Biographie

Huss, Richard

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Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Germanist
* 2. Februar 1885 in Bistritz/Siebenbürgen
† 14. Februar 1941 in Debrezin/Ungarn

Richard Huß war ein Gelehrter mit einem vielseitigen Interessengebiet, das sich geographisch von Siebenbürgen bis Luxemburg, Nordfrankreich und dem Niederrhein erstreckte. Das Gymnasium besuchte er in seiner Vaterstadt Bistritz, dem alten Nösen, wo er 1903 maturierte. Sein Vater war Baumeister, der es gerne gesehen hätte, wenn auch sein Sohn diesen Beruf ergriffen hätte. Aber nach einem Semester an der Wiener Technischen Hochschule sattelte Huß auf die Sprachwissenschaft, auf Germanistik und Romanistik um, wobei er nebenbei ev. Theologie mitstudierte, wie das bei den Siebenbürger Sachsen üblich war. Als Huß vor seinem Studium stand, hatte die siebenbürgisch-deutsche Sprachforschung unter Gustav Kisch, Andreas Scheiner und Adolf Schullerus um 1900 bereits ihren Höhepunkt erreicht bzw. ihn überschritten. Am meisten hat die sogenannte Nösner Germanistenschule unter Gustav Kisch auf Richard Huß eingewirkt. Huß hatte sich zum Ziel gesetzt, die siebenbürgisch-deutsche Sprachforschung, die sich auf die Herkunft der Siebenbürger Sachsen konzentrierte, zum Abschluß zu bringen und mit einem Siebenbürgisch-Deutschen Sprachatlas zu krönen. An der Universität Klausenburg (lat. Claudiopolis, rum. Cluj oder Napoca, ung. Kolozsvár) belegte er die Fächer Germanistik und Romanistik bzw. Französisch, da ihm Rumänisch als romanische Sprache geläufig war. Außerdem studierte er Indogermanistik und Keltistik, nicht weniger die angewandten Wissenschaften, Philosophie, Psychologie und Geschichte. „Sein Wissensdrang schien unersättlich“ (so sein Biograph Karl Kurt Klein). Außer in Klausenburg studierte er in Wien bei Rudolf Heinzel und Jakob Minor; in Straßburg bei Richard Henning und Ernst Martin; in Wien hörte er den berühmten Romanisten Wilhelm Meyer-Lübke und in Straßburg Gustav Gröber. Die Prüfungen für das Lehramt eines Gymnasialprofessors legte er 1907 in Klausenburg ab. Seine Dissertation umreißt bereits seine künftige Lebensaufgabe: „Vergleichende Lautlehre des siebenbürgisch-deutschen Dialektes mit der nordfranzösischen und wallonischen Mundart“ (1907). Gleichzeitig erschien von ihm eine Lautvergleichung rumänischer und gascognischer Mundarten. In den Jahren darauf war Huß deutscher Lektor an den Universitäten Nancy (ehemals Nanzig) und Bordeaux. Die Ferien verbrachte er regelmäßig in Bistritz, das damals noch eine deutschgeprägte Stadt war.

Während seiner Universitätsstudien gehörte Huß schlagenden und farbentragenden Korporationen an. Er war ein gefürchteter Duellant, und niemand weiß die Zahl der von ihm vom Zaun gebrochenen und durchgefochtenen Duelle. Denn für Huß galten Ehre, Pflicht und Anstand als die höchsten Lebensbegriffe. Als Burschenschaftler war er großdeutsch eingestellt. Volk, Vaterland, Freiheit, Wahrheit und Männerehre standen noch über den vorhin genannten Begriffen. Ab und zu hielt ihn die Muse gefangen. 1908 veröffentlichte er unter dem Titel: „Leid und Freud in Musenarmen“ eine Gedichtsammlung. Mit wahrem Feuereifer warf sich Huß auf seine Wissenschaft, so daß er sich 1913 an der Klausenburger Universität habilitieren konnte. Seine Habilitationsschrift schrieb er über den Stand der siebenbürgischen Mundartforschung ungarisch, und zwar als Nr. 5 der von den Universitätsprofessoren Jakob Bleyer, Gideon Petz und Heinrich Schmidt seit 1912 gemeinsam herausgegebenen Dissertationsreihe „Arbeiten zur deutschen Philologie“ in Ungarn. Damit wurde er Privatdozent.

Aber Privatdozenten wurden in Ungarn nicht besoldet. Daher unterrichtete Huß gleichzeitig an der Staatlichen Handelsschule und Handelshochschule Deutsch und Französisch. Im Jahre 1914 wurde er schon a.o. Professor an der Reformierten Hochschule in Debrezin, die zu einer Volluniversität ausgebaut werden sollte. Da brach der Erste Weltkrieg aus, den Huß als ehemaliger großdeutsch eingestellter Burschenschaftler freudig begrüßte. Er hängte seinen Beruf sofort an den Nagel und meldete sich, obwohl in seinem Leben nie Rekrut gewesen, bei der Debreziner K.u.K. Kommandantur zum Kriegsdienst. Huß war nachweislich der 1. Kriegsfreiwillige der österreichisch-ungarischen Monarchie, worauf er sein Leben lang besonders stolz war. Schon nach einigen Wochen zeichnete er sich auf dem russischen Kriegsschauplatz so aus, daß er mit der Kleinen und Großen Silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet und in kurzer Folge vom Unteroffizier zum Oberleutnant avancierte. Im Sommer 1916 mußte Huß zurück an seine Universität. 1917 finden wir ihn an der Isonzofront als Bataillonskommandanten. Im selben Jahr gab er eine Sammlung von Kriegsgedichten heraus, betitelt: „Hände weg!“ Der Zusammenbruch der Mittelmächte im Herbst 1918 traf ihn ins Herz. Als Ungarn im Jahre darauf von den Rumänen besetzt wurde, setzte er sich bei der Debreziner rumänischen Kommandantur für die ungarischen Kriegsgefangenen ein. Nachdem er einsehen mußte, daß das alte Ungarn aufgeteilt würde, verfaßte er an die Siegermächte eine Denkschrift. Darin befaßte er sich u.a.mit einer siebenbürgisch-sächsischen Universität in Hermannstadt. Enttäuscht zog er sich von der Politik auf seinen germanistischen Lehrstuhl an der Debreziner Universität zurück, wo er schon 1918 zum o.ö. Professor ernannt worden war.

Um 1920 hatte Huß bereits an die 250 kleinere und größere Beiträge aus seinem Fachbereich veröffentlicht. An der Universität hatte er beide Zweige der Germanistik, Literatur und Sprachgeschichte zu betreuen. Huß war vor allem Sprachforscher. Indes schuf er auch auf literarhistorischem Gebiet beachtliche Leistungen, besonders auf dem Gebiet der mittelhochdeutschen Literatur und deren Beziehungen zu Ungarn. In der neueren deutschen Literatur befaßte er sich u.a. mit Goethes „Faust“ und Schillers „Wilhelm Teil“. Seine Hauptsorge aber galt dem Siebenbürgisch-Deutschen Sprachatlas. Über die Urheimat und den Wanderungsweg der Siebenbürger Sachsen entwickelte er eigene Vorstellungen. Den 40 Wenkersätzen fügte er noch vier Sätze hinzu. Seine Grundthese lautete:

1) Durch Sprachforschung sei es möglich, geschichtliche Vorgänge zu klären; 2) Und dadurch die Urheimat der Siebenbürger Sachsen geographisch genau abzugrenzen. Als Vertreter seiner Wissenschaft, besonders der Lautgeschichte und Lautgeographie, nahm er an vielen internationalen Kongressen teil. Seine Vorlesungen gab er vervielfältigt für seine Studenten als Lernhefte heraus. Für die Arbeiten, die in seinem Germanistischen Seminar entstanden sind, gründete er zwei Reihen: „Schwemmel“ und „Wärbel“. (Das sind die Namen zweier hunnischer Spielleute in der „Klage“ des Nibelungenliedes). Darin sind bis zu seinem Tode 23 Nummern erschienen, während in seinem Seminar 158 Diplomarbeiten entstanden sind. Nach dem Verfahren des Deutschen Sprachatlasses regte Huß die Schaffung eines Ungarischen Sprachatlasses an.

Nach dem Tode des Volkstumsführers und Universitätsprofessors Dr. Jakob Bleyer (1933) geriet das ungarländische Deutschtum in eine Führungskrise. 1934 ließ sich Huß zum Vizepräsidenten des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins wählen; 1935 stellte er sich als „Schildträger“ an die Spitze der sogenannten „Volksdeutschen Kameradschaft“, die zur offiziellen Minderheitenpolitik der Regierung in Opposition stand. Die ungarische öffentliche Meinung bzw. die Presse, nicht weniger auch die ungarische Studentenschaft, reagierte darauf sehr heftig und verschrie Huß als „Pangermanen“, „Vaterlandsverräter“ etc. Das von der Universität eingeleitete Disziplinarverfahren sprach Huß von allen Anklagepunkten frei. Aber die ganze Kampagne zerrüttete seine Gesundheit und brachte ihn an den Rand des Grabes. Währenddessen wählte ihn die Deutsche Akademie in München zu ihrem korrespondierenden Mitglied, und die Hamburger Stiftung bzw. die Wiener Universität sprach ihm 1941 den Prinz-Eugen-Preis für Forschung und Wissenschaft zu. Aber weder des einen, noch des anderen konnte sich Richard Huß erfreuen, denn am 14. 2.1941 bereitete in seinem Debreziner Domizil ein Hirnschlag seinem Leben ein tragisches Ende.

Lit.: Karl Kurt Klein: Richard Huß. Lebensbild eines Volksdeutschen Forschers und Kämpfers. Bistritz 1944. Adam Schlitt: Erinnerungsblatt für Richard Huß (1885-1941). „Archiv der Suevia Pannonica“ (Heidelberg). Jg. 7 (1971/72), Seite 92-98.