Biographie

Jung, Alexander

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Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Schriftsteller
* 28. März 1799 in Rastenburg/Ostpr.
† 20. August 1884 in Königsberg i.Pr.

In der geistigen Nähe der jungen Reformgeister um Karl Rosenkranz stand mit seinen ersten Schriften der aus Rastenburg gebürtige, ebenso produktive wie letztlich erfolglose Alexander Jung. In seinen zahlreichen gesellschaftskritischen und literaturgeschichtlichen Publikationen, die meist in der Form von „Vorlesungen“ oder „Briefen“ gehalten sind („Vorlesungen über die neueste Literatur der Deutschen“, 1842; „Vorlesungen über soziales Leben und höhere Geselligkeit“, 1844), bemühte sich Jung darum, seinen Zeitgenossen die großen denkerischen und dichterischen Leistungen der Epoche des deutschen Idealismus als Vorbild für die eigene Zeit und für den Bau einer besseren Zukunft vor Augen zu halten. Alle seine Bücher meinen die eigene Gegenwart im gesellschaftlichen und literarischen Leben. In seinen Arbeiten über Goethes „Wilhelm Meister“ und über Hölderlin wird das schon im Titel ausdrücklich betont: „Friedrich Hölderlin und seine Werke. Mit besonderer Beziehung auf die Gegenwart“ (1848) und „Goethes Wanderjahre und die wichtigsten Fragen des 19. Jahrhunderts“ (1854).

Nicht zu ihrem Vorteil bereicherte Jung seine wissenschaftlichen Publikationen durch temperamentvolle Ergänzungen und Ausschmückungen und gab ihnen damit den Charakter von phantasiebestimmten Improvisationen, in denen die unmittelbare Beziehung zum eigentlichen Gegenstand der Abhandlung dem Verfasser wiederholt aus den Augen zu geraten scheint. Umgekehrt beeinträchtigte der ideologische und philosophierende Einschlag den Erfolg der als Dichtungen gemeinten Bücher des „doctor ecstaticus“, wie seine Königsberger Freunde ihn nannten. 1850 erschien Jungs Novelle „Der Bettler von James Park“, 1862 sein stark autobiographischer Roman „Rosmarien oder die Schule des Lebens“, 1873 „Darwin. Ein komisch-tragischer Roman in Briefen an einen Pessimisten“, und aus dem Nachlaß 1885 „Die Harfe von Discatherine. Bekenntnisse eines Dichter-Philosophen“. In allen Büchern Jungs erscheint die eigene Gegenwart als tadelnswert. Sie kann vor der Größe der Goethezeit nicht bestehen. Erst in einer wieder an der großen Vergangenheit – vor allem an Goethe – orientierten Zukunft wird die menschliche Gesellschaft ihre gottgewollte Lebensform finden. Bezeichnenderweise lautet der Titel einer der späten Schriften Alexander Jungs „Panacee und Theodizee. Illustrationen, Carricaturen der Gegenwart und Grundlinien einer neuen Weltanschauung“ (1875). Schon 1847 hatte er ein Buch „Frauen und Männer oder über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der beiden Geschlechter; ein Seitenstück zu den Vorlesungen über sociales Leben und höhere Geselligkeit“ veröffentlicht. Sein Standpunkt und seine Urteile über seine Zeit blieben über dreißig Jahre unverändert. Alexander Jungs „Darwin. Roman in Briefen an einen Pessimisten“ (2 Bde., 1873) besteht unter Verzicht auf jede zusammenhängende Handlung aus einer Reihe von philosophischen Reflexionen. Über den Titel sagte Jung selbst, „daß die satirischen, die sarkastischen Partien meines Romans nirgends auf Darwin gerichtet sind. Nur da der genannte Naturforscher das Ende der alten und somit der Anfang einer neuen Metamorphose in der Entwicklung meines Freundes (an den diese ,Briefe an einen Pessimisten‘ gerichtet sind) war, so habe ich jenen Namen und Titel für mein Werk gewählt, wie man etwa den Namen eines gefeierten Helden in eine Fahne stickt, oder ein Dampfschiff mit solchem Namen bezeichnet … Übrigens wird der gerechte Leser sich davon überzeugen, daß dieser Roman auf keine Utopien hinarbeitet, sondern auf die Wirklichkeit des vollendeten Reiches Gottes.“ In dem posthum erschienenen Roman „Die Harfe von Discatherine“ (1885) findet sich auf den Anfangsseiten das phantastische Selbstportrait Alexander Jungs: Er sei Germane, wenn auch mit starken Hinneigungen und präexistenzialen Vorempfindungen, unverlierbaren Erinnerungen an Ostindien, Ägypten, das alte Griechenland, an die nordische, skandinavische, altgermanische, „ja an die gloriose Zeit, in welcher in Spanien Lope de Vega, Cervantes, Calderön, Herrera blühten. Es ist mir immer so, als hätte ich mit jenen vortrefflichen Männern jahrelang den intimsten Umgang gehabt, nichts ausgenommen, was mir die Allerweltszauberin Phantasie, in ewigen Gestalten nicht vorgeführt hätte …“.

Aus: Ostpreußische Literaturgeschichte, München 1977, S. 286-287.