Biographie

Hildebrand, Hermann Christian

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Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Historiker
* 8. Juli 1843 in Goldingen/Kurland
† 29. Januar 1890 in Riga

Der deutschbaltische Mittelalterhistoriker Hermann Hildebrand war ein Lehrersohn. Sein Vater hatte ihn in der Kreisschule von Goldingen teilweise selbst unterrichtet und dabei sein Interesse an der Geschichte geweckt. So kam es, daß der junge Kurländer eben dieses Fach belegte, als er nach dem Abitur in Mitau 1862 das Studium in Göttingen aufnahm. In den Übungen des Historikers Georg Waitz erhielt er dort zusammen mit gleichstrebenden Freunden – unter denen ihm der spätere Hanseforscher Karl Koppmann am nächsten stand – eine gründliche quellenkritische Schulung, zu der es an anderen Universitäten kaum Vergleichbares gab. Hildebrand gehörte zu den ersten baltischen Studenten von Waitz, die andere nach sich zogen, so daß bei diesem als Vorbild wirkenden akademischen Lehrer insgesamt nicht weniger als 18 Deutschbalten studierten (darunter Richard Hausmann und Theodor Schiemann). Im Ergebnis seines Göttinger Studiums legte Hildebrand eine Dissertationsschrift über „Die Chronik Heinrichs von Lettland“ vor, die 1867 im Druck erschien und bis heute wissenschaftliche Bedeutung besitzt. Danach studierte er noch kürzere Zeit in Berlin, wo er Leopold von Ranke, Deutschlands größten Historiker, hörte, um dann im Baltikum und in Rußland nach Möglichkeiten des Broterwerbs zu suchen. Dabei half ihm der aus Schlesien stammende, sehr bedeutende Historiker Ernst Eduard Kunik, der u.a. als Mitglied der Petersburger Akademie der Wissenschaften über entsprechende Möglichkeiten verfügte. Zu den Aufträgen der Akademie, die Hildebrand nun übernahm, gehörte die Sammlung von Material zu den livländisch-russischen Beziehungen in den Archiven Rigas und Revals. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in Regestenform publiziert worden. In diesem Zusammenhang entstanden auch zwei besonders wichtige Aufsätze Hildebrands über die Hansekontore in Novgorod und Polozk. Im Auftrage der Petersburger Akademie gab er außerdem 1872 „Das Rigische Schuldbuch (1286-1352)“ heraus. Mit dieser sorgfältigen Edition einer schwer erschließbaren, aber handels- und rechtsgeschichtlich besonders ergiebigen Quelle wurde erstmals ein baltisches Stadtbuch veröffentlicht. Nachdem er wiederholt seine Stellung gewechselt hatte, wurde Hildebrand als dem gewiß Geeignetsten 1872 die besoldete Herausgabe des Liv-, Est- und Kurländischen Urkundenbuches übertragen, von dem bis dahin sechs Bände erschienen waren. Von nun an in Riga ansässig, oft aber auch zu Archivbesuchen im Ausland weilend, sammelte er bis zu seinem Lebensende unermüdlich Material für diese grundlegende Edition. In den Jahren 1881-1890 konnten die von ihm bearbeiteten Bände 7-9 des monumentalen Werkes erscheinen, die Quellen aus dem 15. Jahrhundert boten. Eine Frucht seiner letzten Forschungsreise, die ihn nach Rom geführt hatte, stellte die Publikation „Livonica, vornämlich aus dem 13. Jahrhundert, im Vaticanischen Archiv“ (1887) dar.

Allzu früh einer Herzerkrankung erlegen, hat der persönlich bescheidene Hildebrand mit seinen musterhaften Editionen und seinen gründlichen Untersuchungen sehr Bedeutendes geleistet. Er trug wesentlich dazu bei, daß die deutschbaltische Forschung gerade auf dem Gebiet der Quellenedition und -erschließung einen Standard erreichte, der noch heute auf allen Seiten hohe Anerkennung findet.

Lit.: Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710-1960, hg. von Wilhelm Lenz (sen.), Köln-Wien 1970, S. 320 f.; Joseph Girgensohn, Hermann Hildebrand, in: Baltische Monatsschrift 37 (1890), S. 622-633; Karl Koppmann, Zum Gedächtnis an Hermann Hildebrand, in: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands 14 (1890), S. 502-514; Wilhelm Lenz (jun.), „Alt-Livland“ in der deutschbaltischen Geschichtsschreibung 1870-1918, in: Geschichte der deutschbaltischen  Geschichtsschreibung,  hg.  von  Georg von  Rauch,  Köln-Wien 1986, S. 203-232.