Biographie

Hirschfelder, Gerhard

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Priester, Märtyrer
* 17. Februar 1907 in Glatz
† 1. August 1942 in KZ Dachau

Zu seinem 100. Geburtstag und 65. Todestag im Jahre 2007 steht der schlesische Priester Gerhard Hirschfelder kurz vor der Seligsprechung. Weit über die Grenzen seiner Heimat, der Grafschaft Glatz, hinaus wird er als standhafter Gegner des NS-Regimes verehrt und hat sich zu einer Integrationsfigur für deutsche, polnische und tschechische Katholiken entwickelt. Er wuchs als einziges Kind der ledigen Schneidermeisterin Maria Hirschfelder in ärmlichen Verhältnissen in der Kreisstadt Glatz auf, wo er auch das Gymnasium besuchte und 1927 das Abitur ablegte. Schon in der Schulzeit, insbesondere aber während des anschließenden Theologiestudiums in Breslau, wo alle Priesteramtskandidaten der zum Erzbistum Prag gehörenden Grafschaft Glatz ihre Ausbildung erhielten, haftete ihm der gesellschaftliche Makel seiner unehelichen Herkunft an. Dennoch erhielt er am 31. Januar 1932 in Breslau die Priesterweihe und begann seinen seelsorglichen Dienst als Priester des Erzbistums Prag in der Grafschaft Glatz. Allerdings durfte Hirschfelder seine Primiz nicht öffentlich in der Stadtpfarrkirche in Glatz, sondern nur in der Abgeschiedenheit des Herz-Jesu-Klosters in Bad Langenau feiern. In seiner ersten Kaplansstelle in Tscherbeney (ab 1935: Grenzeck) bei Bad Kudowa verhalf ihm sein fröhliches Naturell ebenso wie seine Prägung durch den katholischen JugendbundQuickborn zu großer Beliebtheit bei den Gemeindemitgliedern. Seine Mittelpunktfunktion, insbesondere für die Jugend, ließ ihn bald in das Visier örtlicher NS-Größen geraten. Mit dem Tscherbeneyer NS-Ortsgruppenleiter Arno Rogowski, der zugleich als Amtsvorsteher fungierte, erwuchs dem Kaplan ein Gegner, der nichts unversucht ließ, umHirschfelder aufgrund seiner erfolgreichen konfessionellen Jugendarbeit sowie NS-kritischer Predigtäußerungen bei Staats- und Parteistellen zu denunzieren. Der junge Priester wurde ständig bespitzelt, mehr als einmal verhört und seine Wohnung durchsucht. Ein Verfahren gegen den beliebten Geistlichen wegen verbotener Jugendarbeit wurde im Mai 1938 infolge des Straffreiheitsgesetzes eingestellt.

Im Februar 1939 gleichfalls als Kaplan nach Habelschwerdt versetzt, brachte ihm sein ausgezeichneter seelsorglicher Ruf im Juli 1939 zusätzlich die Aufgabe des Diözesan-Jugendseelsorgers der Grafschaft Glatz ein. Sein nunmehr entsprechend vergrößerter Aktionsradius und der Elan, mit dem Gerhard Hirschfelder in den Folgejahren Jugendveranstaltungen und zentrale Jugendwallfahrten nach Albendorf organisierte,provozierten seine Gegner in NS-Kreisen umso mehr. Infolge einer Predigt, in der Gerhard Hirschfelder im Juli 1941 die mutwilllige Zerstörung eines Marienbildstocks in Habelschwerdt mit deutlichen Worten angeprangert hatte, wurde er am 1. August 1941 von der Gestapo verhaftet und im Glatzer Gefängnis inhaftiert. Von dort aus im Dezember 1941 in das KZ Dachau transportiert, wo er die Gefangenen-Nummer 28972 erhielt, starb der Priester am 1. August 1942 offiziell an Rippenfellentzündung, in Wirklichkeit aber an völliger Entkräftung im Krankenrevier des Konzentrationslagers. Die Todesursache durfte in seiner Heimat nicht öffentlich bekannt gemacht werden. Seine Asche wurde einige Wochen später auf dem Friedhof in Grenzeck beigesetzt.

Schon bald nach seinem Tod eilte Gerhard Hirschfelder der Ruf eines heiligmäßigen Priesters voraus, den geistliche Mitbrüder und vor allem Angehörige seiner Jugendgruppen in Grenzeck und Habelschwerdt auch nach der Vertreibung im Westen weiter verbreiteten. Seine im Gefängnis in Glatz verfassten Kreuzweg-Gebete erschienen erstmals in den 1950er Jahren gedruckt und erreichten zahlreiche Auflagen. Seine ebenfalls in der Haft geschriebenen Kommentare zu den Paulus-Briefen geben Zeugnis vom priesterlichen Selbstverständnis dieses vom NS-Regime verfolgten Geistlichen. Ein Aspekt behandelt die Bereitschaft des Priesters, sich ganz Gott hinzugeben und in tiefem Gottvertrauen Höhen und Tiefen zu durchschreiten. Die Tiefstelle seines eigenen priesterlichen Lebens erfuhr Hirschfelder im KZ Dachau, wo er trotz des Leidens unter harter Arbeit und Knechtung sich bis zum körperlichen Zusammenbruch für seine inhaftierten Mitbrüder einsetzte. Zeugnisse von Mithäftlingen bestätigten diese selbstlose Hingabe im Dienst am Nächsten und unterstützen die Zeugnisse von Grafschaft Glatzer Katholiken, die viele Jahrzehnte für die Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens beteten. Ebenso hielten in Tscherbeney verbliebene und in die benachbarte Tschechoslowakei geflohene Pfarrangehörige das Andenken an ihren früheren Kaplan lebendig und pflegten seine Grabstätte.

Nachdem im März 1998 in Münster auf Initiative des Visitators für die Grafschaft Glatzer Katholiken, Großdechant Prälat Franz Jung, der Internationale Gerhard Hirschfelder Kreis gegründet worden war, konnte im September desselben Jahres bereits der Seligsprechungsprozess eröffnet werden.

Wie sehr Gerhard Hirschfelder mittlerweile zu einer Identifikationsfigur der Grafschafter geworden ist, zeigt nicht zuletzt die nach dem im Rufe der Heiligkeit stehenden Geistlichen benannte, 2005 zur Förderung der Kultur, Kunst und Geschichte der Grafschaft Glatz eingerichtete Stiftung.

Werke:Kreuzweg-Gebete des verst. H.H. Kaplans Gerhard Hirschfelder aus Habelschwerdt. Niedergeschrieben im Gefängnis zu Glatz im Jahre 1941, hrsg. v. Adolf Langer, Münster 51992. – Aus dem Nachlass des Dieners Gottes Gerhard Hirschfelder, o.O. o.J. (Münster 1999).

Lit.:Adolf Langer, Gerhard Hirschfelder (1907-1942), in: Joseph Gottschalk (Hrsg.), Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, Aalen 1967, S. 226-229. – Franz Heinsch, Priester der Grafschaft Glatz im „Dritten Reich“, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Bd. 26 (1968), S. 279-288. – Barbara Franke/Johannes Hoffmann/Hans Melchers, Kaplan Gerhard Hirschfelder, ein Märtyrer aus der Grafschaft Glatz, Münster 1989. – Michael Hirschfeld, „Wer der Jugend den Glauben aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Der Glatzer Priester Gerhard Hirschfelder (1907-1942) im Konflikt mit dem NS-Regime, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Bd. 57 (1999), S. 195-209 (auch als Sonderdruck, Ostfildern 2001). – Ulrich von Hehl u.a. (Bearb.), Priester unter Hitlers Terror, Bd. II, 4. Aufl. Paderborn 1998, Sp. 1696. – Johannes Nitsche, Kaplan Gerhard Hirschfelder, in: Helmut Moll (Hrsg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bd. II, 4. Aufl. Paderborn u.a. 2006, S. 701-703. – Michael Hirschfeld, Art. Hirschfelder, Gerhard, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XX (2002), Sp. 765-768. – Franz Jung, Die Seligsprechung des Dieners Gottes Gerhard Hirschfelder, in: Grofschoaftersch Häämtebärnla. Jahrbuch der Grafschaft Glatz 2003, S. 62-66.

Bild:Archiv Visitator Glatz, Münster.