An welchem Tag des Jahres 1800 Heuffel das Licht der Welt – in dem 26 Kilometer nordöstlich von Preßburg gelegenen Städtchen Modern (heute Modra) – erblickte, konnte bisher nicht festgestellt werden. Im Jahre seiner Geburt erstreckte sich der Kaiserstaat Österreich bekanntlich von Karlsbad (Böhmen) bis Kronstadt (Siebenbürgen), von Lemberg (Galizien) bis Ragusa (Dalmatien) und von Pola (Istrien) bis Czernowitz (Bukowina). Leben und Werdegang Heuffels kann als charakteristisch für einen Großteil der Jugend dieses Vielvölkerstaates angesehen werden.
Nach der Matura und dem Studium der Philosophie in Preßburg inskribierte er 1823 als Student der Medizin in Wien; nach dem ersten Studienjahr wechselte Heuffel 1824 an die Universität Pest (heute Budapest), wo er 1826 das Studium abschloß und 1827 mit der DissertationDe distributione plantarum geographica per comitatum Hungariae Pesthiensem (v. Wurzbach 1864) zum Dr. med. promoviert wurde (Petri 1992). Nicht von ungefähr wählte er dieses Thema, war er doch schon als Gymnasiast bekannt als ein hervorragender Kenner der Flora seiner am Fuße der Kleinen Karpaten gelegenen näheren Heimat.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Südostteil der Monarchie (Banat und Siebenbürgen) als ergiebiges Feld viel versprechender botanischer Sammeltätigkeit entdeckt.Auch das könnte ein Grund dafür gewesen sein, daß Heuffel 1827 eine Anstellung als Hausarzt bei der Adelsfamilie Atzel in Borosjenö/Komitat Arad im Banat annahm (Petri 1992), wo er zweiJahre medizinische Betreuung leistete. Schon in diesen erstenJahren seiner Anwesenheit im Banat gab er zusammen mit dem in Orawitza lebenden Chirurgen und Botaniker Peter Wierzbicki (1794-1847) ein Herbarium (Sammlung getrockneter Pflanzen) heraus, welches großes floristisches Aufsehen erregte. Später sollte er auch mit H.G.L. Reichenbach (1793-1879) die in Fachkreisen bekannte Iconographie herausgeben.
Damals lebten im Banat – in zumeist relativ guter Eintracht – Deutsche, Rumänen, Ungarn, Serben, Juden, Slowaken, Bulgaren und noch so manche kleinere Volksgruppe zusammen. Einen „Völker-Kerker“ hatten vor 1914 die Kritiker diesen k.u.k. Vielvölkerstaat genannt; er glich jedoch eher einem„Völker-Sanatorium“, wenn man heute das zum Vergleich heranzieht, was auf die Völker dieses Großraumes nach dem Ersten Weltkrieg zukommen sollte! (Kann 1993, Schmidt-Rösler 1994).
Im Mai 1829 wurde Heuffel Physikus des nationalitätenreichen Karascher Komitats mit Amtssitz in Lugosch (heute Rumänien). Hier war er nicht nur als Arzt, sondern auch als hervorragender Kenner der Heilpflanzen und als Homöopath bekannt (Stratan 1973). Er heiratete die adlige Josephine de Némethy; aus dieser Ehe ging der später geadelte Feldmarschallleutnant August Heuffel-Némethy de Némethfalva (1834-1895) hervor.
In dieser führenden und „beinahe ganz unabhängigen Stellung“ (Kanitz 1863) konnte sich Heuffel – neben den Pflichten eines hohen Beamten – auch den Naturwissenschaften und hauptsächlich der botanischen Erforschung Südost-Europas widmen. Seine zahlreichen botanischen Exkursionen im Banat, in den Karpaten Siebenbürgens, im Balkangebirge und anderswo machten ihn in den Reihen der damals führenden Botaniker Europas bekannt. Dank seiner zahlreichen Veröffentlichungen (Heuffel 1831, 1835, 1844 u.a.m.) in der Zeitschrift der heute ältesten botanischen Gesellschaft der Welt, der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft, gegründet 1790, deren Mitglied er seit 1832, neben so bekannten Persönlichkeiten wie J.W. v. Goethe, A. v. Humboldt, M.K. Fürst v. Thurn u. Taxis und anderen, war (Ilg 1984), – knüpften Botaniker wie D.H. Hoppe (1760-1846), K. Koch (1809-1879) oder L.P.P. De Candolle (1806-1893) Schrift- und Tauschverkehr mit Heuffel an. „Seit seinen ersten Arbeiten (1831)… wurde er mit Briefen sozusagen bestürmt und von jetzt beginnt erst der wirkliche wissenschaftliche Verkehr“, so berichtet uns Kanitz (1863).
Erst als die politischen Verhältnisse Ungarns störend in seinen Lebenslauf eingreifen sollten, konnte sich Heuffel nicht mehr in vollem Maße der Botanik widmen (v. Wurzbach 1864). Da er in den Revolutionsjahren 1848/49 auf der Seite der aufständischen Ungarn gegen die Habsburger gekämpft hatte (im März 1848 wurde er in den Revolutionsrat des Komitates gewählt und war dann anschließend im Zitadellengefängnis von Temeschburg eingekerkert), wurde er als Komitatsarzt suspendiert und nach Großbetschkerek (heute im serbischen Banat gelegen) strafversetzt. Da er diese Stelle nicht annehmen wollte, eröffnete er in Lugosch eine Privatpraxis, die ihm nur wenig Zeit für sein wissenschaftliches Studium ließ. Dennoch veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten von besonderer Bedeutung für die Kenntnis der Flora Südosteuropas (Heuffel 1850, 1857, 1858 u.a.). Die Veröffentlichung seines Hauptwerkes über die Flora des Banates (Heuffel 1858) – besorgt von A. Kanitz (1843-1897), dem Begründer des botanischen Gartens zu Klausenburg – sollte er nicht mehr erleben, da er noch nicht sechzigjährig nach einer schweren und lang andauernden Erkrankung verstarb.
Heuffel hat die Kenntnisse über die Flora Österreichs, Ungarns, Siebenbürgens und hauptsächlich des Banates durch seine Forschungstätigkeit in besonderem Maße bereichert. Nach von Wurzbach (1864) wurde Heuffel „für Ungarns bedeutendsten Botaniker angesehen“. Über 70 neue Pflanzenarten hatte er im Laufe seiner 30jähringen Tätigkeit im Banat neu entdeckt und für die Wissenschaft erstmals beschrieben (Săvulescu 1952/ 76). Er benannte die Neuentdeckungen nach den erforschten Gebieten bzw. Fundorten (wie Oenanthe banatica 1854 = Banater Rebendolde, Hieracium transsylvanicum 1858 = Siebenbürger Habichtskraut, Thlaspi dacicum 1858 = Dakisches Täschelkraut, Vicia hungarica 1858 = Ungarische Wicke) oder zu Ehren so mancher Botanikerkollegen, wie Astragalus rochelianus = Rochels Tragant (A. Rochel 1770-1847), Hieracium kotschyanum = Kotschys Habichtskraut (Th. Kotschy 1813-1866), Onosma baumgarteni = Baumgartens Lotwurz (J. Chr. Baumgarten 1765-1843), Thlaspi kovatsii = Kovats Täschelkraut (Gy. Kováts 1815-1873), Potamogeton grisebachii = Grisebachs Laichkraut (H.R.A. Grisebach 1815-1873). Auch dem Oberforstrat und späteren Leiter der Banater Grenzwalddirektion – Bachofen Edler von Echt-Koblenz (1782-1849), dem Pionier der Aufforstung der Banater Sandwüste („Deliblater Sand“, heute in der Woiwodina/Serbien gelegen) – zu Ehren benannte er 1835 eine neu entdeckte Pflanze: Veronica bachofenii = Bachofens Ehrenpreis.
Durch mehrere nach Heuffel benannte Pflanzen wurde sein Name in der Wissenschaft verewigt, wie (in Klammern der Autor): Centaurea heuffeliana = Heuffels Flockenblume (Reichenbach), Crocus heuffelianus = H.’s Krokus (F. Herbich 1791-1865), Ferula heuffelii = H.’s Rutenkraut (Grisebach), Galium heuffelii = H.’s Labkraut (V. Borbás 1844-1905), Polycnemum heuffelii = H.’s Knorpelkraut (F.A. Lang 1795-1863), Saxifraga heuffelii = H.’s Steinbrech (H.W. Schott 1794-1865), Verbascum heuffelii = H.’s Königskerze (A. Neilreich 1803-1871).
Heuffel war auch ein nicht unbedeutender Kenner der Insekten Südosteuropas. Im Auftrag der Regierung hat er die „den Himmel verdunkelnden Schwärme“ der berüchtigten und überwiegend hier vorkommenden Kolumbatscher Mücke (Melusina columbaczensis) beobachtet und darüber eine umfangreiche Arbeit geschrieben, die leider nach seinem Tod nicht mehr veröffentlicht wurde. Seine Unterlagen hätten wertvolle Erkenntnisse über diesen der Viehzucht große wirtschaftliche Verluste bringenden Schädling geliefert. Im Jahre 1813 etwa verendeten im Banat durch den Massenbefall etwa 10.000 Stück Vieh, hundert Jahre später (1923) sollten es in der Kleinen Walachei sogar 15.000 Stück sein (Rîpeanu u. Gavrilă 1964).
Dank seiner erfolgreichen Karriere als Botaniker im südosteuropäischen Großraum wurde Heuffel Mitglied zahlreicher naturwissenschaftlicher Gesellschaften sowie Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften. In allen floristischen Werken Mittel- und Osteuropas stoßen wir auch heute noch immer wieder auf den Namen dieses verdienstvollen Mannes, der als Nestor der Banater Botaniker angesehen wird.
Werke.: Verzeichnis der um Preßburg vorkommenden, in Endlicher’s Flora posoniensis nicht erwähnten Pflanzen. Regensb. Flora, 1, 1831, S. 404 ff. – Plantarum Hungariae novarum aut non rite cognitarum. Regensb.Flora, 1, 1831, S. 363 ff. u. 2, 1835, 241 ff. – Caricineae in regnis Hungariae, Croatiae, Slavoniae, magnoque Transilvaniae principatu sponte nascentes, enumeratae et digestae.Regensb. Flora, 2, 1844, S. 527 ff. – Über einige verwechselte Arten in der Flora Ungarns. Regensb. Flora, 1854, S. 289 ff. – Über ungarische Eichen. Zeitschr. f. Natur- u. Heilkunde in Ungarn, 13, 1850. – Diagnosen neuer oder verwechselter Pflanzen des Banates. Zeitschr. f. Natur- u. Heilk. in Ungarn, 22, 1857 u. 25, 1858. – Enumeratio plantarum in Banatu Temesiensi sponte crescentium et frequentius cultarum. Verh. zool.-bot. Ges., Wien, 8, 1858, S. 39-240.
Lit.:W. Ilg: Die Regensburgische Botanische Gesellschaft. Hoppea, 42, 1984, S. 1-391. – A. Kanitz: Geschichte der Botanik in Ungarn. Hannover, 1863, S. 89-178. – R.A. Kann: Geschichte des Habsburgerreiches 1526 bis 1918. Böhlau Verl. Wien-Köln-Weimar, 1993, 617 S. – H. Killian: Österreichisches Forstbiographisches Lexikon. Bd. 2, Wien, 1984, S. 11-13. – A. P. Petri: Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums. Mühldorf/Inn, 1992, 2198 S. – H.G.L. Reichenbach: Iconographia botanica. Leipzig, 1-10, 1823-1832. – M. Rîpeanu u. I. Gavrilă: Toxicologie veterinara (Tiermedizinische Giftkunde). Bukarest, 1964, S. 427-477. – Tr. Săvulescu (Hrsg.): Flora Reipublicae Popularis Romanicae. Bd. 1-13, Bukarest, 1952-1976. – A. Schmidt-Rösler: Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg: Die Grenzziehung in der Dobrudscha und im Banat und die Folgeprobleme. Frankfurt a.M., 1994, 544 S. – R. v. Soó: Synopsis systematico-geobotanica florae vegetationsque Hungariae. Bd. 1-6 (Bd. 7 von Sz. Priszter), Budapest, 1964-1985. – I. Stratan: Ioan Heuffel – cercetator al florei Banatului şi Transilvaniei (Johann Heuffel – Erforscher der Flora des Banates und Siebenbürgens). Natura, 2, 1973, Bukarest, S. 73-74. – J. Szinnyei: Magyar irók életes és munkái (Ungarische Schriftsteller. Leben und Werk), Bd. 4, Budapest, 1896, S. 831-1833. – C. v. Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 11, Wien, 1864, S. 430-431.