Biographie

Hoprich, Georg

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Schriftsteller
* 29. Dezember 1938 in Thalheim/Hermannstadt
† 9. April 1969 in Heltau

Georg Hoprich war ein Bauernsohn aus Thalheim bei Hermannstadt. Die Lebenswelt des siebenbürgisch-sächsischen Dorfes prägte ihn und sein Werk von Anfang an. Nach dem Gymnasium in Hermannstadt studierte er Germanistik in Bukarest.

Als ich ihn 1957/58 kennenlernte, studierte er im zweiten Jahr. Er beeindruckte durch seinen schwermütigen Ernst und seine überlegte Zurückhaltung – eigenartig für einen Menschen in diesem jugendlichen Alter. Richtig zu schreiben begann er 1958/59 im Studentenheim. Wir belegten eines der üblichen 14-Mann-Zimmer, in dem u.a. auch Richard Adleff, der spätere Autor von Herr Flöte und seine Schneider und anderer Kurzprosa wohnte. Nachdem Georg Hoprich Oskar Pastior näher kennengelernt hatte – Oskar Pastior besuchte damals das vierte Studienjahr der Germanistenfakultät – und auch in dessen Hause freundschaftlich verkehrte, schrieb er fast täglich einen lyrischen Text, den er uns – Richard Adleff und mir – vorlas. Daraus ergaben sich lange, intensive Diskussionen. Auch bei seinen anderen Kommilitonen war er als Lyriker bekannt und der Lehrstuhlinhaber, der spätere stellvertretende Unterrichtsminister Jean Livescu, wollte ihn fördern, indem er mehrere Gedichte Hoprichs im Literaturkreis vortragen ließ.

Hoprichs leidenschaftliches Streben nach dem tieferen Zusammenhang, nach dem „tiefen Vergleichslosen“, war die eine Seite seiner dichterischen Begabung. Diese sollte dann nach den tragischen Ereignissen der Haft und ihren Folgen allein bestimmend werden. Die andere Seite seines poetischen Schaffens war durchaus gegenwartsbezogen und er suchte sich in den komplexen Gegebenheiten jener Zeit einen eigenständigen lyrischen Standpunkt zu erschreiben.

Der vorsichtige und umsichtige Dieter Roth studierte damals in derselben Gruppe mit Hoprich, Adleff und übrigens auch mit dem banatschwäbischen Publizisten Heinrich Lauer. Gleichzeitig war er auch Redakteur bei der Tageszeitung Neuer Weg. Dieter Roth war der erste, der es „wagte“, über Georg Hoprich einen Artikel im Neuen Weg zu veröffentlichen. Allerdings tat er es anonym und mit dem Hinweis darauf, dass Georg Hoprich nicht nur ein vorbildlicher Student und schöpferisch tätiger Jugendlicher sei, sondern auch Sprecher des staatlichen Jugendverbands seiner Gruppe.

Trotz der 1956 gehaltenen Entstalinisierungsrede Chrutschows dauerte es in Rumänien bis zum Beginn der 1960er Jahre, dass hier zaghaft eine Lockerung der dogmatischen Verkrustungen, gerade auch auf künstlerisch-ästhetischem Gebiet eintrat. Aus diesen Gegebenheiten heraus ist bei Hoprich das siebenbürgisch-sächsische Dorf nicht nur Sinnbild des Rückzugs in eine „heile Welt“ von ehedem, sondern auch ein Hort normalen menschlichen Zusammenlebens in der Großfamilie. Der Natürlichkeit dieser gewachsenen Welt entsprang Hoprichs außergewöhnliche Sensibilität, wie sie in dem Gedicht Thalheim, seinem Heimatort gewidmet, zum Ausdruck kommt. Die Rückkehr in die Geborgenheit eines natürlich hervorgegangenen Allzusammenhangs wird auch später immer wieder als eine Möglichkeit des Weiterlebens, gewissermaßen als Flucht in die Transzendenz des Alltags besungen. In Heimkehr (ursprüngliche Fassung) heißt es in der ersten Strophe bezeichnenderweise: „Mit meiner Fremde steh’ ich hier / Und trete Kreise nieder / Der Wein umrankt die schwere Tür. / Der Maulbeerbaum trägt wieder.“

Eine Möglichkeit war beim jungen Hoprich immer da, wenn auch äußerst gefährdet durch das grausame Chaos der Welt von draußen, an die er sich nur zögernd heranzutasten vermochte. Stützen konnte ihn dabei die Erinnerung an die in Not und Leid zusammenhaltende Dorfgemeinschaft. Unlösbare Bande wie Familie, Freunde und Geliebte fand er da. In seinen Liebesgedichten gelingt es ihm, selbst im herben Alltag Halt und Orientierung zu finden. Dieser allen Regungen der Veränderung in den menschlichen Beziehungen nachgehende Dichter versucht, im grauen Alltag der Diktatur immer wieder poetischen Widerstand zu leisten. Hoprich wollte zunächst, so gut es eben ging, durchaus beitragen zur allmählichen Vermenschlichung, zur ständigen künstlerischen Erweiterung des dogmatisch verengten Kulturhorizontes.

Auch sein Weg schien vorgeschrieben, schien eingeplant, wie es sich für die administrative Kommandowirtschaft „gehört“. Nach Beendigung des Germanistikstudiums sollte er – das war schon im letzten Studienjahr ausgemacht – Redakteur der deutschsprachigen Abteilung des Bukarester Jugendverlags werden. Er freute sich schon darauf, hatte auch Projekte bereitliegen. Eine Anthologie der jüngsten deutschsprachigen Lyrik Rumäniens aus allen auch von Deutschen besiedelten Landesteilen wollte er zusammenstellen – und natürlich auch einen Gedichtband des damals 33-jährigen Oskar Pastior, den er sehr schätzte. Nun schlug indes das Schicksal unbarmherzig zu und bewies, wie gefährdet jeder einzelne durch die Willkür einer Diktatur sein kann.

Ein Jahr vorher war Hoprich im Wohnheim in ein „kleines Zimmer“ mit sechs Studenten gekommen. Vier rumänische Kommilitonen und noch ein Deutscher waren nun seine Zimmergenossen. Einer der rumänischen Kommilitonen hatte eine Postkarte nach Hause geschrieben, man möge mit der Waffe in der Hand gegen die völlige Kollektivierung der Landwirtschaft – gerade jetzt 1960 sollte diese erreicht werden – kämpfen. Ein vollkommen sinnloses Aufbegehren vor dem Unvermeidlichen, denn die Geheimpolizei, die Securitate, holte den Postkartenschreiber umgehend und verhörte ihn „intensiv“ eine Nacht lang mit ihren bekannten Methoden. Danach hatte dieser über alle seine Zimmerkameraden Belastendes ausgesagt. Diese wurden nun ihrerseits verhört. Einige kamen mit Rügen davon, andere trafen schon Umerziehungsmaßnahmen durch Arbeit, und allein Georg Hoprich wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Buchstäblich aus der Luft gegriffen hatte man ihm ein nationalistisch-chauvinistisches, feindseliges Verhalten angedichtet, um doch noch einen Sündenbock zu finden.

In der breit angelegten Dokumentation des Südostdeutschen Kulturwerkes über die Verurteilung von fünf siebenbürgisch-sächsischen Autoren 1959 in einem spätstalinistischen Schauprozess berichtet einer der Betroffenen, Harald Siegmund, dass er Georg Hoprich zwei Stunden lang in einer Durchgangskatakombe traf. Hoprich teilte Siegmund mit, dass er sozusagen als „Einzeltäter“ wegen eines ganz bestimmten Gedichts verhaftet worden sei. Dies müsste letztlich das Gedicht Wir sind ein bleiches Volk über die schwierige Lage der Siebenbürger Sachsen sein. Wir haben dieses Gedicht als tieftraurig, aber keineswegs feindselig empfunden, auch wenn Aussagen wie „Der Nächste schleppt sich wie gebrochen“,„Wir haben immer leis’ gesprochen“ und besonders das Ende „Wir ernten die Tränen auf dem Bitterfeld“ zeigen, dass Hoprich die Zukunft der Siebenbürger Sachsen illusionslos sah, weil sie seiner Einschätzung nach unter den neuen Zeitumständen all den Schicksalsschlägen nicht mehr gewachsen zu sein schienen. In den politischen Zusammenhang des „bewaffneten Kampfes“ gezerrt, führte dies zu fünf Jahren Haft.

Dass er sich nach seiner Haftentlassung nun ganz seiner tiefsinnigen Veranlagung hingab, war nur noch eine Konsequenz seines immer schon schwermütigen Ernstes. Jetzt dichtete der 25-Jährige „Auf einen Grabstein einzumeißeln: Aus Stillsein ging die Flamme auf / Die Wirrnis wurde Lebenslauf, / Der Irrtum leitete das Spiel, / Der Tod war das geschmückte Ziel.“

Seit 1964 wirkte Georg Hoprich vor allem als Schulsekretär in Heltau, wo er mit seiner Familie lebte. Zu den Folgen des Gefängnisaufenthalts kam der Tod seines Kindes. Kurz nach seinem 30. Geburtstag erhängte er sich auf dem Dachboden seines Wohnhauses. Er wurde in seiner Heimatgemeinde Thalheim beerdigt.

Bild: Roswith Capesius, Bildnis von Georg Hoprich 1959, Fotoarchiv Dr. Wieland Hoprich, Heidelberg, https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/11652-freitod-von-schriftstellern.html

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Hoprich

Ingmar Brantsch