Biographie

Hevelius, Johannes

Herkunft: Danzig
Beruf: Astronom, Ratsherr, Kaufmann, Bierbrauer
* 28. Januar 1611 in Danzig
† 28. Januar 1687 in Danzig

Johannes Hevelius war der bedeutendste Astronom in der Mitte des 17. Jahrhunderts und besaß in Danzig die beste Sternwarte der damaligen Zeit. Sein kometenhafter Aufstieg ließ die wissenschaftliche Welt erstaunen, aber nach einem halben Jahrhundert verblasste sein Ruhm ebenfalls wie die Strahlkraft eines Kometen, eines der Objekte, die er sein Leben lang beobachtet hatte. Der Grund, weshalb er heute nur noch Fachleuten bekannt ist, lässt sich leicht angeben: Hevelius kannte sich aus in der Kunst des Linsenschleifens, baute Fernrohre und verkaufte beides, aber zu eigenen Beobachtungen hat er sie wenig benutzt, da sie noch durch so viele „Kinderkrankheiten“ in ihrer Qualität gemindert waren (ihre Erfindung datiert man etwa in die Zeit seiner Geburt), dass er mit bloßen Augen mindestens ebenso gute Beobachtungsergebnisse erzielte wie mit dem Fernrohr. An Hand der Messergebnisse konnten die Forscher nachweisen, dass er und der dänische Astronom Tycho Brahe (1546-1601) die besten Astronomen aller Zeiten waren, die mit bloßem Auge beobachteten. Etwa zwei Generationen nach Hevelius wurden die Fernrohre und damit auch die Beobachtungsergebnisse so wesentlich besser, dass seine Messungen schnell in Vergessenheit gerieten, nicht aber seine Leistung.

So wurde seiner besonders in seiner Heimatstadt Danzig zu den „runden“ Lebensdaten durch herausragende Veranstaltungen stets aufwendig gedacht. Auch anlässlich seines 400. Geburtstages war es wieder so, allerdings nur in Polen, nicht in Deutschland, obwohl doch gerade hier der so genannten „Erinnerungskultur“ große Bedeutung beigemessen wird.

Schon mit Beginn des Jahres 2010 setzten die Vorbereitungen für umfangreiche Feierlichkeiten in Polen, aber insbesondere in Danzig, ein, die von der Universität Danzig, dem Historischen Museum in Danzig und der Danziger Wissenschaftlichen Gesellschaft in erster Linie getragen wurden. Dazu gehörten die feierliche Eröffnung des Jubiläumsjahres an der Universität Danzig am 28.1.2011, Wettbewerbe, Pressekonferenzen, Ausstellungen, Studentenkulturtage, Buchveröffentlichungen und eine Fülle von Vorträgen in verschiedenen Städten. Auch eine gut gelungene polnische Sonderbriefmarke mit einem Heve­lius-Porträt und einer Zeichnung aus seiner Selenographia liegt vor. Noch im Herbst 2012 fand der Besucher auf dem Platz zwischen dem Altstädtischen Rathaus (in dem Hevelius als Rats­herr tätig war) und der Katharinenkirche in Danzig mehrere Installationen, die an sein Wirken erinnerten: Ein Denkmal mit seiner himmelwärts blickenden Person und einem astronomischen Instrument, eine groß dimensionierte Hauswand mit einem Bildteil aus seinem Himmelsatlas und einem lateinischen Textstück und mehrere in den Boden eingelassenen Gedenksteine mit unterschiedlichen astronomischen Symbolen. Die Katharinenkirche, die heute dem Karmeliterorden gehört, ist nach dem Brand wieder zugänglich, so dass man die große, schwarze Marmorplatte, die die Heveliusgruft abschließt, und die originalgetreu angeordneten, goldenen Sargnägel, die nach der Öffnung des Grabes in einer Vitrine ausgestellt werden, wieder besichtigen kann. Hier, an dem nordöstlichen Pfeiler des Mittelschiffes, befindet sich auch das schöne und gut erhaltene Epitaph zu seinen Ehren, das erst im Jahre 1780 vom Ehe­mann seiner Urenkelin Karoline Beate geb. von Bagge, Daniel Gottlieb Davisson, gestiftet worden war. Und hier, um diesen Pfeiler herum angeordnet, befindet sich auch noch die kleine Hevelius-Ausstellung, die das Westpreußische Landesmuseum und der Verfasser 2002 gestaltet haben.

In der Bundesrepublik Deutschland hat man kaum von diesem Jubiläum Notiz genommen: Eine Vortragsveranstaltung in der Berliner Sternwarte, ein kurzer Aufsatz in einer Fachzeitschrift und mehrere Vorträge des Verfassers vor ostdeutschen landsmannschaftlichen Gruppen zwischen Lübeck und Stuttgart und bei der Kulturreferentin am Westpreußischen Landesmuseum in Münster-Wolbeck sind bekannt geworden.

Das Leben und Schaffen des Danziger Astronomen ist bereits anlässlich seines 300. Todestages in den Ostdeutschen Gedenktagen 1987 dargestellt worden (S. 16-19). Am 28. Januar 1611 wurde er in Danzig als Johannes Hewelcke in der Familie eines wohlhabenden Bierbrauers Ecke Häkergasse/IV. Damm geboren. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg wie fast 90 % der Innenstadt zerstört, aber vor dem einfachen Neubau wird noch 2012 durch ein Plakat auf sein Geburtshaus hingewiesen. Die Vorfahren der sehr weit verzweigten Familie waren im Rahmen einer Erbschaft 1434 aus Nordwestdeutschland in das Stüblauer Werder eingewandert und wurden im Laufe mehrerer Generationen aus einer Bauernfamilie zu einer Brauer- und Kaufmannsfamilie in Danzig. Johannes besuchte seit 1618 das Akademische Gymnasium in Danzig, eine der bekanntesten Hohen Schulen des deutschen Nordostens, die 1624 wegen einer Pestepidemie den Unterricht für fast drei Jahre einstellen musste. Während dieser Zeit wird Johannes nach Gondeltsch in die Nähe von Bromberg geschickt, um der Ansteckungsgefahr zu entgehen; hier lernt er die polnische Sprache kennen. 1629 verlässt er aus Krankheitsgründen die Schule endgültig, befasst sich aber mit verschiedenen Handwerkskünsten – Zeichnen, Tischlern, Drechseln, Kupferstechen und Glasschleifen –, Fertigkeiten, die ihm später wohl von großem Nutzen geworden sind. Ein Jahr später bricht er zum Studium nach Westeuropa auf, zunächst nach Leiden (Leyden) in Holland, damals Modeuniversität Danziger Patrizierfamilien, und kommt als junger deutscher Student auffallend schnell mit sehr bekannten Wissenschaftlern der damaligen Zeit in intensiven Kontakt: 1631 in London mit James Usher, Samuel Hartlieb (der aus Danzig stammte) und John Wallis, 1632 in Paris mit Martin Mersenne, Petrus Gassendi und Ismael Boulliau (der ihn 1661 in Danzig besuchte) und schließlich in Avignon mit dem berühmten Jesui­tenpater Athanasius Kircher, der aus Fulda stammte. Auf einer Studienreise durch Westdeutschland und die Schweiz erreichte ihn, der mit der Zeit ein gebildeter Jurist und Naturwissenschaftler geworden war, 1634 das Gebot der Eltern zur Rückkehr nach Danzig, wahrscheinlich weil er inzwischen von zwölf Geschwistern der einzige überlebende Sohn war.

Er trat noch im gleichen Jahr als Mitarbeiter in die väterliche Brauerei in seinem Geburtshaus ein, heiratete am 21. März 1635 die aus wohlhabendem Hause stammende Brauerstochter Catharina Rebeschke, übernahm die Verwaltung der Brauerei seines Schwiegervaters in der Straße Pfefferstadt, wurde 1636 als selbständiger Brauer Mitglied der Brauerzunft und übernahm 1641 das Amt eines Schöffen in der Verwaltung seiner Vaterstadt.

Nichts ließ in diesen Jahren auf die Karriere eines Wissenschaft­lers schließen, und dennoch gab es Kontakte zu seinem Lehrer der Naturwissenschaften am Gymnasium Prof. Dr. Peter Crüger, der es verstand, ihn (wieder) für die Astronomie zu begeistern. Schon ab 1639 machte er erste Beobachtungen und richtete sich im Folgenden in einer kleinen Dachkammer eine eher einfache kleine Sternwarte ein, die er in Erinnerung an sein Vorbild Tycho Brahe „Stellaeburgum“ (Sternenburg) nann­te. Er beobachtete sehr genau den Mond in allen seinen Phasen, beschrieb das, was er gesehen hatte, hielt seine Ergebnisse in detailgetreuen Zeichnungen fest und stellte Kupferstiche davon her, die in ihrer Qualität alles Bisherige übertrafen, da er alle dazu nötigen Tätigkeiten selber ausführen konnte und keine fachfremden Helfer anstellen musste. Und 1647 war es dann soweit: Er veröffentlichte seine Selenographia, seine Mondbeschreibung, auf 563 Seiten und mit 112 Kupfertafeln, die ihn mit einem Schlage, kometenhaft eben, zu einem der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit machte. Er erhielt barock ausgestaltete Anerkennungsschreiben aus allen Teilen Europas, und in der Tat behielt dieses Werk seine Gültigkeit für fast 150 Jahre. Etwa seit 1647 führte er seinen latinisierten Namen: Hevelius.

Ab 1650 baute er auf einer großen Plattform über seinen drei Häusern Ecke Pfefferstadt/Baumgartsche Gasse eine neue Stern­warte mit besseren Instrumenten, die er – ebenfalls in Anlehnung an Tycho Brahe – „Uranienburg“ nannte. 1651 wurde er zum ersten Mal zum Ratsherrn der Alten Stadt Danzig gewählt. In dieser Zeit erfand er die Pendeluhr noch vor Huyghens, dem sie wegen seiner besseren Theorie allgemein zugeschrieben wird. Im Laufe der Friedensverhandlungen zu Oliva 1660 erhielt er zahlreichen Besuch hochgestellter Persönlichkeiten, Fürsten, Diplomaten und Johann III. Kasimir, König von Polen. 1662 starb seine Frau, die 27 Jahre wesentliche Teile des Wirtschaftsbetriebes geführt hatte. Ein Jahr später hei­ratete er die 16jährige Kaufmannstochter Catharina Elisabeth Koopmann (1647-1693), mit der er vier Kinder hatte, die beträchtliches Vermögen mit in die Ehe brachte, ihn in seinen wissenschaftlichen Arbeiten unterstützte und so zur ersten Astronomin des Abendlandes wurde (s. Ostdeutsche Gedenktage 1993, S. 185-188). 1664 wurde er schließlich durch einstimmige Wahl in die Royal Society in London aufgenommen, die größte Auszeichnung der damaligen Zeit.

Hevelius hat auch Kritik erfahren, denn nicht so sehr schöpferische Kraft für große Ideen war seine Stärke, sondern unermüdlicher Fleiß, eine hervorragende Beobachtungsgabe und große handwerkliche Geschicklichkeit in der Herstellung und Handhabung seiner Instrumente. Er war der Begründer der Mondtopographie und erfand noch vor der Pendeluhr ein Polemoskop oder „Wallgucker“. Zu seinen besten Leistungen gehört die Beobachtung des Merkurdurchgangs vor der Sonne im Jahre 1661, Beobachtung und Messung der Sonnenflecken und Helligkeitsschätzungen von Fixsternen mit beachtlicher Genauigkeit. Seine Veröffentlichungen umfassen mehr als 3500 Folio­seiten und über 250 größtenteils selbst gestochene Kupfertafeln. Er hat etwa 1500 Positionen von Fixsternen vermessen und den Lauf verschiedener Kometen beobachtet und beschrieben. Er hat die Höhen der Mondgebirge bestimmt und die hellen und dunklen Flächen als Mondgebirge und -täler erkannt und mit Namen belegt. Er fand die dritte Mondlibration und hat alle drei mehrfach beschrieben und vermessen. 1661 beobachtete er eine selten große Halo-Erscheinung mit neun Ringen und sechs Nebensonnen, die als Danziger Phänomen in die Literatur eingegangen ist. Zwölf neue, freilich nur für Geübte erkennbare Sternbilder hat er in die Astronomie eingeführt und sie mit Namen versehen; darunter das „Scutum“, das Schild des Sobieski, zu Ehren des Königs Johann III. Sobieski, der als ranghöchster Fürst 1683 an der Schlacht bei Wien teilgenommen und ihn schon 1677 auf seiner Sternwarte besucht hatte. Um 1659 erkannte er als Erster die Sterne Alpha im Steinbock und 61 im Schwan als Doppelsterne, beobachtete oft den damals einzigen bekannten veränderlichen Stern Omikron Ceti (im Walfisch) und gab ihm den Namen Mira, der „Wunderbare“, der später auf eine ganze Klasse von Sternen übertragen wurde. Vor dem Olivaer Tor baute er ein Riesenfernrohr mit etwa 50 m Tubuslänge, eine an sich richtige Idee, um bessere Meß- und Beobachtungsergebnisse zu erzielen, die mit den damaligen Kenntnissen aber noch keinen Nutzen bringen konnte.

Zu seinen Leistungen gehören selbstverständlich ebenso seine Tätigkeiten in der Verwaltung und Regierung seiner Vaterstadt und die gewinnbringende Führung seiner Wirtschaftsbetriebe, zu denen außer den Bierbrauereien, eine Stutenzucht, eine Ziegelbrennerei, ein Holzhandel, das Gut Bankau und ein Gär­tnereibetrieb vor den Toren Danzigs gehörten. Denn der Bierbrauer und Kaufmann Johannes Hewelcke musste den sehr aufwendig arbeitenden Astronomen und Buchautor Johannes Hevelius finanzieren (der sich schließlich eine eigene Druckerei anschaffte). Seine überaus zahlreiche Korrespondenz mit Wissenschaftlern, Regenten und Diplomaten hat er in 16 umfangreichen Folianten gesammelt. Auch aus diesen Texten geht eindeutig hervor: Er war zu seiner Zeit der „Fürst der Astronomie“.

Lit.: Johannes Hevelke, Gerd Havelke und seine Nachfahren. Geschichte der Familie Hevelke-Hewelcke und des Astronomen Johannes Hevelius 1434-1927. Danziger Verlagsgesellschaft m.b.H. (Paul Rosenberg), Danzig 1927. – Felix Schmeidler, Einleitung zum Nachdruck der Machina Coelestis Teil I, Osnabrück 1969. – Hans-Jürgen Kämpfert, Johannis Hevelius – Astronom zu Danzig. Kulturwerk Danzig, Düsseldorf 1986. Mit Werksverzeichnis und ausführlichem Literaturverzeichnis. – Johannes Wünsch, Die Auswertungen der Sonnen- und Mondbeobachtungen des Danziger Astronomen Johannes Hevelius. Dissertation, München 1987. – Johannes Hevelius. Begleitbuch zur Ausstellung in der St. Katharinenkirche in Danzig. Westpreußisches Landesmuseum, Münster 2002, deutsch und polnisch. – K. Roemer, Familie Hewelcke und Nebenlinien, in: Altpreußische Geschlechterkunde. Familienarchiv. Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen, Hamburg 2002, Band 24, S. 125-180. Liegt auch als Sonderdruck vor.

Bild: Selenographia, Danzig 1647.

Hans-Jürgen Kämpfert