Biographie

Homeyer, Eugen Ferdinand von

Herkunft: Pommern
Beruf: Ornithologe
* 11. November 1809 in Nerdin, Kr. Anklam/Pommern
† 31. Mai 1889 in Stolp/Pommern

„Wenn wir auch in unseren Ansichten nicht überall übereinstimmen, … so wird uns das nicht hindern, unsere Ansichten auszutauschen und in wesentliche Berücksichtigung zu ziehen, schon aus dem Grunde, weil dieselben beiderseits auf langen, mühsamen und eifrigen Studien begründet sind und nur den Zweck im Auge haben, der Wissenschaft zu dienen.“ Diese Worte des pommerschen Ornithologen Eugen Ferdinand von Homeyer in einem Brief vom 3. März 1881, acht Jahre vor seinem Tod, an einen Kollegen in Anklam zeigen Grundzüge seines Wesens auf, die sein Wirken bestimmten: Seine vogelkundlichen Forschungen beruhten auf überaus gründlichen Studien im Feld und an Vogelbälgen. Er bildete sich ausgeprägte eigene Überzeugungen, die nicht immer mit der „herrschenden Meinung“ übereinstimmten. Sein ganzes Streben diente dazu, die biologische Wissenschaft, mit Schwerpunkten auf den Gebieten der Systematik und Klassifikation der Vögel und des Vogelzuges, voranzubringen.

Eugen Ferdinand von Homeyer wurde am 11. November 1809 in Nerdin bei Anklam in Vorpommern geboren, wo sein Vater eine gepachtete Domäne betrieb. Den Schulbesuch auf dem Gymnasium in Rostock musste Eugen vor dem Abitur wegen einer schweren, anhaltenden Krankheit abbrechen. Er widmete sich seitdem im elterlichen Betrieb und auf verschiedenen Gütern Vorpommerns der Landwirtschaft. Nach der Heirat 1840 mit Philippine Ladewig pachtete er die Güter Darsin (heute: Darźyno) und Pattengow (heute: Potęgowo) östlich Stolp (heute: Słupsk) in Hinterpommern. Im Jahre 1852 erwarb er das Rittergut Warbelow (heute: Warblewo) bei Stolp, das er mehr als zwanzig Jahre lang nicht nur agrarisch bewirtschaftete, sondern wo er auch einen großzügigen Landschaftspark anlegen ließ. Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau verkaufte er 1874 das Gut, siedelte nach Stolp über und widmete sich dort ganz der Ornithologie.

Der Grundstock für die Entwicklung zu einem der führenden deutschen, ja, europäischen Ornithologen des 19. Jahrhunderts wurde bereits in Homeyers früher Jugend gelegt. Seine Krankheit als Kind hinderte ihn daran, Soldat zu werden und die Offizierslaufbahn einzuschlagen, wie das damals für einen jungen preußischen Adligen üblich war. Stattdessen wurde er unter Anleitung seines naturliebenden Vaters frühzeitig mit der Natur, vor allem mit der Vogelwelt seiner Heimat, vertraut, die ihn immer mehr fesselte. Seinem Vater verdankte er vor allem das genaue, scharfe, auch kleinste Einzelheiten berücksichtigende, kritische Beobachten. Auch später, als er auf verschiedenen gepachteten Gütern selbst als Landwirt tätig war, blieb er in engem Kontakt mit der Natur. So entwickelte sich nicht (nur) am Schreibtisch, sondern „vor Ort“ seine von Kollegen gerühmte hervorragende Beobachtungsgabe und umfassende Kenntnis der Artenvielfalt und des Verhaltens der Vögel.

Schon damals begann auch seine Sammelleidenschaft. Er legte sich Sammlungen von Vogelbälgen, Vogelnestern, Vogeleiern und ausgestopften Vögeln an. Durch das damals unter den Ornithologen übliche Tauschwesen erweiterte er seine Sammlung im Laufe der Jahre mehr und mehr. In seinem umfangreichen Schriftwechsel mit fast allen führenden Ornithologen seiner Zeit findet man immer wieder Sätze wie „… habe ich Ihnen noch verbindlichst zu danken für den schönen jungen Ortolan …“ (J. F. Naumann vom 24. Januar 1846); „… Da Sie dieses Frühjahr nach Rügen gehen wollen, bitte ich Sie dringend, mir von allen dort brütenden Vögeln … ein gepaartes Paar zu verschaffen …“ (Ch. L. Brehm vom 30. März 1833); „… Saxicola kann ich Ihnen sogleich ablassen; allein von den Blaukehlchen kann ich Ihnen Cyanecula suecica et orientalis … nicht versprechen, die andern stehen zu Diensten …“ (Ch. L. Brehm vom 17. Februar 1837). Im Laufe der Jahre vergrößerte sich Homeyers Sammlung so beträchtlich, dass sie zu den bedeutendsten deutschen Sammlungen paläarktischer Vögel gerechnet wurde. Sie umfasste bei seinem Tode fast 6.800 Vögel, 5.000 Vogeleier und 160 Vogelnester. Sie ist bis heute erhalten und befindet sich im Naturhistorischen Museum in Braunschweig.

Unter den vogelkundlichen Reisen Homeyers in Deutschland und Österreich-Ungarn, z. B. alljährlich nach Rügen, mehr als einen Monat auf die Nordseeinseln, stellt eine Reise einen Höhepunkt in seinen ornithologischen Aktivitäten dar: die Donau-Reise nach Ungarn und Slawonien im Jahre 1878. An ihr nahmen außer ihm der bekannte angesehene Autor von Brehms Tierleben Alfred Edmund Brehm, Sohn des „Vogelpastors“ Christian Ludwig Brehm, sowie Kronprinz Rudolf von Österreich teil, der bis zu seinem tragischen Ende auf Schloss Meyerling Mitglied der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft war. Über die Erlebnisse und Ergebnisse dieser Reise, auf der 126 Vogelarten, darunter 20 Greifvogelarten, festgestellt werden konnten, haben die Beteiligten in mehreren Veröffentlichungen berichtet.

Seine Erkenntnisse und Auffassungen zu vogelkundlichen Problemen finden sich zum einen in zahlreichen Briefen mit fast allen namhaften Ornithologen seiner Zeit, zum anderen in mehr als 200 Aufsätzen, die er in ornithologischen, naturkundlichen und jagdlichen Fachzeitschriften veröffentlichte, schließlich auch in mehreren Einzelwerken. Sein erstes Werk, die Systematische Übersicht der Vögel Pommerns, das er schon als 28-Jähriger im Jahre 1837 (mit einem Nachtrag von 1841) veröffentlichte, gilt als wesentliche Grundlage der pommerschen Avifauna. In diesem Erstwerk sind 283 Vogelarten behandelt. Weitere Einzelwerke erschienen erst wieder seit 1877 (s. u. „Werke“).

Gegenüber den Lehren des im selben Jahre wie er geborenen Charles Darwin zur Evolution und zur Entstehung der Arten verhielt sich Homeyer strikt ablehnend. Er, der Praktiker, hielt bis zuletzt starr an seiner auf Georges Cuvier gegründeten Überzeugung fest, dass sich die heutigen Arten nicht auf evolutionärem Wege entwickelt haben, sondern dass das Leben periodisch durch Katastrophen vernichtet und wieder erschaffen wird. Damit stieß er bei der Mehrzahl seiner Kollegen freilich auf wenig Verständnis.

Das Ansehen, das sich Homeyer erworben hatte durch seine Veröffentlichungen, durch seine engen persönlichen Kontakte zu fast allen anderen deutschen Ornithologen, wie auch durch viele Diskussionsbeiträge auf ornithologischen Tagungen, führte dazu, dass er im Jahre 1876 – nach der Fusionierung der bis dahin bestehenden zwei deutschen ornithologischen Gesellschaften erster Präsident der neuen gemeinsamen Organisation wurde: der Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. Dieses Amt hatte er sieben Jahre inne. Dann verlor er es im Jahre 1883 nach heftigen Zerwürfnissen, die er durch sein Verhalten selbst heraufbeschworen hatte. Diese gingen zurück auf seine im vorrückenden Alter zunehmende, nicht mehr beherrschbare Tendenz zu aggressiv-verletzender Polemik gegen Kollegen, die andere Auffassungen vertraten als er. Er setzte damit sein großes Ansehen – unnötig – aufs Spiel.

Das aber ändert nichts daran, dass sich Eugen Ferdinand von Homeyer um die biologische Erforschung der europäischen Vogelwelt hohe Verdienste erworben hat. Er starb nach einem Schlaganfall am 31. Mai 1889 in Stolp und wurde auf seinem früheren Besitz Warbelow beigesetzt.

Werke:Systematische Übersicht der Vögel Pommerns, Anklam 1837, mit Nachtrag von 1841. – Deutschlands Säugetiere und Vögel, ihr Nutzen und ihr Schaden, Leipzig 1877. – Die Spechte und ihr Wert in forstlicher Beziehung, Frankfurt am Main 1879. – Reise nach Helgoland, den Nordseeinseln Sylt, Lyst etc., Frankfurt am Main 1880. – Ornithologische Briefe. Blätter der Erinnerung an seine Freunde, Berlin 1881. – Die Wanderungen der Vögel mit Rücksicht auf die Züge der Säugetiere, Fische und Insecten, Leipzig 1881.

Lit.:K. Falk & K. Hilliger, E. F. von Homeyer und die ornithologische Wissenschaft, in: Gefiederte Welt, Bd. 18,1889, S. 396-398, 409, 416-417, 438-439, 448, 458-460, 470-471. L. Gebhardt, Die Ornithologen Mitteleuropas, Gießen 1964, S. 246-247. – E. Martert, Eugen Ferdinand von Homeyer, sein Streben und Schaffen, in: Journal für Ornithologie Bd. 37, 1889, S. 231-236. – J. Neumann, Eugen Ferdinand von Homeyer, zum 100. Todestag, in: Falke Jg. 36, 1989, S. 393395. – Pietsch, Eugen Ferdinand von Homeyer †, in: Ornithologische Monatsschrift Bd. 14, 1889, S. 242-246.

Bild:Bleistiftzeichnung von Dan Schlesinger nach einem Foto aus dem Naturkundemuseum Berlin, in: J. Neumann, Falke Jg. 36, 1989, S. 393.