Das Buch brachte Hettner 1851 einen Ruf nach Jena als Professor für Kunst-und Literaturgeschichte. 1852 folgte die Untersuchung über „Das moderne Drama“ (neu hrsg. v. P. Merbach, 1924), in der Hettner „Grundgesetze“ dramatischer Dichtung aufstellte. 1855 folgte Hettner der Berufung zum Direktor der Antikensammlung in Dresden, seine Lehrtätigkeit nahm er später an der Akademie der bildenden Künste und am Polytechnikum wieder auf.

1856-1870 erscheint Hettners in Heidelberg geplante, in Jena begonnene und in Dresden fortgeführte sechsbändige und bis heute unentbehrliche „Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts“ (neu hrsg. v. G. Wikowski, 1929, 3 He. in 4 Bdn.), ein Band war der englischen, ein Band der französischen und vier Bände der deutschen Literatur gewidmet. Hettner will angesichts der politischen Reaktion die „geächtete Aufklärungsphilosophie wieder geschichtlich zu Ehren bringen“. Den Ausgang der Aufklärung sucht er in England, weist Frankreich die Mittlerrolle zu und läßt in Deutschland die Bewegung kulminieren. Hettners ideengeschichtliche Betrachtungsweise bereitet die spätere „Geistesgeschichte“ vor. Sein letztes größeres Werk „Italienische Studien. Zur Geschichte der Renaissance“ (1879) trägt die Darstellung einer Epoche nach, auf die seine „Literaturgeschichte“ immer wieder zurückgriff. Seine Forderung „freie Menschenbildung“ müsse verwirklicht werden, bewahren ihn vor bloßem Historismus.

Weitere Werke: Vorschule z. bildenden Kunst, I: Die Kunst d. Griechen, 1848; Griechische Reiseskizzen, 1854; Geschichte der deutschen Literatur, 4 Bde., 1862-1870 (Neuausg., 2 Bde., 1961, bearb. u. eingel. v. G. Erler); Kleine Schriften, hrsg. v. A. Hettner, 1884; Schriften zur Literatur, hrsg. u. eingel. v.J.Jahn, 1959; Der Briefwechsel zwischen G. Keller und H. H., hrsg. u. eingel. v.J.Jahn, 1964.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, München 1875-1912; Neue Deutsche Biographie, 9. Bd., Berlin 1972; B. Seuffert, in: Archiv f. Literaturgeschichte 12, 1884; A. Stern, H. H., Ein Lb., 1885; E. A. Boucke, Aufklärung, Klassik u. Romantik, Eine krit. Würdigung v. H. H.s „Lit.gesch. im 18. Jh.“, 1925; R. Unger, in: Schles. Lb. III, 1928; ders. Ges. Studien, Bd. 2 (1929); F. Hettner, in: Dresdner Geschichtsbl., Jg. 37 (1929); E. Glaser, H. H. u. G. Keller, Diss. Leipzig 1929; H. Lorenz, H. H.s Sehr. „Das moderne Drama“, Diss. Heidelberg 1932; E.John, Zu einigen Seiten d. Realismusbegriffs i. d. Frühschrr. H. H.s, in: Zs. f. Dt. Lit.geschichte 7, 1961.