Biographie

Jacobi, Richard

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Forstmann, Ornithologe, Schriftsteller
* 26. März 1901 in Kronstadt/Siebenbürgen
† 26. Januar 1972 in Hermannstadt/Siebenbürgen

Heute ist es kaum noch bekannt, daß einer der bedeutendsten Ornithologen Siebenbürgens und Rumäniens von Beruf Forstmann war. Auch als Schriftsteller sollte dieser siebenbürgisch- sächsische Forstmann und Naturforscher in eine Reihe mit zwei anderen großen Jagderzählern des Südostraumes gestellt werden: mit Otto Alscher (1880–1944), dem gebürtigen Banater Schwaben, der seine Tiergeschichten bereits 1910 in Leipzig auflegte, sowie mit Emil Witting (1880–1952), dessen Romane „Auf der Hochwildbahn im Karpathenurwalde“ (1928) und „Frate Nicolae. Der siebenbürgische Karpathenbär“ (1931) weit über die Grenzen ihrer Heimat Ruhm erlangten. Doch wer war dieser vielseitige, verdienstvolle Forstmann?

Richard Jacobi wurde am 26. März 1901 in Kronstadt (heute Braşov in Rumänien) – als Sohn des Bankbeamten Fritz Jacobi (1871–1951) und dessen Ehefrau Josefine (geb. Meschendörfer, 1875–1957) – geboren. In seiner Vaterstadt, der „Stadt unter der Zinne“ besuchte er das altehrwürdige Honterus-Gymnasium (gegründet 1541) und legte 1920 die Reifeprüfung ab. Um seinen Wunsch – das Studium der Forstwissenschaften – erfüllen zu können, verbrachte er ein Jahr als Praktikant am Städtischen Forstamt seiner Vaterstadt Kronstadt (mit einer Waldfläche von 80.175 Hektar). Bekannt geworden war dies u.a. durch dessen einstigen Leiter Eduard Zaminer (1835–1900), der als „Pionier des modernen Forstwesens Siebenbürgens“ in die Geschichte eingegangen ist (vgl. Ostdeutsche Gedenktage 2000).

Sein Forststudium begann Jacobi an der Hochschule für Bodenkultur in Wien (1921–1922). Als 1923 die Forstakademie Tharandt in eine Forstliche Hochschule umgewandelt wurde (heute Forstwissenschaftliche Fakultät, zur Technischen Hochschule Dresden gehörend), wechselte er in diese sächsische Stadt. Tharandt war damals Anziehungspunkt für Forststudenten aus aller Welt; schon in der Zeitspanne 1816 bis 1891 waren 690 Studierende aus dem Ausland immatrikuliert. 1922 hatte sich hier eine „Vereinigung ausländischer Studierender Tharandt im Zentralverband auslanddeutscher Studierender Leipzig“, gebildet. Seit der Gründung der Vereinigung und bis zum Studienabschluß Jacobis waren mehrere Hörer aus Siebenbürgen immatrikuliert, die überwiegend dieser Vereinigung angehörten, so Oswald Hager (aus Agnetheln), Viktor Perzina (Hermannstadt), Helmut Kelp (Bistritz), Kurt Leutschaft (Mediasch – er sollte hier auch 1927 promovieren), Wilhelm Schuster (Leschkirch), Heinrich Lurtz (Siebenbürger Sachse aus Bukarest), Gustav Habermann (Hermannstadt), Hans Hesch (Burghalle) und Carl Jauernig (Hermannstadt).

Heimgekehrt, versuchten die ost- und südosteuropäischen Forstleute die Forstwirtschaft und Forstwissenschaft ihrer Heimatländer im Sinne der in Deutschland erhaltenen Ausbildung aufzubauen. Allein aus dem Gebiet des heutigen Rumänien studierten hier zwischen 1816 bis 1945 75 Forstleute, davon 45 Rumäniendeutsche. Von besonderer Bedeutung war Tharandt nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur für Siebenbürgen, sondern auch für die deutschen Forststudierenden aus Lettland, Litauen und Estland, die überwiegend hier ihre Ausbildung erhielten, lasen in Tharandt damals doch so bekannte Professoren, wie B. Löffler, G. Brandes, H. Vater, R. Hugershoff, F. Jentsch, E. Wiedemann u.a.

Gemäß der Vorgabe „Die Diplomarbeiten sollen auch wertvolle Beiträge zur Klärung wissenschaftlicher Fragen sein“, behandelte Jacobi in seiner Abschlußarbeit unter dem Titel „Ornis Transilvaniae“ die Vogelwelt Siebenbürgens und erwarb 1925 den Abschluß eines Diplom-Forstingenieurs. Anschließend arbeitete er an der damals weltbekannten Vogelwarte Rositten (heute Rybatschij) in Ostpreußen. Diese – auf der Kurischen Nehrung am Kurischen Haff gelegene – Vogelwarte wurde 1901 von Prof. Johannes Thienemann (1863–1938) gegründet, der dem jungen Forstmann und Ornithologen die praktischen Grundlagen seiner Beringungsmethode vermittelte, um – in die siebenbürgische Heimat zurückgekehrt – den Vogelzug im südosteuropäischen Raum ergründen zu können. Bekanntlich kam diese einst für die Vogelkunde bedeutende Vogelwarte im Jahre 1945 mit dem nördlichen Teil Ostpreußens an die Sowjetunion und wurde als solche aufgegeben; heute existiert dort eine Station des Zoologischen Institutes der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Nach seiner Heimkehr 1925 übernahm Jacobi am Burzenländer Sächsischen Museum Kronstadt als Kustos die ornithologische Sammlung, die er neu ordnete und beträchtlich bereicherte. Hier gründete er im selben Jahr die erste Zentrale für Vogelberingung Rumäniens. Erst im darauffolgenden Jahr (1926) sollte August von Spieß (1864–1953) aus Hermannstadt in Zusammenarbeit mit seiner Tochter (der später bekannten Ornithologin S. Stein-Spieß) die Vogelwelt der Schlangeninsel (genannt „Helgoland des Schwarzen Meeres“) erforschen und hier auch Beringungen durchführen. Jacobi setzte sich für die Errichtung einer staatlich subventionierten Vogelwarte im Donaudelta ein und schlug die Schlangeninsel als dafür geeigneten Ort vor. Obwohl sich auch der damals führende Ornithologe Rumäniens, Prof. D. Lintia, auf dem 1. Biologenkongress Rumäniens in Klausenburg (Cluj) 1928 – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Jacobis diesbezügliche Veröffentlichungen – für die dringliche Errichtung einer ornithologischen Station in Rumänien einsetzte, konnte er dieses Vorhaben nicht verwirklichen.

Ähnlich wie Rositten erging es auch dem rumänischen Eiland Schlangeninsel mit einer Fläche von rund 0,5 Quadratkilometern: es wurde 1945 der Sowjetunion einverleibt. Dennoch kommt R. Jacobi das Verdienst zu, der erste namhafte Verfechter eines bis heute ungelöst gebliebenen Problems – einer Vogelwarte in Rumänien – zu sein. Er war einer der Pioniere der Vogelkunde Südosteuropas, der im Karpatenraum erste Beringungen durchführte. Aus materiellen Gründen mußte er 1928 sein Vorhaben aufgeben, wie er in seinen Aufzeichnungen festhielt: „Da alle meine ornithologischen Pläne in Rumänien scheiterten, war ich gezwungen, eine Stelle (auf Grund meines Studiums) als Dipl.-Forsting. aufzunehmen.“ So arbeitete er als Fachmann in den Urwäldern der Ostkarpaten (Harghita-Gebirge und Brosteni an der Goldenen Bistritz in der Moldau) bis 1945. In diesem Jahr wurde er zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt. Nach der Entlassung 1947 war er in den Südkarpaten tätig, im Lotru- und Zibinsgebirge, wo er auch weiterhin Vogel- und Jagdkunde betrieb. So gab er schon vor dem Kriegsende mit O. Witting und F. Kimm den „Siebenbürgischen Jagd-Kalender“, beziehungsweise den „Karpathen-Jagd-Kalender“ heraus.

1955 gab er den Forstberuf auf, um sich nur noch der Schriftstellerei zu widmen. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, die auch in mehrere Sprachen übersetzt wurden: „Das Mädchen und die Bärin“ (1958), „Karpatenzauber“ (1961), „Adebar fliegt nach Süden“ (1969), „Hexensabbat“ (1971) und „Siebenbürgische Schnurren und Anekdoten“ (1971); nach seinem Tod sollte 1974 „Fillip der Zitronenfalter“ erscheinen. Jacobi hat auch einen reichen Bestand an Manuskripten hinterlassen, so die beiden bisher nicht veröffentlichten Hauptwerke „Ausgestorbene Tiere der Karpaten Siebenbürgens“, „Karpatenwild-Karpatenwaid“ sowie sein Lebenswerk über die Vogelwelt Siebenbürgens.

Jacobi – der Forstmann, Karpatenjäger und Ornithologe – hat zahlreiche Fachbeiträge auch außerhalb seiner Heimat veröffentlicht, was im kommunistischen Rumänien nicht selbstverständlich war: so in den Zeitschriften „Wild und Hund“ (Hamburg), „Der Falke“, „Urania“ (Frankfurt a.M.), „Unsere Jagd“ (Berlin) etc. Auch heute noch ist er im Kreise der Ornithologen Europas bekannt und dank seiner zahlreichen Veröffentlichungen geschätzt und nicht vergessen.

Lit.: L. Gebhardt: Die Ornithologen Mitteleuropas, Bd. 3, Gießen 1974, S. 40–41. – A. Groß: Zur Geschichte der Forstlichen Hochschule Tharandt, Tharandt 1926. – H. Heltmann: Tiergeschichten und Jagderlebnisse. Bekanntes und Unbekanntes über den Schriftsteller und Naturforscher Richard Jakobi, in: Karpatenrundschau, Nr. 32, Kronstadt 1970. – H.A. Hienz: Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Deutschen, Bd.VII, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 336–341. – W. Klemm/St. Kohl: Die Ornis Siebenbürgens, Bd. III, Köln/Wien 1988, S. XX. – K. Leutschaft: Welchen Nutzen kann die Waldarbeiter-, Wohnungs- und Siedlungsfrage in der Forstwirtschaft Siebenbürgens aus der Siedlungsgesetzgebung Deutschlands ziehen? Dresden (Diss.) 1927. – H.-J. Mette: Zur 150-jährigen Geschichte der Fakultät für Forstwirtschaft in Tharandt. Die soz. Forstwirtschaft, 16. Jg., 2, Berlin 1966, S. 50–56. – W. Myß (Hg.): Lexikon der Siebenbürger Sachsen, Thaur bei Innsbruck 1993, S. 216–217. – R. Rösler: Über die Pionierarbeit deutscher Forstleute in Osteuropa, in: Forst und Holz, 50. Jg., 7, Hannover 1995, S. 210–213. – R. Rösler: Dem Vergessen entreißen: südostdeutsche Forstleute. Für ein forstbiographisches Lexikon Siebenbürgens und der angrenzenden Gebiete, in: Südostdt. Vierteljahresbl., 45. Jg., 1, München 1996, S. 49–53. – R. Rösler: Das deutsche Jagdschrifttum Rumäniens, in: Südostdt. Vierteljahresbl., 47. Jg., 4, 1998, München, S. 328–334. – R. Rösler: Zaminer Eduard (1835–1920). Pionier des modernen Forstwesens Siebenbürgens, in: Ostdt. Gedenktage 2000, Bonn 1999, S. 107–112. – A. v. Spieß: Siebzehn Jahre im rumänischen Hofjagddienst, München 1940, S. 87–98.

Werke: R. Jacobi: Braucht Rumänien eine Vogelwarte?, in: Der Wanderer, Bd. 5, Bukarest 1925, S. 157–162. – R. Jacobi: Are Romania nevoie de un observator ornitologic?Revista vanatorilor, 7, Bukarest 1926, S. 101–102.

Bild: Archiv des Verfassers.

Rudolf Rösler