Biographie

Kalliwoda, Johann Wenzel

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist, Violinist und Kapellmeister
* 21. Februar 1801 in Prag
† 3. Dezember 1866 in Karlsruhe

Der Prager Johann Wenzel Kalliwoda gehört zu den Persönlichkeiten, die von den Fürsten von Fürstenberg nach Donaueschingen berufen wurden. Die Fürstenbergs hatten in Böhmen und Baden Besitzungen und waren bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 auch Reichsfürsten, deren Gebiet dann unter Bayern, Württemberg, Hohenzollern und Baden aufgeteilt wurde. Aus dem Bereich der Literatur sei Karl Egon Ebert genannt, wie Kalliwoda ein Prager und im 19. Jahrhundert einer der angesehensten Dichter Böhmens. Er war Bibliothekar am Fürstenbergischen Hof in Donaueschingen.

In Prag geboren hatte Kalliwoda einen Vater Anton, der aus Mähren stammte, während die Mutter Theresia Kohl aus Ungarn stammte. Als 10-Jähriger wurde er ins Prager Konservatorium aufgenommen, wo er bei Friedrich Dionys Weber Komposition studierte und bei Friedrich Wilhelm Pixis Violine. Als einer der besten Schüler erhielt Kalliwoda im fünften Studienjahr ein Stipendium und konnte als Soloviolinist in der böhmischen Hauptstadt öffentlich auftreten. Von seinem Lehrer erhielt er ein außergewöhnliches Abschlusszeugnis über seine Fertigkeit als Violinist und als talentierter Instrumentalkomponist. Er wurde gleich nach dem Studium im Prager Theaterorchester engagiert und konnte bereits als 17-Jähriger mit eigenen Kompositionen auftreten. Am Jahresanfang 1822 unternahm er seine erste Konzertreise nach Österreich und in südliche Länder des damaligen Deutschen Bundes und gastierte erfolgreich in Linz, München und Donaueschingen. Fürst Karl Egon II. bot ihm die Stelle des Hofkapellmeisters in Donaueschingen an, die er am Jahresende 1822 antrat, nachdem er nach der Konzertreise in Prag die Sängerin Therese Brunetti geheiratet hatte. Kalliwoda war bis zu seinem Tode 1866 Leiter der Hofoper und Musiklehrer der Kinder des Fürsten, dessen musikalisches Hof-Leben von ihm entscheidend geprägt wurde. Er konnte regelmäßig Konzertreisen in Länder Europas unternehmen, auf denen er nicht nur selber als Violinist brillierte, sondern auch eigene Kompositionen aufführen konnte. Zur Aufführungen in Donaueschingen lud er Franz Liszt und Clara und Robert Schumann ein. Obwohl er bald Angebote als Kapellmeister in verschiedenen Ländern bekam, darunter in Prag, Köln, Leipzig und Mannheim blieb er dem Haus Fürstenberg treu und dankte ihm so für seine Großzügigkeit, ihm lange Konzertreisen zu ermöglichen.

Bereits in den ersten Jahrzehnten in Donaueschingen entstanden zahlreiche Kompositionen, die teilweise in Donaueschingen, aber teils auch in Prag uraufgeführt wurden. Von Kalliwodas über 500 Kompositionen sind knapp die Hälfte von 1 bis 242 mit Opuszahlen bekannt. Es sind Singspiele und Opern, geistliche und weltliche Vokalmusik, Orchesterwerke, Kammer- und Klaviermusik sowie Werke für Solo-Instrumente mit Orchesterbegleitung. Kalliwodas Nachlass liegt in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. Im Archiv des Leipziger Musikverlag C. F. Peters, das im Staatsarchiv Leipzig aufbewahrt ist, sind Briefe von Kalliwoda erhalten. Über zwei Ouvertüren (op. 38 und 44) schrieb schon Robert Schumann.

Die Ereignisse der Revolution 1848 und 1849 ließen Kalliwoda mit seiner Familie nach Karlsruhe ausweichen. Die fürstliche Hofkapelle wurde damals aufgelöst und das Hoftheater brannte ab. Fürst Karl Egon III. berief Kalliwoda nach Donaueschingen zurück, doch war eine Renaissance des Musik- und Konzertbetriebs nicht mehr im alten Umfang möglich. Sein gleichnamiger Sohn Johann Wenzel, der 1827 geboren war, wurde Badischer Hofkapellmeister. Mit 65 Jahren ging der Vater 1866 in den Ruhestand und zog erneut nach Karlsruhe. Doch noch im Dezember des gleichen Jahres starb Kalliwoda nach einem Herzinfarkt in Karlsruhe, wo im Sterbehaus in der Amalienstraße 39 eine Tafel an ihn erinnert. Im Schlosspark von Donaueschingen, wo Kalliwoda durch Jahrzehnte tätig war, steht ein Denkmal, das ihm Fürst Karl Egon errichtete.

Werke (in Auswahl): Prinzessin Christine (Singspiel in drei Akten). – Billibambuffs Hochzeitsreise – Blunda, die silberne Birke C. – Mehr als 20 Messen. – Vertonungen des Te Deums und von Kirchenliedern. – Festkantaten. – Symphonien. – Ouvertüren. – Märsche. – Violinenkonzerte. – Streichquartette. – Sonaten u.a. – Zwischen 1992 und 2015 erschienen verschiedene CDs mit Werken von ihm.

Lit.: C. v. Wurzbach, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, 10 (1836), S. 396-400. – M. Fürstenau, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), 13 (1892), S. 35f. – L. Strauß-Németh, Johann Wenzel Kalliwoda und die Musik am Hofe von Donau­eschingen,2 Bde, Hildesheim 2005. – M. Binz, Joh. Wenzel Kalliwoda (1801-1866). Lebensbild eines fürstlichen Kapellmeisters nebst Werkverzeichnis, Göttingen 2012.

Rudolf Grulich, 2017