Biographie

Hornig, Ernst

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Landesbischof von Schlesien
* 25. August 1894 in Kohlfurt, Kr. Görlitz
† 5. Dezember 1976 in Bad Vilbel-Heilsberg

Als Sohn eines Reichsbahnbeamten wurde Ernst Hornig am 25. August 1894 in Kohlfurt, einem aufstrebenden Eisenbahnknotenpunkt in der Görlitzer Heide, geboren. Seine Vorfahren stammten aus dem Riesengebirge und gehörten meist dem Handwerkerstand an. Im Jahre 1901 siedelte die Familie nach Breslau über, wo Hornig das König-Wilhelm-Gymnasium besuchte. Bleibende Eindrücke gewann er durch das religiöse Leben der Freireformierten Gemeinde sowie den Konfirmandenunterricht in der Elisabeth-Gemeinde unter Pastor Richard Fuchs. Dessen Vorbild und die Persönlichkeit des ebenfalls an Sankt Elisabeth wirkenden Pastors Friedrich Than ließen in dem jungen Mann den Entschluß reifen, gemäß dem Thema der Konfirmationspredigt „Folge mir nach“ geistlichen Beruf zu wählen. Der Sechzehnjährige engagierte sich auch bei der Gestaltung von Kindergottesdiensten und in der Jugendarbeit der Breslauer Elisabethgemeinde. Bedingt durch die Pensionierung seines Vaters, verzog die Familie nach Glogau, wo Hornig die Reifeprüfung ablegte.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Leutnant der Artillerie diente, konnte Ernst Hornig in Halle das Theologiestudium aufnehmen, wo ihn vor allem die Neutestamentler Ernst von Dobschütz und Julius Schniewind beeindruckten. Denn die Exegesedes Neuen Testaments entsprach in besonderem Maße seinen persönlichen Neigungen. Durch die Beschäftigung mit dem Römerbrief fühlte er sich dem reformatorischen Grundanliegen Martin Luthers verbunden, was sein gesamtes geistliches Wirken prägen sollte. Während seiner letzten Studiensemester in Breslau gewann Hornig die Gunst Erich Schaeders, der ihm auch eine vorübergehende Tätigkeit als Hauslehrer in Liegnitz verschaffte. Daran schloß sich das erste theologische Examen unter Generalsuperintendent Haupt an. Der praktischen Ausbildung dienten Lehrvikariate an der Gnadenkirche in Landeshut und in der Diasporagemeinde Wünschelburg/Grafschaft Glatz (1922/23). Im Juni 1923 legte Ernst Hornig das zweite Pfarrexamen ab. Am 25. Juli 1923 empfing er durch Generalsuperintendent Nottebohm die Ordination unter dem Spruch: „Wir haben solchen Schatz in irdenen Gefäßen, auf daß die überschwengliche Kraft sei Gottes und nicht von uns“ (2 Kor 4,7).

Seit Juni 1923 wirkte Hornig als Pfarrvikar in Waldenburg, wo er die Probleme einer Industriestadtgemeinde kennenlernen und Erfahrungen in allen Bereichen der Seelsorgetätigkeit sammeln konnte. 1924 trat er in der Kleinstadt Friedland/Kreis Waldenburg seine erste Pfarrstelle an, die ihm mehr Zeit für private Studien ließ. In jenen Jahren begann eine fruchtbare schriftstellerische Tätigkeit (unter anderem Aufsätze für Das evangelische Deutschland und Buchbesprechungen). 1925 heiratete er die Tochter von Pfarrer Otto Büttner, einem Kollegen aus der Waldenburger Zeit; der Verbindung entstammten sieben Kinder. Auf eigenen Wunsch Hornig mit seiner Familie 1928 nach Breslau, wo er eine der  Pfarrstellen an Sankt Barbara übernahm. In dieser Großstadtpfarrei mit 23000 Gemeindemitgliedern, die für 18 Jahre seine Wirkungsstätte werden sollte, hat er nach eigenen Worten „gelernt, was in evangelischen Gemeinde mühsame Kleinarbeit bedeutet und viel an treuen Helfern für den Pfarrer heute liegt“. Rasch konnte einen großen Kreis von Mitarbeitern, vor allem für die Frauen- und Jugendarbeit, gewinnen.

Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus setzte sich Hornig schon frühzeitig auseinander. Fest verwurzelt in biblischem Grund, verwarf er die nationalsozialistische Rassenlehre ebenso wie die Blut- und Boden-Ideologie von Anfang an als unchristlich. Schon 1933 übernahm er die Geschäftsführung der Bewegung „Evangelium und Kirche“ und wirkte bei der Gründung des Pfarrer-Notbundes in Berlin-Dahlem (September 1933) mit. Als Vorsitzender der Schlesischen Pfarrerbruderschaft des Notbundes sowie (seit 1934) als Mitglied des Provinzialbruderrates der Bekennenden Kirche und des Bruderrates der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union geriet er unvermeidlich in die Auseinandersetzungen zwischen der Bekennenden Kirche und den vom Staat unterstützten Deutschen Christen, die in Schlesien einen besonders heftigen Verlauf nahmen. Hornigs furchtloser Widerstand, beispielsweise in Predigten und Flugblattaktionen, blieb nicht ohne Folgen. Hausdurchsuchungen, Verhöre, Gerichtsverfahren und vorübergehende Inhaftierungen (März 1935, Dezember 1937) ließen ihn jedoch nicht von seinem Standpunkt abrücken. Vielmehr wurde er weit über Schlesien hinaus bekannt und konnte Verbindungen zu evangelischen Kirchenführern in ganz Deutschland anknüpfen.

Während des Zweiten Weltkrieges setzte Hornig, soweit ihm dies überhaupt möglich war – 1938 erging ein Aufenthaltsverbot für Berlin und die Provinz Brandenburg an ihn – seine Tätigkeit in der Bekennenden Kirche fort. In jenen Jahren beteiligte er sich auch lebhaft an den Gesprächen des „Una-Sancta-Kreises“ in Breslau, einer lockeren Verbindung evangelischer und katholischer Christen, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, theologische Positionen der anderen Seite zu verstehen und erste Impulse für ein ökumenisches Gespräch zu geben. Als mit dem Zusammenbruch der Ostfront (Januar 1945) das bis dahin weitgehend verschonte Schlesien zum Kriegsschauplatz wurde, wuchsen Hornig neue Aufgaben zu. Am 30. Januar 1945 zum Sprecher der Breslauer Pfarrer gewählt, harrte er mit einer Reihe von Mitbrüdern unter schwierigsten Bedingungen in der seit dem 12. Februar 1945 eingeschlossenen „Festung Breslau“ aus, wo er weiterhin Gottesdienst, Seelsorge und Lazaretthilfe versah. Als Sprecher einer vierköpfigen Delegation der evangelischen und katholischen Geistlichkeit Breslaus trat er am 4. Mai 1945 vor den Kampfkommandanten General Niehoff, um ihn zur Kapitulation zu bewegen. Noch im Mai 1945 übernahmen Vertreter der Bekennenden Kirche unter dem Schutz russischer und polnischer Behörden die Leitung der Evangelischen Kirche von Schlesien mit Ernst Hornig an der Spitze. Der organisatorische Wiederaufbau litt nicht nur unter den ungeheuren Kriegszerstörungen, sondern auch unter den Nachwirkungen des Kirchenkampfes. Eine größtenteils zu Fuß durchgeführte Visitationsreise nach Schweidnitz und Waldenburg vermittelte Hornig im Sommer 1945 einen persönlichen Eindruck von den Verwüstungen. Trotz zunehmender Behinderungen durch die polnische Verwaltung und fortdauernder Ausweisungen konnten im September 1945 in Waldenburg und im März 1946 in Schweidnitz Superintendentenkonvente stattfinden. Vom 22. bis 23. Juli 1946 tagte in der Hofkirche zu Breslau in Anwesenheit von Vertretern der Evangelisch-Augsburgischen Kirche Polens die Schlesische Provinzialsynode – die einzige evangelische Provinzialsynode, die überhaupt nach 1945 im polnisch verwalteten Gebiet stattfand. Ernst Hornig wurde auf ihr zum Vorsitzenden gewählt und nahm nach anfänglicher Weigerung auch den damit verbundenen Titel „Bischof" an. Am 4. Dezember 1946 wurde er jedoch aus Schlesien ausgewiesen. Er wich nach Görlitz aus, wo er seine Familie wiedertraf, die vor Kriegsende nach Bayern geflohen war.

Von Görlitz aus wirkte Hornig unermüdlich für seine nun dreigeteilte Gemeinde: die Evangelische Kirche von Schlesien westlich der Neiße, die immer kleiner werdende Schar der Gläubigen im polnisch verwalteten Teil Schlesiens und die große Zahl der über ganz Deutschland verstreuten evangelischen Schlesien. Sein mutiges Auftreten während des Dritten Reiches ließ ihn zu ein vielbeachteten Sprecher aller Schlesier werden. Schon im Okttober 1945 hatte er am ersten Treffen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Vertretern der Ökumenischen Bewegung in Stuttgart teilgenommen. Im August 1948 erstattete er bei der Kirchenkonferenz in Amsterdam Bericht über die geistliche und soziale Verfassung seines Kirchengebietes. Vom 13. Juli 1952 bis zum 31. Dezember 1963 stand Hornig als Bischof an der Spitze der Evangelischen Kirche von Schlesien mit Sitz in Görlitz. In die Jahren scheute er auch nicht vor Auseinandersetzungen mit der Partei- und Staatsführung der DDR zurück. So nahm er hinsichtlich der Wiederbewaffnung, der Nutzung der Kernenergie und Schießbefehls einen von der „offiziellen“ Linie abweichen Standpunkt ein und reiste trotz massiver Repressalien 1961 als einziger Bischof der DDR zum Deutschen Evangelischen Kirchentag nach Westberlin. In Anerkennung seiner vielfältigen Verdien verlieh ihm die theologische Fakultät der Universität Kiel 1955 die Ehrendoktorwürde.

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand (1. Januar 1964) nahm Hornig seinen Wohnsitz in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main. Vortragsreisen führten ihn durch ganz Europa, aber auch immer wieder in seinen alten Görlitzer Wirkungskreis. Sein Tod kam plötzlich und unerwartet. Auf dem Weg zu einer Veranstaltung wurde er am 23. November 1976 von einem Auto angefahren und erlag am 5. Dezember 1976 in Bad Vilbel seinen schweren Verletzungen. Unbeirrt durch alle Höhen und Tiefen des eigenen Schicksals, orientierte sich Ernst Hornig an Jesu Wort „Folge mir nach“. Mit ihm verlor das evangelische Schlesien einen Oberhirten, der stets mutig für die Wahrheit eintrat, bereit, alle Konsequenzen daraus auf sich zu nehmen.

Werke: Der Weg der Weltchristenheit. Eine Einführung in die ökumenische Bewegung, Berlin 1952. – Aus meinem Leben, in: Schlesischer Gottesfreund 4 (1953), S. 399, 411, 423, 435, 459. – Die schlesische Kirche in der Nachkriegszeit 1945 -1951, in: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte N. F. 51 (1972), S. 108 – 135. – Die Bekennende Kirche in Schlesien 1933 – 1945. Geschichte und Dokumente. (Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, Erg.- Reihe. Bd. 10), Göttingen 1977.

Lit.: J. Konrad: Bischof em. D. E. H. 70 Jahre alt, in: Schlesischer Gottesfreund 15 (1964), S. 2094. – E. G. Schulz: Ein Zeuge des Unverlierbaren. In memoriam Altbischof D. E. H., in: Schlesien. Vierteljahresschrift für Kunst, Wissenschaft und Volkstum 22 (1977), S. 63 f. – U. Hutter: Die evangelische Kirche Schlesiens im Kirchenkampf 1933-1945. Darstellung und Quellen, in: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte N. F. 67 (1988), S. 117 – 163. – H. J. Fränkel: Die Evangelische Kirche von Schlesien nach 1945, in: ebd., S. 183 – 205. – Artikel H., E., in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 2 (1990), Sp. 1063 f.

Bild: Aufnahme um 1950. – An dieser Stelle sei Herrn Pastor Dietmar Neß, Groß Särchen/Oberlausitz, und Frau Edeltraud Blätterlein, Konsistorium der Evangelischen Kirche der Schlesischen Oberlausitz, Görlitz, für die Überlassung biographischer Materialien und des Bildes herzlich gedankt.