Biographie

Hirschfelder, Gerhard

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Priester, Märtyrer
* 17. Februar 1907 in Glatz
† 1. August 1942 in KZ Dachau

Gerhard Hirschfelder, der heute in Polen als Seliger mehr verehrt wird als in Deutschland, wurde wegen einer Predigt von der Gestapo verhaftet und am 27. Dezember 1941 ins KZ Dachau eingeliefert, wo er am 1. August 1942 ums Leben kam. Papst Benedikt XVI. hat am 27. März 2010 den Tod von Gerhard Hirschfelder als Martyrium anerkannt. Die Seligsprechung erfolgte am 19. September 2010 durch Kardinal Joachim Meisner im Dom zu Münster.

Gerhard Hirschfelder wurde am 17. Februar 1907 als uneheliches Kind in Glatz geboren. Seine Mutter, Maria Hirschfelder, die ihrem Sohn nie den Namen seines leiblichen Vaters verriet, ermöglichte als Schneidermeisterin ihrem einzigen Kind den Besuch des Gymnasiums und das Philosophie- und Theologiestudium an der Universität in Breslau als Priesteramtskandidat des Erzbistums Prag, zu dem die Grafschaft Glatz damals noch gehörte. Bereits in der Gymnasialzeit engagierte sich Hirschfelder in der kirchlichen Jugendarbeit, gewann dort Sicherheit und Führungsstärke und erkannte früh seine Berufung zum Priesterstand. Seine nichteheliche Geburt brachte ihm jedoch einige Nachteile ein. Er konnte nicht zusammen mit seinem Weihejahrgang geweiht werden, da die in der damaligen Zeit noch notwendige römische Dispens vom Weihehindernis der unehelichen Geburt nicht rechtzeitig eintraf. Ein Kollege seines Weihejahrgangs, Ernst Heinze, schrieb damals: „So konnte unser lieber Hirschfelder nur als Zuschauer die Weihehandlung seines Kurses miterleben; er soll bitterlich geweint haben. Wir alle litten mit ihm.“ Auch seine Primiz konnte er wegen seiner nichtehelichen Geburt nicht „in seiner schönen und vertrauten Heimatpfarrkirche St. Maria Himmelfahrt in Glatz“ feiern, sondern durfte nur in dem sieben Kilometer entfernten Kloster in Bad Langenau seine erste heilige Messe zelebrieren. Später schreibt Hirschfelder in seinen Kreuzweggebeten: „Herr, wenn man mir auch die äußere Ehre nimmt, ich bleibe doch Kind Gottes, Kämpfer Gottes, Priester Gottes, das kann mir niemand nehmen.“

Hirschfelder wurde am 31. Januar 1932 im Dom zu Breslau zum Priester geweiht und hatte als Motto seines Primizbildes das Wort gewählt „Christus, unser Osterlamm ist geschlachtet, Alleluja.“ Man fragt sich dabei: Ahnte er, was dieses Wort in seiner ganzen Fülle und Tiefe für ihn bedeuten kann? Hirschfelder war als Kaplan in Grenzeck/ Tscherbeney und später in Habelschwerdt sehr beliebt und gewann als eifriger Seelsorger vor allem die Kinder und Jugendlichen, die lieber zu seinen Gruppenstunden kamen als zu den nationalsozialistischen Jugendverbänden. Dadurch geriet er schnell ins Visier der Gestapo und wurde als staatsgefährdend eingestuft.

Nun setzten die Schikanen ein: Überfälle, Hausdurchsuchungen, Bespitzelungen und öftere Verhöre musste Hirschfelder aushalten. Ihm wurde angedroht, er werde bei weiteren Verstößen gegen die Auflagen „abgeholt“. Da sich bei großen Wallfahrten damals mehr als 2.000 Jugendliche versammelten, spitzten sich die Auseinandersetzungen zu. Die Nationalsozialisten wurden immer heimtückischer. Jugendliche warnten Hirschfelder, aber seine Antwort war: „Kinder, ich kann nicht anders, wenn ich sehe, was sich gegen die Kirche und gegen die Menschenwürde tut, ich muss es von Herzen los werden.“

Eines Tages sollen Mitglieder der Hitlerjugend einen barocken Sandsteinbildstock mit dem Bildnis der Krönung Mariens demoliert, dem Christusbild auf dem Bildstock beide Augen ausgeschossen, den Relieffiguren die Köpfe abgeschlagen und dann den Bildstock umgestoßen haben. Dieses Ereignis verurteilte Hirschfelder am folgenden Sonntag (27. Juli 1941) in seiner Predigt. Er sagte von der Kanzel: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Daraufhin wurde Hirschfelder am 1. August 1941 während einer Jugendglaubensstunde verhaftet und abgeholt. Die versammelten Jugendlichen bat er nach Hause zu gehen und sagte zu einem Mädchen: „Bete für mich!“

Nach vier Monaten im Gefängnis Glatz mit der Gefangenenbuchnummer 269/41 kam Hirschfelder in das KZ Dachau. Er wurde im Priesterblock in der Baracke 26 untergebracht und erhielt die Nummer 28972. Dort wurde er zu Zwangsarbeiten herangezogen. Aber auch im KZ blieb er Priester. Er wollte anderen durch sein Leiden Kraft geben und sah sich als Werkzeug Gottes. So schrieb er an seine Verwandten: „Ich opfere alles für Euch auf.“ Hirschfelder ließ die Not seiner Mitgefangenen an sich herankommen und teilte sein Leben, seinen Hunger und seine Bedrängnis mit ihnen.

Hirschfelder schrieb damals: „Unseren wirklichen seelischen Reichtum kann ja die Welt nicht erkennen. Und so kann der Christ, besonders der Priester, der immer fröhliche Mensch sein, weil Christus, für den wir leben, nicht zu töten ist […] So werden wir auch nie von der Welt verstanden werden; immer wird sie meinen, wir wären besiegt. In Wirklichkeit hat Christus den Sieg errungen.“

Als Hirschfelder an Paratyphus erkrankte, ließ ihn ein Aufseher zwei Stunden unter der kalten Brause stehen. Durch die Strapazen des KZ geschwächt, konnte er sich nicht mehr erholen, brach zusammen und starb am 1. August 1942. In seinem letzten Brief schreibt er: „Was ist doch alle Welt gegenüber der Herrlichkeit des Himmels, wo es kein Leid, nur Liebe ohne Hass gibt. So wollen wir halt Gottes Willen abwarten und ein starkes ‚Ja‘ dazu sprechen. Er wird es schon gut machen.“

Von Hirschfelder sind aus der Zeit im Gefängnis viele Texte, Zitate und Briefe erhalten. Er verfasste einen Kreuzweg, der in drei Sprachen zu lesen ist. „Die Welt braucht Menschen, die selbst überzeugt sind und andere überzeugen. Jede Überzeugung braucht jedoch einen tragenden Grund. Dieser Grund ist für Gerhard Hirschfelder Jesus Christus. Wenn auch der Lebensweg nicht immer glatt verläuft, der Glaubende weiß: ‚Gott schreibt auch auf krummen Zeilen grade.‘“ So urteilte Hugo Goeke über ihn.

Der Oblatenpater Engelbert Rehling, der mit Hirschfelder im KZ war, berichtete: „Herr Kaplan Hirschfelder wohnte mit mir zusammen auf Block 26/3. Er machte auf seine Umgebung einen überaus bescheidenen, fast scheuen Eindruck, übte eine edle Zurückhaltung und war gleichzeitig bereit, jeden Liebesdienst zu erweisen. Er war ein Heiliger“.

Als 1946 Polen die Häuser und Wohnungen der ausgewiesenen Deutschen in Glatz bezogen haben, sollen drei Männer und eine Frau im Wohnzimmer eines Hauses das Bild von Kaplan Hirschfelder gesehen haben. Ein Mann sei plötzlich ganz still und nachdenklich geworden. Er habe sich immer wieder das Bild angesehen und dann gesagt: „Der Mann ist ein Heiliger, mit dem war ich im KZ.“

In Telgte, wohin die Katholiken der Grafschaft jährlich wallfahren, findet man einen Gerhard-Hirschfelder-Weg. Das Straßenbenennungsschild erhält folgenden Zusatz: Gerhard Hirsch­felder, geb. 1907; Kaplan und Jugendseelsorger in der Grafschaft Glatz; wegen NS-kritischer Äußerungen 1941 verhaftet; verstarb 1942 im KZ Dachau an den Folgen seiner Haft. Im heute polnischen Glatz trägt die Straße an der Stadtpfarrkirche seinen Namen. Eine Gedenktafel mit Bild erinnert in der Kirche daran, dass Hirschfelder in dieser Kirche getauft wurde. In der Grafschaft existiert nach der Seligsprechung ein Gerhard-Hirschfelder-Wanderweg von Glatz zu den Stätten seines seelsorglichen Wirkens.

Lit.: Barbara Franke/ Johannes Hoffmann/ Hans Melchers, Kaplan Gerhard Hirschfelder, ein Märtyrer aus der Grafschaft Glatz, gest. 01. August 1942 im KZ Dachau. Hrsg. von Großdechant Franz Jung, Münster 1989. – Franz Jung, Marius Linnenborn (Hrsg), Gerhard Hirschfelder, Ein Seliger für unsere Zeit, Hoffnungsträger, Mutmacher, Brückenbauer. Münster 2011. – Hugo Goeke, Gerhard Hirschfelder, Priester und Märtyrer. 2. Auflage, Münster 2011. – Helmut Moll (Hrsg.), Zeugen für Christus. Band 2, 6. Auflage, Paderborn 2015.

Bild: Heimatwerk Grafschaft Glatz

Angelika Steinhauer