Biographie

Jacobowski, Ludwig

Herkunft: Posener Land
Beruf: Dichter
* 21. Januar 1868 in Strelno/Posen
† 2. Dezember 1900 in Berlin

Ludwig Jacobowski wurde als drittes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Nach dem Abitur studierte er Philosophie, Geschichte, Literatur und Nationalökonomie in Berlin und Freiburg i. Br. und wurde 1891 mit einer Dissertation über Klinger und Shakespeare;ein Beitrag zur Shakespearomanie der Sturm- und Drangperiodepromoviert. Nach Berlin zurückgekehrt, verdiente er sich seinen Lebensunterhalt in einer Schuhfabrik und als Angestellter beim „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“.

In der Zeit von 1890 bis zu seinem Tode schrieb Jacobowski 21 literarische Werke, gab sechs Bücher heraus und verfaßte zahlreiche Zeitungsartikel und Zeitschriftenbeiträge. Daneben war er Herausgeber bzw. Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften und Gründer des Berliner Klubs für Schriftsteller und Künstler „Die Kommenden“. Als Student hatte er das Berufsziel, „eine unpolitische Redakteurstelle einzunehmen“, und den Wunsch, einst als freier Schriftsteller leben zu können. Aber schon sein erster RomanWerther, der Jude (Dresden 1892) stellte ihn mitten in die politischen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Wie er selbst erkannte, konnte das Werk „in allen Lagern nur auf wenig Verständnis stoßen“, zumal Jacobowski schrieb: „… in meinen Anschauungen über die Judenfrage bin und bleibe ich derselbe… Sie zeigen immer eine Wegrichtung: Restloses Aufgehen in deutschem Geist und deutscher Gesittung“ (Geleitwort zur 3. Auf lage, 1898). Sein erster GedichtbandAus bewegen Stunden (Dresden, Leipzig 1889) reflektiert ein Leben zwischenSchwermut und Heiterkeit. In der GedichtsammlungAus Tag und Traum (Berlin 1895) kleidet Jacobowski seelische Stimmungen in Naturbilder. Als Reaktion auf die antisemitischen Zeitströmungen entstand der Roman Werther, der Jude und eine Studie über das Ende des christlichen Staats und eine neue freie Gesellschaftsordnung:Der christliche Staat und seine Zukunft (Berlin 1894). Sein reifstes Prosawerk Loki (Minden 1899) handelt von den widerstreitenden Urkräften der Seele, Liebe und Haß, vertreten in dem unwissenden Balder und dem mit Weisheit begabten Loki. Nach Jacobowskis Tod veröffentlichte sein Freund und erster Biograph Rudolf Steiner die nachgelassenen Gedichte (Ausklang, Minden 1901) und Skizzen (Stumme Welt, Minden 1901).

Jacobowskis Werke sind weniger als Dichtungen, sondern eher als zeitgeschichtliche Zeugnisse von Bedeutung. Fred B. Stern kann deshalb sagen, er habe in der von ihm verfaßten Biographie (Ludwig Jacobowski:Persönlichkeit und Werk eines Dichters, Darmstadt 1966) nicht eine „literarische Persönlichkeit“, sondern den „Typus der jungen jüdischen Intelligenz“ um die Jahrhundertwende dargestellt. In einem Nachruf wurde Jacobowski folgendermaßen gewürdigt: „Er war ein Idealist, sah aber den Realismus für unbedingt notwendig an; er kam von Schiller und näherte sich immer mehr Goethe; er war eine Frohnatur, die aber vom Pessimismus theoretisch und praktisch aufs tiefste beschäftigt wurde; er war ein ernst Ringender, der nichts auf die leichte Achsel nehmen konnte, ein Hoffender, der nur nicht auf langes Leben hoffte, ein Dichter, den es immer wieder zur Wissenschaft hinzog, ein Wissender, der gern mit offenen Augen träumte, ein Mann strengster Pflichterfüllung und unermüdlicher Arbeit, der sich aber schon nach Ruhe sehnte. So setzte er sich eigentlich aus widerstreitenden Elementen zusammen, die in ihm eine merkwürdige Einheit bildeten und seiner Persönlichkeit einen ausgeprägten Charakter verliehen.“ (R.M. Werner, in: Biographisches Jahrbuch, Bd. 5, 1903, S. 31.)

Lit.: Neue Deutsche Biographie 10, Berlin 1974. – Literatur-Lexikon, 6, Gütersloh, München 1990.

Harro Kieser