Biographie

Hollinger, Rudolf

Herkunft: Banat
Beruf: Schriftsteller, Germanist
* 13. August 1910 in Temeschburg/Banat
† 7. Januar 1997 in Langenau bei Ulm

Der Banater Dichter und Wissenschaftler, in „Klein-Wien“ – wie man Temeswar gern zu bezeichnen pflegte – geboren, bekennt offen den Sinn seines Lebens: „Das Zentralproblem meines Lebens ist die Kunst, um sie kreist all mein Denken, mein Bestreben. Jeder Schritt meines Lebens führt mich zur ihr, jedes Erlebnis, mag es zuweilen etwas Fragwürdiges an sich haben, bereichert nur meine Fähigkeit zu schaffen, dem unendlich näher zu kommen, was Kunst ist, echte, wirkliche Kunst, vollkommene Kunst …“ Selbst die schwersten Schicksalsschläge konnten ihn von diesem sich selbst vorgezeichneten Weg nicht abbringen.

Nach Abschluß des Temeswarer Realgymnasiums studierte Hollinger zunächst ein Jahr, 1929-30, Jura in Klausenburg (Siebenbürgen), entschied sich dann aber für Germanistik und Anglistik und übersiedelte 1930 nach Wien, wo er sich auch dem Studium der italienischen, altägyptischen und schwedischen Sprache zuwandte. 1934 promovierte er bei Prof. Dr. Josef Nadler zum Dr. phil.

Von 1936-1944 wirkte Hollinger als Lehrer in Temeswar: zunächst am Deutschen Realgymnasium, dann an der Pädagogischen Lehranstalt und schließlich als Direktor des Deutschen Knabengymnasiums (Banatia). Die Nachkriegszeit traf auch Hollinger schwer: bis 1948 stellenlos, dann für kurze Zeit (Februar-Oktober 1948) als Dozent für deutsche Sprache an der Technischen Hochschule in Temeswar tätig, dann abermals stellenlos und hernach als Beamter und schließlich als „Techniker“ in einem Betrieb „untergebracht“, wurde Hollinger 1956 erneut als Hochschullehrer berufen: diesmal an die Philologische Fakultät der neugegründeten Universität Temeswar. Zwei Jahre später wieder entlassen und als unqualifizierte (!) Arbeitskraft in denselben Betrieb abgeschoben. Im Herbst 1962 verfügte der damalige Unterrichtsminister Hollingers Rückversetzung an die Universität, wo er am Lehrstuhl für Germanistik bis zu seiner Emeritierung, 1971, Vorlesungen über „Deutsche Literatur“, „Stilistik“ und „Anglistik“ halten durfte. Der kompetente Wissenschaftler Dr. Hollinger brillierte fachlich und „menschlich“; als Lehrer erfreute sich Dr. Hollinger äußerst großer Beliebtheit, weil sein Credo an die Jugend auch in schweren Zeiten nie ins Wanken geriet: „Ich kam an die Uni und gewann meine Studenten für mich. Das war der schönste Sieg meines Lebens …“ Mit Hermann Hesse stand er in Briefwechsel und fand auch als Dichter wohlverdiente Anerkennung.

Während der Wiener Studienzeit beginnt Hollinger als Mitarbeiter der in Temeswar erscheinenden „Banater Monatshefte“, Gedichte und literaturkritische Beiträge zu veröffentlichen, in denen er sich mit Werken Carossas, Weinhebers, den er in Wien kennenlernte, Georg Brittings u.a. auseinandersetzte. Im 4. Band seiner 1941 erschienenen, „Literaturgeschichte des Deutschen Volkes“ weist Prof. Dr. Josef Nadler, über die Banater Dichtung schreibend, auf Hollingers Verdienste hin. Während des Zweiten Weltkriegs entstanden Hollingers „Diviner Elegien“. Seine bedeutendste „lyrische Schaffensperiode“ fällt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: Es sind dies die fünfziger und sechziger Jahre. Hollingers dramatische Arbeiten kreisen um zwei für sein Leben so bedeutende Pole: Kunst und Geschichte: Er siedelt seine Bühnenwerke meist im Intellektuellen-Milieu an und läßt zuweilen in langen Monologen ästhetisch-philosophische Betrachtungen hervorstechen. Von Hollingers historischen Dramen sind zwei besonders erwähnenswert: „Echnaton, König von Ägypten“ und „Die Feuerkrone. Dózsas Kampf und Verklärung“.

Hollingers wissenschaftliche Tätigkeit erfaßt die Bereiche Literaturgeschichte, -theorie und -kritik sowie Sprachwissenschaft. Als Mitarbeiter der bereits erwähnten „Banater Monatshefte“ schrieb er zunächst Rezensionen und gestaltete mit Anton Valentin die Bücherschau. Zwischen 1940-42 erschienen unter anderen drei auf die Banater Literatur bezogene Arbeiten: Junge Banater Dichtung“, „Banater Dichtung der Gegenwart“, „Adam Müller-Guttenbrunn – der Erwecker des Donaudeutschtums“. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg tritt Hollinger erst in den späten sechziger Jahren mit literaturkritischen Arbeiten an die Öffentlichkeit. In den fast zwei Jahrzehnten „innerer Emigration“ arbeitete er an seiner derzeit noch ungedruckten „Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart“, ein Werk von zirka 2000 Seiten, das den Fachleuten und ehemaligen Studenten z.T. aus Vorlesungen bekannt ist. Eine weitere, in Manuskript-Form gebliebene Arbeit ist Hollingers umfangreiche „Faust-Interpretation“. Zahlreiche Arbeiten sind bereits in der rumäniendeutschen Presse und in der Bundesrepublik Deutschland erschienen: „Nicht Minne, sondern Liebe“, „Der Weg zum Gedicht“, „Das moderne Gedicht“, „Wege zur Moderne“, „Die deutsche Lyrik der Gegenwart“ u.a. Bahnbrechend sind seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten „Die deutsche Umgangssprache von Alt-Temeswar“ und „Das Stadtdeutsch von Temeswar“. Ebenso interessant und wertvoll sind Hollingers „Betrachtungen über Literatur und Kunst“, ästhetisch-philosophische „Gedankensplitter“, wie er sie selbst nannte, desweiteren seine Maximen und Aphorismen. Daß aber viele seiner Arbeiten (noch) nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten, liegt daran, daß Rudolf Hollinger in Temeswar zurückgezogen lebte und erst Ende 1980 in die Bundesrepublik Deutschland umsiedelte.

Lit.: Josef Nadler, „Literaturgeschichte des Deutschen Volkes“, Berlin, 1941, Bd. 4,; Walter Engel, „Deutsche Literatur im Banat (1840-1939), Heidelberg 1982; Rudolf Hollinger, „Die Banater Dichtung der Gegenwart“, Temeswar, 1941; R. Hollinger, „Adam Müller-Guttenbrunn – der Erwecker des Donaudeutschtums“, Temeswar, 1942; Hans Dama, „Hollinger-Abend in Wiener Literaturklub. Briefe des Temeswarer Dichters und Wissenschaftlers an Hermann Hesse“. In: Der Donauschwabe Aalen, Nr. 49/Jahrgang 33; Hans Dama, „Rudolf Hollinger. Dichter und Wissenschaftler aus dem Banat.“ In: „Südostdeutsche Vierteljahresblätter“, Mönchen, 32. Jahrgang, Folge 4/1983, S. 295-302.