Biographie

Homeyer, Eugen Ferdinand von

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Herkunft: Pommern
Beruf: Ornithologe
* 11. November 1809 in Nerdin, Kr. Anklam/Pommern
† 31. Mai 1889 in Stolp/Pommern

Eugen Ferdinand v. Homeyer wird unter den Fachkundigen der Avifauna als der „Vater der Ornithologie Pommerns“ bezeichnet. Er hatte, nach heutigen Maßstäben von Fachkunde und entsprechender akademischer Ausbildung, einen völlig anderen Weg eingeschlagen, um sich ein umfassendes Wissen innerhalb der Vogelkunde anzueignen. Für damalige Verhältnisse war es allerdings für einen Sohn aus adligem Hause, ausgerüstet mit der Liebe zur Natur in seiner vorpommerschen Heimat, keine Seltenheit, seine Neigungen ohne die anfangs genannte Vorbildung zu entwickeln und diese mehr oder minder zum Beruf zu machen. Zudem hatte v. Homeyer das Glück, daß sein Vater seine naturkundlichen Aktivitäten von Jugend auf förderte und ihn auch mit den entsprechenden Mitteln ausstatten konnte.

Sein Vater war Gottlieb v. Homeyer (Reichsadel 1797), Oberamtmann und Pächter des Vorwerks Nerdin, sein Großvater Johann Ernst v. Homeyer, Pächter des Gutes Leistenow, Kr. Demmin/ Pommern.

Krankheit hinderte ihn daran, die Schule vollständig zu absolvieren und die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Eugen v. Homeyer wurde Landwirt und bewirtschaftete zunächst den eigenen Besitz, dann Pachtgüter.

Bereits in dieser Zeit, im Jahre 1837, gab er eine „Systematische Übersicht der Vögel Pommerns mit Rücksicht auf den allgemeinen Charakter des Landes, das örtliche und quantitative Vorkommen der Vögel, ihre Lebensart, ihren Zug und ihre Abänderungen, nebst Beiträgen zur beschreibenden Naturgeschichte“ in Anklam heraus. Dieses Werk ist die einzige pommersche Vogel-Fauna mit einer Beschreibung von 283 Vogelarten im pommerschen Raum. Im Jahre 1852 erwarb er das Rittergut Warbelow, Kr. Stolp, verkaufte aber diesen Besitz nach dem Tode seiner Frau (Philippine Ladewig, 1814-1872) wieder und wohnte von 1874 an in Stolp. Ab dieser Zeit begann er, viel zu publizieren. Mit seinem Neffen, Alexander v. Homeyer (geb. 19.l.1834 in Vorland bei Grimmen/Pommern, gest. 14.7.1903 in Greifswald) verband ihn nicht nur die Liebe, ja, fast Leidenschaft zur Ornithologie. Beide schöpften sie ihr Wissen aus aufmerksamer Beobachtung der Tierwelt und vor allem aus Sammlungen. Mit Hilfe des Naturalienhändlers Rudolf Tancré aus Anklam, Sohn eines Seifenfabrikanten und Ratsherrn der Stadt Anklam, und eines weit verzweigten Freundeskreises konnten beide v. Homeyers großes Material zusammentragen. Eugen Ferdinand v. H. brachte es allein auf 8000 Bälge und viele Vogeleier und -nester. Er versuchte, durch geschulte Beobachtungen unter freiem Himmel eine Antwort zu finden auf Fragen über Schaden oder Nutzen der Tiere, das Phänomen des Vogelzuges vor allem und die Bedingungen, unter denen gleiche Arten an verschiedenen geographischen Orten Veränderungen zeigen. Im Jahre 1878 unternahm Eugen v. H. mit Erzherzog Rudolf, dem Kronprinzen von Österreich, und Alfred Edmund Brehm – dem wohl allseits bekannten Verfasser von „Brehm‘s Tierleben“ – eine Studienfahrt nach Ungarn und Slavonien. Der Verfasser des Berichtes ist Kronprinz Rudolf selbst, vor allem der ornithologischen Beobachtungen dieser Reise, die er in seinem Buch „15 Tage auf der Donau“ niedergeschrieben hat. E. v. H. korrespondierte mit fast allen damals bekannten und in der Fachwelt angesehenen Kennern der Vogelkunde. 1881 gab er Teile dieses Gedankenaustausches unter dem Titel „Ornithologische Briefe, Blätter der Erinnerungen an seine Freunde“ in Berlin heraus. Im gleichen Jahr erscheint von ihm eine Publikation „Die Wanderungen der Vögel mit Rücksicht auf die Züge der Säugetiere, Fische und Insekten“ in Leipzig. In der Zeitschrift der Ornithologischen Vereinigung Stettin, 1885, beschreibt er seinen pommerschen Lieblingsvogel „Der Küstenpieper (Avis aquaticus)“. Zahlreich sind auch seine Aufsätze, die in den verschiedensten vogelkundlichen Fachzeitschriften erschienen sind. Sein fundamentales Wissen als Pragmatiker verhalf v. H. zu hohem Ansehen in der Fachwelt. Er war Ehrenmitglied mehrerer naturwissenschaftlicher Gesellschaften und gehörte auch seit 1884 der Leopoldina an, der Deutschen Akademie der Naturforscher, der ältesten naturwissenschaftlich-medizinischen Gesellschaft, seit 1878 bis heute mit Sitz in Halle/Saale.

Leider konnte v. H. kein Gerüst eines exakten Vogelsystems entwickeln. Zwei Dinge standen dem entgegen: Einmal reichte sein Untersuchungsmaterial, das sich nur auf Europa und die Paläarktis beschränkte, nicht aus, um für eine Systematik umfassend zu sein, zum anderen war er, dessen Jugend im Zeichen der Naturphilosophie gestanden hatte, ein leidenschaftlicher Gegner der Darwinschen Theorie. Er beharrte auf dem Standpunkt, daß sich die heutigen Arten nicht auf evolutionärem Wege, sondern i. S. der Cuvierschen Katastrophenlehre entwickelt haben. Bei der Fusion alter Gesellschaften zu einer einzigen Ornithologischen Gesellschaft wurde ihm 1875 der Vorsitz übertragen. Aber bei seiner eigenwilligen Haltung, neue Erkenntnisse der Naturwissenschaften nicht anzuerkennen, blieb der Widerspruch von Fachkollegen nicht aus, er verlor seinen Vorsitz acht Jahre später wieder. Eine enge Freundschaft verband ihn mit der Familie Blasius in Braunschweig. Posthum wird von Dr. Rudolf Blasius, Arzt und Zoologe, noch aus dem nicht mehr veröffentlichten Werk v. H.s „Die Vögel Norddeutschlands“ als 2. verbreiterte Auflage „Die Vögel Pommerns“ im „Neuen Naumann“ zitiert. Dr. Wilhelm Blasius, Prof. f. Zoologie und Botanik an der TH, war Leiter des Naturhistorischen Museums in Braunschweig, dorthin ist auch die umfangreiche Sammlung v. H.s nach dessen Tod gekommen. Eugen v. Homeyers großes Verdienst besteht darin, für Pommern die Grundlagen auf dem Gebiet der Vogelkunde geschaffen und den Weg für spätere Forschungen aufgezeigt zu haben.

Lit.: Gebhardt, Ludwig, Die Ornithologen Mitteleuropas, München 1964. – Koske, F., Über die Ornithologische Literatur Pommerns, Greifswald 1920.