Biographie

Kaller, Maximilian

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Bischof von Ermland
* 10. Oktober 1880 in Beuthen/Oberschlesien
† 7. Juli 1947 in Frankfurt/Main

Maximilian Kaller entstammte einer kinderreichen, in der Gründerzeit aufgestiegenen Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie. 1899 bestand er am Staatlichen Gymnasium seiner Heimatstadt das Abitur und begann in Breslau ein Theologiestudium, das er bereits am 20. Juni 1903 dank einer Altersdispens des Heiligen Stuhles mit der Priesterweihe abschließen konnte.

Nachdem Kaller zwei Jahre lang Kaplan in Groß Strehlitz gewesen war, sandte ihn der Breslauer Ordinarius, der auch für den sogenannten Delegaturbezirk zuständig war, als Administrator der Missionsstation Bergen auf die Insel Rügen. Kaller nahm die Herausforderung der Diaspora  –  zu den wenigen einheimischen Katholiken kamen im Sommer einige Badegäste sowie polnische Saisonarbeiter –  mit Eifer an. Begabt mit einem außerordentlichen Organisationstalent, errichtete er weitere religiöse Zentren in Sellin und Garz, führte regelmäßigen Religionsunterricht an acht Orten ein und erreichte 1908 die Umwandlung der Missionsstation Bergen in eine Pfarrei.

Im Jahre 1917 erhielt er die Pfarrei Sankt Michael in Berlin-Kreuzberg übertragen, das ein sozialer Brennpunkt mit einem hohen Anteil an Arbeits- und Obdachlosen war. Kaller bewies nun, daß er auch in der Großstadtseelsorge erfolgreich zu wirken vermochte, und zwar gleichermaßen durch Belebung der Religiosität wie durch soziales Engagement.

Am 6. Juli 1926 bestellte ihn der Heilige Stuhl, vermutlich auf Empfehlung des Nuntius Pacelli in Berlin, zum Apostolischen Administrator der Apostolischen Administratur Tütz für die nach dem Ersten Weltkrieg beim Deutschen Reich verbliebenen Teile der Bistümer Gnesen-Posen und Kulm in der Grenzmark Posen-Westpreußen. Wiederum hatte es Kaller mit einer Diasporasituation, überdies mit einer national- wie kirchenpolitisch schwierigen Aufgabe zu tun, die er pastoral-sozial zu meistern suchte, indem er unter anderem die katholische TageszeitungGrenzwart unterstützte, ein Kirchenblatt herausgab, das katholische Vereinswesen förderte, sich um Hauswirtschaftsschulen, eine Landvolkshochschule, Caritasheime und Krankenhäuser bemühte. 1927 erreichte er die Verlegung des Sitzes der Administratur nach Schneidemühl. Auch als die Administratur im Gefolge des Preußenkonkordats 1929 in eine Freie Prälatur umgewandelt wurde, blieb Kaller zunächst an ihrer Spitze, ehe ihn die Wahl zum Bischof von Ermland (23. Juli 1930) nach Frauenburg rief.

Der Nichtermländer, der wohl vom Heiligen Stuhl für dieses Amt favorisiert worden war, mußte in seiner Diözese zunächst Widerstände bei Klerus und Volk abbauen. Wie schon in seinen früheren Wirkungskreisen suchte Kaller auch im Ermland durch eine Vielzahl von Aktivitäten die Religiosität zu beleben. So visitierte er die Pfarrgemeinden, warb für den häufigen Kommunionempfang, führte das Ewige Gebet ein, förderte Volksmissionen und den Kirchenbau in der ostpreußischen Diaspora. Das Jahr 1932 bildete einen gewissen Höhepunkt in Kallers Amtszeit, als er dasErmländische Kirchenblatt begründen, das neue Priesterseminar in Braunsberg einweihen und auf einer Diözesansynode für die ”Katholische Aktion” werben konnte. Deren Ziel, von Papst Pius XI. vorgegeben, war die Bereicherung des kirchlichen Lebens durch das Laienapostolat, das heißt die aktive Mitwirkung der Gläubigen an der Sendung der Kirche, beispielsweise in zahlreichen religiös-sozialen Verbänden. Ein weiteres wichtiges Anliegen war dem Bischof von Ermland die Aufrechterhaltung der Seelsorge angesichts zunehmender Bevölkerungsmobilität. Dafür prägte er den Begriff der ”Wandernden Kirche”. Sie bewährte sich besonders in der Landhelferseelsorge während des Dritten Reiches.

Dem Nationalsozialismus begegnete Kaller lange Zeit mit gutgläubiger Naivität und verhaltener Loyalität. Bis 1937 stand er in freundschaftlicher Beziehung zu Erich Koch, dem Gauleiter von Ostpreußen. Auch erkannte er nicht die Gefahr, die von nationalsozialistisch gesinnten Professoren wie Karl Eschweiler und Hans Barion an der Staatlichen Akademie in Braunsberg ausging. Allerdings behauptete er trotz zunehmender Repressalien seitens der Staatsbehörden in pastoralen Fragen seinen Standpunkt. Immer wieder verteidigte er in Hirtenbriefen die Katholische Aktion und setzte sich, wo möglich, für seine polnischsprachigen Diözesanen ein; 1938 konnte er ein neues Gebet- und Gesangbuch, 1939 ein neues Rituale im Geist der Liturgischen Bewegung herausgeben. Daß er den persönlichen Einsatz nicht scheute, bewies Kaller auch, als er sich in einem Schreiben an Nuntius Orsenigo in Berlin vom 27. Februar 1942 bereit erklärte, die Seelsorge im Konzentrationslager Theresienstadt zu übernehmen, was der Nuntius jedoch ablehnte. Bereits 1939 war der ermländische Ordinarius zusätzlich zum Apostolischen Administrator der Freien Prälatur Memel ernannt worden.

Beim Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen zwang die SS Kaller am 7. Februar 1945, Frauenburg zu verlassen. Über Danzig gelangte er nach Halle an der Saale, von wo aus er sich noch im Sommer 1945 auf den Weg zurück ins Ermland machte. Nachdem ihn jedoch der polnische Kardinal Hlond zur Resignation auf sein Bischofsamt gezwungen hatte, verließ Kaller seinen ehemaligen Wirkungskreis. Vorübergehend lebte er in Wiedenbrück/Westfalen, bevor er in äußerst beschränkten räumlichen Verhältnissen in Frankfurt am Main eine Zentralstelle einrichten konnte, von wo aus er daran ging, seine bei Kriegsende verstreuten Diözesanen zu sammeln. Am 29. Juni 1946 berief ihn Papst Pius XII. zum Päpstlichen Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen. Als ”Vertriebenenbischof” rastlos im Einsatz, wuchs der Oberhirte in jener Zeit besonders eng mit der ihm anvertrauten Herde zusammen. Seine Tätigkeit war jedoch nicht frei von übereifrigen, illusionären Aktionen, wie beispielsweise seine Pläne, die vertriebenen Ermländer in Südamerika anzusiedeln oder die bischöfliche Jurisdiktion im russisch besetzten Teil Ostpreußens zu erlangen. Kallers aufreibender persönlicher Einsatz führte zu seinem plötzlichen Tod durch Herzschlag.

Seine letzte Ruhestätte fand er in Königstein/Taunus. Das Motto seines Bischofswappens ”Die Liebe Christi treibt mich” charakterisiert Kallers Wesen und Wirken treffend. In seinem pastoralen Eifer verlor er allerdings des öfteren den Blick für das praktisch Durchführbare und war auch blind für politische Realitäten. Dennoch erwarb er sich, vor allem in den Nachkriegsjahren, das Vertrauen und die Verehrung vieler Gläubigen, so daß sein Tod als schmerzlicher Verlust empfunden wurde, und Kaller im Andenken einiger Ermländer sogar die Züge eines Heiligen trägt.

Lit.: E. Laws: Wanderer zwischen drei Zonen. Bischof Maximilian Kallers Leben vom 7. Februar 1945 bis zum 12. August 1946 im Spiegel seiner Briefe, in: Ermländischer Hauskalender 90 (1957), S. 6-33. –  Ders. (Hrsg.): Ein schriftliches Ehrenmal für Bischof Maximilian. Nachgelassene biographische Fragmente von Otto Miller, in: Ermländischer Hauskalender 92 (1959), S. 64-96. – A. Triller: In den Schuhen sterben. Bischof Maximilian Kaller, in: Große Ost- und Westpreußen, hrsg. v. W. Schlusnus, München 1959, S. 231-234.  – E. M. Wermter (Hrsg.): Zehn Jahre Katholische Aktion im Bistum Ermland 1929-1939. Ein Bericht aus dem Jahre 1939 von Gerhard Fittkau, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 33 (1969), S. 219-306.  –  G. Reifferscheid: Das Bistum Ermland und das Dritte Reich, Köln, Wien 1975. –  H. Preuschoff: Bischof Kaller, die Braunsberger Akademie und der Nationalsozialismus. Zu den Aufzeichnungen von Walter Adolph, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 40 (1980), S. 105-133.  –  G. Fittkau: Art. Kaller, Maximilian, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, hrsg. v. E. Gatz, Berlin 1983, S. 357-361. –  B. Wolf-Dahm: Art. Kaller, Maximilian, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 3, Herzberg 1992, Sp. 974-978 (mit Bibliographie). –  B. Poschmann: Maximilian Kaller (1880-1947), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 7, hrsg. v. J. Aretz, R. Morsey u. A. Rauscher, Mainz 1994, S. 49-62.

Bild: aus: Zeitgeschichte in Lebensbildern, a.a.O.

 

  Barbara Wolf-Dahm