Biographie

Hollaz (Hollatius), David

Herkunft: Pommern
Beruf: Theologe der Lutherischen Orthodoxie
* 1. Januar 1648 in Wolkow bei Stargard
† 17. April 1713 in Jakobshagen Kr. Saatzig

Die Vorbereitung auf das Theologiestudium durchlief Hollaz an den Höheren Schulen in Stargard und Landsberg a.W. Es folgte ein ausgedehntes Studium der klassischen Sprachen und des Hebräischen in Erfurt und daraufhin der Theologie in Wittenberg. Unter Hollaz’ Lehrern waren die führenden Schulhäupter der lutherischen Orthodoxie, Calov, Quenstedt und Kirchmayer. 1670 erwirbt er den Magistergrad und wird Prediger in Pützerlin, ab 1681 zugleich in Stargard. 1683 kommt ein Konrektorat in Stargard dazu, 1684 dann wird er Konrektor des Lyzeums in Kolberg und acht Jahre später Propst in Jakobshagen. Das Werk, für das Hollaz bis heute bekannt geblieben ist, das Examen theologicum acroamaticum (1707, 81763), war zunächst für seine Schüler in Kolberg abgefasst. Es erreichte in den folgenden fünfzig Jahren aber mehrere Auflagen und etablierte sich als verbindliches, letztes großes System der orthodoxen lutherischen Theologie. Hollaz integrierte die dogmatischen Auffassungen seiner Lehrer und des Altmeisters der Orthodoxie Johann Gerhardt.

Der systematischen Geschlossenheit des Entwurfs entspricht das didaktische Geschick einer Anordnung der Loci nach Frage und Antwort.

Für Hollaz ist die Theologie „sapientia eminens practica“. Ihre Lehre ist also nicht theologische Theorie als Selbstzweck. Vielmehr vermittelt sie die für den Glauben an Jesus Christus und die Heiligung des Irdischen notwendigen Lehrstücke. Die natürliche Vernunft kann zwar nach Hollaz einen Begriff von Gott gewinnen, dessen faktische heilsgeschichtliche Offenbarung in Christus bleibt ihr verschlossen. Sie eröffnet sich nur im Licht der Offenbarung der Heiligen Schrift. Dabei geht Hollaz von der Verbalinspiration des Wortes Gottes aus. Die Ethik wird dabei in die Dogmatik verschränkt dargestellt. Er entwickelt im ersten Teil seines Examen Gottes- und Schöpfungslehre, auf die ethisch die Zielsetzung des Lebens in Christus folgt. Das christliche Leben als Gottes Geschöpf soll innerweltlich zur Glückseligkeit und zugleich über dieses Leben hinaus zum ewigen Leben führen.

Im zweiten Teil wird die Anthropologie entwickelt: Der Mensch ist in der Gottebenbildlichkeit geschaffen worden, aber in die Sünde gefallen. Durch das Heilshandeln Gottes in Christus wird er gerechtfertigt, bleibt aber in Spannung Gerechter und Sünder: „Simul iustus et peccator“. Im dritten Teil entwickelt Hollaz die Lehre von den Heilsursachen und Heilsmitteln: Einzig die von außen kommende Gnade des Heiligen Geistes bewirkt das Heil im Menschen. So irenisch Hollaz’ Ansatz gegenüber den innerprotestantischen kontroverstheologischen Debatten ist, ist hier eine klare Gegenkonzeption zu Mystizismus und Erfahrungstheologie des beginnenden Pietismus zu erkennen. Hollaz hat in seiner Spätschrift Scrutinium veritatis in mysticorum dogmata (1711) die Auseinandersetzung mit dem Pietismus ausdrücklich geführt. Nach seinem Tod bezog sein Sohn, der Erbauungsschriftsteller David Hollaz, in postumen Auflagen diese kontroverstheologischen Texte in das Examen ein.

Hollaz selbst beschreibt die Gnadenwirkung in der Schrittfolge Berufung, Erleuchtung, Bekehrung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Einwohnung des Heiligen Geistes und Erneuerung durch ihn, sowie Bewahrung und Verherrlichung: eine Konzeption, die durchaus auf pietistische Theologoumena hin offen ist.

Im vierten Teil des Werkes entwickelt Hollaz die Lehre von der Kirche im Zusammenhang mit den Erhaltungsordnungen von Staat und Gesellschaft. Jeder Artikel mündet in erbauliche Betrachtungen und in teilweise sehr schöne und tiefe Gebetsbetrachtungen. Die „Pietas“ gegenüber Gott soll schließlich auch die weltlichen Magistrate als Zielsetzung bestimmen. Gleichwohl hält Hollaz an der klassischen lutherischen Trennung der zwei Reiche, des weltlichen und des geistlichen, fest.

Von eigener Bedeutung für die Verhältnisbestimmung von Frömmigkeit (Pietas) und Religion sind die Prolegomena des Werkes. Hollaz unterscheidet darin wahre und falsche Theologie und bestimmt als Kennzeichen der ersteren, dass sie auf dem Glauben (fides) an Christus beruht. Die Theologie darf demgemäß nicht auf Scholastik begrenzt sein. Sie muss auch eine spirituelle und mystische Dimension aufweisen. Ebenso unterscheidet er eine falsche, allgemeine, vom menschlichen Kultus ausgehende Religion von der wahren Religion. In bemerkenswerter Weise betont der Ireniker Hollaz die Zugehörigkeit auch der römisch-katholischen, reformierten und sozinianischen „Sekten“ zum einen verbindlichen christlichen Glauben. Kriterium der Rettung ist für sie alle die Zugehörigkeit zu Jesus Christus.

Hollaz hat Summe und systematisches Fazit der lutherischen Theologie zugleich niedergelegt. Die Neologen der Aufklärung, die die natürliche Gotteserkenntnis aufwerten und vom Deismus nicht unbeeinflusst blieben, können auf der Hintergrundfolie seines Konzeptes ebenso besser verstanden werden wie die unterschiedlichen Strömungen des Pietismus, deren Innerlichkeit nach Hollaz’ Auffassung die Autorität der Heiligen Schrift und die Einmaligkeit (ephapax) des Heils in Christus zu verdunkeln drohen. Der geringen Originalität ist es wohl geschuldet, dass Hollaz’ Werk selten zum Gegenstand eigenständiger theologiegeschichtlicher Forschung wird, so eminent bedeutsam es für die Geschichte der evangelischen Theologie auch ist.

Lit.: E. Feil, Religio, Band 3: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Göttingen 22012, S. 70-76. – W. Gaß, Geschichte der protestantischen Dogmatik II, Berlin 1854, S. 495-506. – J. Reinhard, Die Prinzipienlehre der lutherischen Dogmatik 1700 bis 1750, Leipzig 1906, S. 5-39. – Q. Stewart, Lutheran Patristic Catholicity. The Vincentian Canon and the Consensus Patrum in Lutheran Orthodxy. Münster/Wien 2015, S. 179f.

Bild: Wikipedia.

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hollaz

Harald Seubert