Am 31. Dezember 1934, starb in Riga die Sängerin, Gesangspädagogin und Schriftstellerin Monika Hunnius, 76 Jahre alt. Sie wurde am 14. Juli 1858 in der estländischen Grenzstadt Narva als Tochter des Pastors an der dortigen deutschen St. Johanniskirche, Constantin Hunnius, geboren, nach dessen frühem Tod ihre Mutter mit den Kindern nach Riga übersiedelte. Wegen ihrer hervorragenden Stimme und ungewöhnlichen musikalischen Begabung wurde Monika Hunnius zunächst in Riga (bei Mathilde Hain), danach in Frankfurt am Main (1882-1884) bei Stockhausen, der als größter Liedersänger seiner Zeit galt, zur Sängerin ausgebildet. Sie lernte in Frankfurt Johannes Brahms, Clara Schumann und Raimund von zur Mühlen kennen, den aus ihrer baltischen Heimat gebürtigen und erfolgreichen Sänger. In Karlsruhe und in Bruchsal ist sie damals im Rahmen von Kammermusikkonzerten öffentlich aufgetreten. Ein Angebot, den Lehrberuf aufzugeben und die künstlerische Laufbahn als Sängerin einzuschlagen, lehnte sie ab. Die ihr durch Herkunft und Erziehung gesetzten Grenzen erwiesen sich als nicht übersteigbar. So kehrte Monika Hunnius nach Riga, der Heimatstadt ihrer Mutter, zurück, wo sie als Gesangslehrerin eine erfolgreiche Tätigkeit entfaltete, nachdem ihr Name durch einige Konzerte, deren erstes in Arensburg auf der Insel Oesel stattfand, bekanntgeworden war. Man hat Monika Hunnius später nachgesagt, von keinem anderen Gesangspädagogen im Lande seien mehr Schüler ins Ausland gegangen, um weiter zu studieren und Berufssänger zu werden, als von ihr. Studienreisen führten Monika Hunnius nach Berlin (1889), nach Rom, Neapel und Venedig, sowie nach Bayreuth (1896); es folgten Reiset nach Paris und London, und wieder nach Italien, Konzertreisen durch die kleinen Städte ihrer baltischen Heimat.
Eine anregende Tätigkeit bot sich ihr, als Raimund von zur Mühlen Ferienkurse für Gesangsschüler im Städtchen Fellin, später in Neuhäuser bei Königsberg, veranstaltete und Monika Hunnius bat, seine Gehilfin zu werden. An diesen Ferienkursen hat sie sich bis zum Jahre 1910 beteiligt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1919 folgte sie der Einladung einer befreundeten Familie nach Königsfeld im Schwarzwald, – wo sie bis 1923 blieb. In jenen Jahren wurde Monika Hunnius Schriftstellerin. Bis 1921 – sie stand damals in ihrem 63. Lebensjahr – hatte sie noch keine Zeile veröffentlicht. In jenem Jahr erschien ihr erstes Buch: „Mein Onkel Hermann“, in dem sie ihren Onkel Hermann Hesse, Kreisarzt im estländischen Landstädtchen Weißenstein, schildert, den Großvater des Schriftstellers und späteren Nobelpreisträgers gleichen Namens, der für ihr erstes Buch das Vorwort geschrieben hat.
In Königsfeld bereits, wo ihre Bücher „Meine Weihnachten“ und „Menschen, die ich erlebte“, entstanden sind und „Mein Weg zur Kunst“ begonnen wurde, machten sich die ersten Anzeichen eines schweren Nervenleidens bei ihr bemerkbar, das nach ihrer Rückkehr nach Riga im Jahre 1923 das letzte Jahrzehnt ihres Lebens in der Heimat auf zuletzt qualvolle Weise überschattet hat.
Zu den Werken von Monika Hunnius gehören, außer den bereits genannten Büchern, „Mein Elternhaus“, „Zwei Frauen“, „Baltische Häuser und Gestalten“, „Italienische Reise“. Nach ihrem Tode erschien ihr „Briefwechsel mit einem Freunde“; Briefe und Tagebuchblätter wurden unter dem Titel „Wenn die Zeit erfüllet ist“ veröffentlicht.
Lit.: Deutsch-Baltisches Biographisches Lexikon 1710-1960 (Köln/Wien 1970) – Erik Thomson: Monika Hunnius. Schmerzenswege sind Segenswege (Stuttgart 1956).