Biographie

Hollar, Wenzel

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Kupferstecher
* 13. Juli 1607 in Prag
† 28. März 1677 in London

Am 13. Juli 1607, vor 400 Jahren, wurde in Prag Wenzel Hollar geboren, einer der bedeutendsten deutschen Kupferstecher. Die Familie stammte aus Horaschowitz bei Klattau. Sein Vater Johann Hollar war Jurist, Beamter am Prager Hof, und hatte unter drei deutschen Kaisern Karriere gemacht; Wenzel war sein ältester Sohn. Schon in dessen Jugend offenbarte sich der Drang zum Zeichnen und zur Druckgrafik; 1626 entstanden vier Ansichten von Prag und Umgebung. 1627 begab sich Wenzel Hollar nach Frankfurt am Main in die Lehre des schon damals berühmten Matthäus Merian, verblieb dort zwei Jahre in der florierenden Werkstatt und arbeitete für Merians Topographien. 1629 zog Hollar über Stuttgart nach Straßburg und machte sich dort selbständig. Für seine Radierungen, die für den Markt gefertigt wurden, wie beispielsweise 1630 vom Straßburger Münster, waren zuvor Zeichnungen zu fertigen. Im Laufe des Lebens wurden es weit mehr als eintausend. Für 1629/30 ist eine Rheinreise überliefert. Bald danach wählte Hollar Köln als seinen ständigen Aufenthaltsort mit neuer Werkstatt. Er arbeitete auch weiterhin für die Verlage von Merian, Abraham Hogenberg u.a., und hier entstand eine sechzehnteilige Ansicht von Köln, die allerdings erst 1656 veröffentlicht wurde. Zwischendurch hielt sich Hollar 1632 in Mainz und Frankfurt, 1634 in den Niederlanden auf. Er hatte offensichtlich ein Gespür dafür, wo die Zentren seiner Kunst in jenen Tagen lagen.

Sein weiteres Leben bestimmte der britische Sonderbotschafter Thomas Howard, Earl of Arundel, der im April 1636 auf dem Wege zum Kaiserhof durch Köln kam. Arundel, einer der größten Kunstkenner und Sammler seiner Zeit, hatte einen Chronisten bei sich, der ein Tagebuch der Reise führen sollte, und engagierte Hollar als Reisezeichner. Es ging rheinaufwärts nach Mainz, wegen der unsicheren Zeiten und ständiger Überfälle auf dem Wasser zu Schiff. Von ihm aus zeichnete Wenzel Hollar die Burgen und Städte am Mittelrhein und wurde zum zuverlässigen Chronisten, wie auch auf dem weiteren Weg über Würzburg und Nürnberg nach Regensburg und die Donau entlang nach Wien, später über Mähren nach Prag. Zum letzten Mal sollte Hollar in seiner Vaterstadt weilen.

Ende Dezember 1636 war die Gesandtschaft wieder in London, mit ihr auch der Künstler. Er blieb bis 1644 in London, lebte inmitten der Sammlungen des Earl of Arundel, die er in Radierungen wiedergab, erledigte ein enormes Arbeitspensum, heiratete 1641 bescheiden eine Kammerfrau. Auf Empfehlung seines Dienstherren wurde er sogar Zeichenlehrer des Thronfolgers, des späteren Königs Karl II. Noch vor der Verurteilung von König Karl I. und dessen vom Parlament erzwungenen Hinrichtung flüchtete Arundel mit einem Teil seiner Sammlungen 1642 nach Antwerpen. 1644 kam auch Hollar nach Antwerpen. Sein Aufenthalt dort bis 1651 bildet den Höhepunkt in seinem Schaffen. Hier waren die berühmten Rubens-Stecher am Werk, gab es Europas leistungsfähigste Verlage.

In England regierte mittlerweilen Oliver Cromwell mit eiserner Hand. Hollar wagte es, mit seiner Familie nach London zurückzukehren; es begannen schwierigste Jahre. 1665 erlagen Frau und Sohn der Pest; 1666 wurde London von einem verheerenden Stadtbrand heimgesucht. Im Jahre 1668 schickte die britische Regierung Hollar als Reisezeichner einer Expedition nach Tanger. Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte der Künstler in Armut.

Der Verfasser des Werkverzeichnisses aller Kupferstiche und Radierungen von Wenzel Hollar, Gustav Parthey, trug im 19. Jahrhundert über 2.700 grafische Arbeiten zusammen. Neben getreuen topografischen Wiedergaben spiegeln vor allem Darstellungen mit Pelzwerk, von Frauentrachten, Hund und Katze sowie Insekten Hollars geniales Können. Sein Sinn für Schönheit paarte sich mit seiner Begeisterung für Landschaft und Natur. Dies wird auch in hunderten von Zeichnungen deutlich, wie diese 1938 veröffentlicht von Franz Sprinzels wurden, der sich nach seiner erzwungenen Emigration nach England Francis Springell nannte. Bedeutende Sammlungen von Wenzel Hollars Zeichnungen befinden sich in Prag, London, Windsor Castle und Berlin.

Hollar ist eine Persönlichkeit von europäischem Rang und war wohl auch in seiner Wanderschaft von multinationaler Gesinnung; er sprach Tschechisch, Deutsch, Englisch und Niederländisch. Die Summe seines Lebens war Rastlosigkeit, auch in der Arbeit. Er hatte sein Leben der Kunst der Grafik gewidmet.

Lit.: Gustav Parthey, Wenzel Hollar. Beschreibendes Verzeichnis seiner Kupferstiche, Berlin 1853.Nachdruck Amsterdam 1963. – Arthur Hind, Wenceslaus Hollar and His Views of London and Windsor in the 17th Century, London 1922. – W. Spies, Wenzel Hollar.Rheinlandschaften, Düsseldorf 1926. – Johannes Urzidil, Wenceslaus Hollar, Leipzig 1936. – Franz Sprinzels, Hollar.Handzeichnungen, Leipzig 1938. – Francis Springell, Connoisseur & Diplomat. The Earl of Arundels Embassy to Germany in 1636, London 1963. – M. Kratochvil, Hollars Journey on the Rhine, Prag 1965.Deutsche Ausgabe Prag 1966. – Vladimir Denkstein, Wenceslaus Hollar. Zeichnungen, Prag 1977. Deutsche Ausgabe Hanau 1979. – Ausstellungskatalog: Manchester, Art Gallery 1963; Paris, Institut Neerlandais 1979; London, British Museum 1983; Prag, Narodni Galerie 1983; Berlin, Kupferstichkabinett 1984; Karlsruhe, Kunsthalle 1990; New Haven, Yale Center 1994.Richard Pennington: A descriptive catalogue of the etched work of Wenceslaus Hollar.Cambridge 1982.

Bild:Wenzel Hollar, Die Kathedrale von Antwerpen, Zeichnung, Berlin, Kupferstichkabinett,Privatarchiv des Autors.