Biographie

Hillgruber, Andreas

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Historiker
* 18. Januar 1925 in Angerburg
† 8. Mai 1989 in Köln

Andreas Hillgruber entstammte einer ostpreußischen Familie Salzburger Herkunft. Sein Vater war Prorektor in Angerburg bis zur Auflösung des Lehrerseminars im Herbst 1924. Später wurde er Studienrat in Goldap und Ragnit. 1937 von den Nationalsozialisten vorzeitig pensioniert, starb er 1946 in sowjetischer Gefangenschaft. Andreas Hillgruber legte 1943 am humanistischen Hufen-Gymnasium in Königsberg das Abitur ab. Von 1943 bis 1945 diente er in der Wehrmacht. Als Unteroffizier kam er 1945 zunächst in amerikanische, anschließend bis 1948 in französische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Freilassung studierte er von 1948 bis 1952 Geschichte, Germanistik und Pädagogik unter anderen bei Percy Ernst Schramm an der Georg-August-Universität Göttingen. Im Anschluß an das Staatsexamen (1952) und die Promotion (1953) ging er 1954 bis 1964 in den höheren Schuldienst; bereits 1962 wurde er zum Oberstudiendirektor an der Elisabeth-Schule in Marburg/Lahn ernannt. Dort arbeitete er wissenschaftlich weiter und habilitierte sich 1965 mit der Studie Hitlers Strategie. Politik und Kriegsführung 1940/1941. 1965 bis 1968 lehrte er an der Philipps-Universität Marburg als Privatdozent, ab 1967 als Wissenschaftlicher Rat und Professor. 1968 folgte er einem Ruf als Ordinarius für Neuere und Neueste Geschichte an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. 1968/69 war Hillgruber zugleich „Leitender Historiker“ am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg. Sein Auftrag am MGFA war, eine moderne Geschichte des Zweiten Weltkriegs innerhalb eines Jahrzehnts herauszugeben. Nach Konflikten innerhalb des MGFA gab er diese Position jedoch im Sommer 1969 wieder auf. Seit 1972 bis zu seinem Tod 1989 war er o. Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Köln.

Seit 1960 war Hillgruber verheiratet, hatte zwei Söhne und eine Tochter. Er war langjähriger Rezensent geschichtswissenschaftlicher Neuerscheinungen für die Historische Zeitschrift (HZ). In dreizehn Jahren zwischen 1965 und 1977 schrieb Hillgruber 197 Rezensionen in der HZ unter dem damaligen Herausgeber Theodor Schieder.

Hillgrubers Spezialgebiet war die deutsche Geschichte zwischen 1871 und 1945, dabei insbesondere die politischen, diplomatischen und militärischen Aspekte, wobei er Militärgeschichte nicht um ihrer selbst Willen betrieb, sondern sie im Wechselspiel mit der politischen Geschichte betrachtete. Letzteres lässt die zuweilen abwertend gemeinte Bezeichnung Hillgrubers als Militärhistoriker außer Acht. Für Hillgruber gab es viele Elemente der Kontinuität in der deutschen Außenpolitik zwischen 1871 und 1945, ganz besonders im Verhältnis zu Osteuropa. Bereits in seiner 1954 unter dem Titel Hitler, König Carol und Marschall Antonescu. Die deutsch-rumänischen Beziehungen 1938-1944 veröffentlichten Dissertation behandelte er Themen, die zeitlebens Gegenstand seiner Forschungen bleiben sollten.

Hillgruber sah den Zweiten Weltkrieg in Europa als zwei verschiedene Kriege an, nämlich erstens als einen „normalen“ Krieg zwischen den westlichen Mächten und dem nationalsozialistischen Deutschland, den Hitler zwar verursachte, aber nicht beabsichtigt habe, und zweitens den Vernichtungskrieg Deutschlands gegen die Sowjetunion, der gnadenlos und brutal mit dem Ziel der rassischen und ideologischen Ausrottung geführt wurde. Dieser Krieg sei das eigentliche Ziel Hitlers gewesen.

Die unruhige Zeit an den Universitäten am Ende der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre haben ganz offensichtlich tiefe Spuren, vielleicht auch nie geheilte Verletzungen bei Andreas Hillgruber hinterlassen. Er geriet damals auf Grund des „reaktionären Vorlesungsinhalts“ in die Schusslinie der studentischen Kritik. Als er nach vielen polemischen Auseinandersetzungen Freiburg verließ, setzten sich die harten Wortgefechte auch in Köln fort. Auch in achtziger Jahren war er in heftige Kontroversen verwickelt, so in den „Historiker-Streit“ und in die hitzige Debatte um seinen Essay Zweierlei Untergang – Die Zerschlagung des Deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums.

Auf der anderen Seite wurde die große wissenschaftliche Leistung Hillgrubers mit zahlreichen bedeutenden Publikationen durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse noch kurz vor seinen Tod unterstrichen. Die Würdigung von Eberhard Jäckel im Vorwort der Gedenkschrift für Andreas Hillgruber hätte ihm vermutlich gefallen: „Daß die deutsche Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Anschluß an die internationale fand, ist wahrscheinlich weniger das Verdienst der bußfertigen Selbstankläger als jener konservativen Historiker, die ihr Urteil gegen ihr Vorurteil durchsetzten und damit der anfänglich widerstrebenden öffentlichen Meinung zu einem unverstellten Blick auf die Wirklichkeit verhalfen … Der erste und bedeutendste von ihnen war Andreas Hillgruber, und das wird seine Ehre bleiben“.

Werke: Hitler, König Carol und Marschall Antonescu. Die deutsch-rumänischen Beziehungen 1938–1944, Wiesbaden 1954 (Dissertation). – Hitlers Strategie. Politik und Kriegsführung, 1940-1941, Frankfurt/M. 1965 (Habilitationsschrift). – Deutschlands Rolle in der Vorgeschichte der beiden Weltkriege, Göttingen 1967. – Kontinuität und Diskontinuität in der deutschen Außenpolitik von Bismarck bis Hitler, Düsseldorf 1969. – Bismarcks Außenpolitik. Freiburg 1972. – Deutsche Großmacht- und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977. – Otto von Bismarck: Gründer der europäischen Großmacht Deutsches Reich, Göttingen 1978. – Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit (1945-1963), München 1979. – Sowjetische Außenpolitik im Zweiten Weltkrieg. Königstein/Ts. 1979. – Die gescheiterte Großmacht: Eine Skizze des Deutschen Reiches, 1871-1945, Düsseldorf 1980. – Der Zweite Weltkrieg, 1939-1945: Kriegsziele und Strategie der großen Mächte, Stuttgart 1982. – Die Last der Nation: Fünf Beiträge über Deutschland und die Deutschen, Düsseldorf 1984. – Zweierlei Untergang: Die Zerschlagung des Deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums, Berlin 1986. – Die Zerstörung Europas: Beiträge zur Weltkriegsepoche 1914 bis 1945, Berlin 1988.

Lit.: Jost Dülffer (Hrsg.), Deutschland in Europa: Kontinuität und Bruch. Gedenkschrift für Andreas Hillgruber, Propyläen, Frankfurt/M. 1990. – Klaus Hildebrand (Hrsg.), Deutsche Frage und europäisches Gleichgewicht. Festschrift für Andreas Hillgruber zum 60. Geburtstag, Köln 1985. – Nekrolog Andreas Hillgruber 1925-1989, in: Historische Zeitschrift, Bd. 250 (1990), S. 190-197. – Angerburger Heimatbrief, Heft 105 (1989), S. 65-69.

Bild: Archiv des Kulturzentrums Ostpreußen, Ellingen/ Bayern