Biographie

Hoerschelmann, Fred von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Schriftsteller, Hörspielautor
* 16. November 1901 in Hapsal/Estland
† 2. Juni 1976 in Tübingen

Neben Günther Eich gilt Fred von Hoerschelmann als unübertroffener Meister des Hörspiels. Er wurde am 16. November 1901 in der Kurz- und Badestadt Hapsal an der Westküste Estlands als Sohn eines Arztes geboren. Er besuchte die Domschule in Reval, die er 1921 mit dem Reifezeugnis absolvierte, und ging im gleichen Jahr nach Dorpat, um zunächst Chemie, im Jahre darauf Philosophie und Kunstgeschichte zu studieren. Seit 1923 setzte er sein Studium in München fort. Bereits in den 1920er Jahren begann er, in großen deutschen Zeitungen, von denen hier die „Vossische Zeitung“, das „Berliner Tageblatt“, ferner, und nicht zuletzt, der „Simplizissimus“ genannt seien, Kurzgeschichten zu veröffentlichen, denen erste Bühnenstücke folgten, von denen wir „Die zehnte Symphonie“ nennen wollen, die am Schillertheater in Berlin mit Paul Wegener in der Hauptrolle aufgeführt wurde, ferner „Das rote Wams“ und die „Wendische Nacht“, die in Stuttgart und am Hamburger Schauspielhaus zur Aufführung gelangt sind.

Über die Hapsaler Jahre Hoerschelmanns hat die Schriftstellerin Erika Werckmeister, geb. Brasche einiges aufgezeichnet. Er verkehrte häufig in ihrem Elternhaus, und es verging selten ein Tag, an dem er ausblieb. Die Gespräche kreisten dabei um die geplante Entstehung der Hapsaler Novellen, die später in seinem Buch „Die Stadt Tondi“ (in einer Neuauflage unter dem Titel „Sieben Tage – Sieben Nächte“) erschienen sind. Hoerschelmann schrieb im Winter, wobei er intensiv, aber nicht regelmäßig gearbeitet hat. Im Sommer jedoch segelte er, und seine Schwertjolle hat er allein zusammengebastelt und getakelt. Als in Hapsal noch kein Mensch ein Rundfunkgerät besaß, bastelte er, wie Erika Werckmeister zu berichten weiß, aus Teilen, die er in Elektroge-schäften zusammensuchte, eine mit Kopfhörern ausgestattete komplizierte Anlage und wurde nach dem ersten Erfolg von der Begeisterung erfaßt, nun mit der ganzen Erde in akkustischer Wortverbindung stehen zu können. Er verfolgte seitdem am Rundfunk eingehend die Technik fernmündlicher Kommunikation. Er untersuchte ihre künstlerischen Möglichkeiten und erkannte die zunehmende Bedeutung dieses Mediums. Die Grundgedanken zu vielen seiner späteren Hörspiele waren schon damals in seinen Aussprüchen enthalten.

In Hapsal schrieb Hoerschelmann sein erstes Hörspiel „Die Flucht vor der Freiheit“, das mit Heinrich George in der Hauptrolle gesendet wurde. Nach Hapsal kehrte er, auch als er in Berlin seinen Wohnsitz nahm, immer wieder zurück. Der Durchbruch zur allgemeinen Anerkennung erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, den er trotz zarter Gesundheit als ungewöhnlich mutiger Soldat und als zuverlässig geschätzter Kamerad mitgemacht hat. Seine Briefe von der Front, heißt es, seien eine Fundgrube geistreich-satirischer Bemerkungen zum Zeitgeschehen gewesen.

Hoerschelmann schrieb insgesamt 24 Hörspiele und wurde zu einem der bekanntesten Hörspielautoren der Welt. Er hat das Hörspiel zu einer künstlerischen Gattung erhoben, die mit dichterischen Maßstäben gemessen wird. Hier einige Titel: „Urwald“, „Die verschlossene Tür“, „Das Schiff Esperanza“, „Ich höre Namen“, „Die Aufgabe von Siena“, „Der Palast der Armen“ (1956), „Dichter Nebel“ (1961), „Das Fenster“, „Die blaue Küste“. Das wohl bekannteste seiner Hörspiele, „Das Schiff Esperanza“ (1953) wurde in viele Sprachen bis hin nach Afrika und Japan übersetzt. Das Hörspiel „Die verschlossene Tür“ (1951) handelt von einem deutschbaltischen Baron, der auf dem ihm zugewiesenen Gut im Wartheland den jüdischen Eigentümer entdeckt und lange Zeit vor der SS versteckt.

Hoerschelmann wird als sehr bescheidener, stiller Mensch geschildert. Dennoch hatte er viele Freunde, in Hapsal und in Deutschland. Jenen, die selbst schrieben, war er ein Wegweiser im Bemühen um wahrhaftige Aussage und reine Sprache. Er starb in Tübingen, wo seine Schwester Senta sich niedergelassen hatte, am 2. Juni 1976 nach langer schwerer Krankheit im 75. Lebensjahr.

Lit.: Kürschner; Erika Werckmeister: Hapsal. Jahrbuch des baltischen Deutschtums. Band XXH/1975, Lüneburg 1974; Erika Werckmeister: In Memoriam Fred von Hoerschelmann. Jahrbuch des baltischen Deutschtums, Band XXIV/1977, Lüneburg 1976; Hagen Schäfer, Das Hörspielwerk Fred von Hoerschelmanns, Literarische Landschaften, herausgegeben im Auftrag der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Band 14, 2013.