Biographie

Jaksch, Wenzel

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Journalist, Politiker
* 25. September 1896 in Langstrobnitz/Sudetenland
† 27. November 1966 in Wiesbaden

Der Vertriebenenpolitiker Wenzel Jaksch (SPD) war im SED-Staat verhasst. Er galt als „Arbeiterverräter“, „Antikommunist“ und schließlich als „Nazi“, obwohl er als Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Politik Konrad Henleins (1898-1945) nach dem „Münchner Abkommen“ vom 30. September 1938 nach London hatte fliehen müssen. Schon 1960 hieß es in der SED-Zeitung „Neues Deutschland“: „Heute ist Jaksch das, was er 1938 nicht werden konnte, ein Faschist“. Und zwei Jahre nach seinem Tod 1966 erschien, verfasst von Edmund Jauernig, in Ostberlin ein Buch über ihn Sozialdemokratie und Revanchismus (1968).

Nach Beendigung der Volksschule 1910 ging Wenzel Jaksch von Böhmen nach Wien, wo er auf dem Bau arbeitete. Im heutigen Wiener Bezirk Ottakring erlernte er dann das Mauerhandwerk und schloss sich 1913 der „Sozialdemokratischen Deutschen Arbeiterpartei“ im Königreich Böhmen an. Im Ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet und arbeitete nach Kriegsende im neu entstandenen Staat Tschechoslowakei als Journalist für die deutsche Sozialdemokratie. Er war Redakteur des „Sozialdemokrat“, der in Prag erscheinenden Zeitung der „Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ in der Tschechoslowakei, wurde 1924 in den Vorstand gewählt und amtierte seit 1935 als stellvertretender Vorsitzender.

Seit 1934 bildete sich unter Führung Wenzel Jakschs innerhalb der Partei eine deutschnationale Fraktion, die sich auf das Vermächtnis des frühverstorbenen Parteigründers Josef Seliger (1870-1920) berief und zum Parteivorsitzenden Ludwig Czech (1870-1942) in Opposition ging. Der politische Ansatz Wenzel Jakschs sah vor, die „Klassenpartei“ in eine „Volkspartei“ umzuwandeln und einen „Volkssozialismus“ anzustreben. Seine Gedanken hat er in seinem Buch Volk und Arbeiter (Bratislava/Pressburg 1936) ausgeführt. Sein Mitarbeiter Emil Franzel (1901-1976), der Chefredakteur der Parteizeitung „Sozialdemokrat“ war, vertrat in seinem Buch Abendländische Revolution (1936) einen gegen den Staatssozialismus der Sowjetunion gerichteten „abendländischen Sozialismus“, eine Position, die auch Wenzel Jaksch übernahm, was von linkssozialdemokratischen Beobachtern als „Einbruch einer politischen Ideologie des Gegners in unsere Reihen“ und „Symptome der Zersetzung“ gewertet wurde. Durch die zunehmend „völkischen“ Konzeptionen Wenzel Jakschs wurde Josef Pfitzner (1901-1945), deutscher Historiker an der Prager Universität, der sich nach dem überwältigendem Wahlsieg Konrad Henleins am 19. Mai 1935 in den sudetendeutschen Gebieten politisch radikalisiert hatte, auf ihn aufmerksam und traf ihn zu einem Gespräch in Prag am 2. April 1938, um ihn zum Beitritt der sudetendeutschen Sozialdemokraten zur „sudetendeutschen Einheitsfront“ zu bewegen, wozu es aber nicht mehr kam.

Im Londoner Exil gründete Wenzel Jaksch die „Treuegemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten“, lehnte aber das An­gebot des tschechischen Exilpolitikers Eduard Benesch (1884-1948), in die tschechoslowakische Exilregierung einzutreten, ent­schieden ab. Bis zum Kriegsende 1945 bestand Wenzel Jaksch in BBC-Ansprachen auf der „Unantastbarkeit“ deutscher Vorkriegsgrenzen und forderte, zumindest bis 1942, seine sudetendeutschen Landsleute zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf.

Nach Kriegsende 1945 ging Wenzel Jaksch nach Westdeutschland, wurde SPD-Mitglied und übernahm 1949 für seine Partei die zentrale Flüchtlingsbetreuung, von 1950 bis 1953 leitete er in Hessen das „Landesamt für Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte“ und saß danach für die SPD im Bundestag. Im Bundestagswahlkampf 1961 gehörte er zur Regierungsmannschaft Erich Ollenhauers (1901-1963) und sollte als Nachfolger Theodor Ober­länders (1905-1998) Bundesvertriebenenminister werden.

Von 1964 bis zu seinem Unfalltod 1966 war er Präsident des „Bundes der Vertriebenen“ in Bonn. Außerdem leitete er von 1951 bis 1966 die „Seliger-Gemeinde“.

Er war Träger des Großkreuzes mit Stern des Bundesverdienstkreuzes und der Ehrenplakette des „Bundes der Vertriebenen“, nach ihm ist der seit 1968 verliehene „Wenzel-Jaksch-Preis“ der „Seliger-Gemeinde“ benannt, der 2017 Wolfgang Thierse zuerkannt wurde. Straßen, die seinen Namen tragen, gibt es in Wiesbaden, Nauheim im Landkreis Groß-Gerau, Bad Vilbel und Gries­heim bei Darmstadt, im Wiener Bezirk Ottakring erinnert eine Gedenktafel an ihn.

Werke: Was kommt nach Hitler? Prag 1939(?). – Heimatrecht. Anspruch und Wirklichkeit, Erlangen 1957. – Der 4. März 1919 und das Elend der deutschen Geschichtsschreibung, München 1959.

Lit.: Martin K. Bachstein, Wenzel Jaksch und die sudetendeutsche Sozialdemokratie, München 1974. – Friedrich Prinz, Benesch, Jaksch und die Sudetendeutschen, Stuttgart 1975. – Emil Werner, Wenzel Jaksch, Bonn 1991.

Bild: Kulturportal West-Ost.

Jörg Bernhard Bilke, 2017