Biographie

Kantorowicz, Ernst Hartwig

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Historiker
* 3. Mai 1895 in Posen
† 9. September 1963 in Princeton/USA

Als Sohn eines wohlhabenden Spirituosenfabrikanten hatte Ernst Kantorowicz die Möglichkeit, in Berlin, München und Heidelberg, ein ausgiebiges Studium der Nationalökonomie und der Kameralistik zu betreiben. 1921 wurde er mit einer Arbeit über das Wesen der muslimischen Handwerkerverbände promoviert. Bereits 1922 habilitierte er sich für mittelalterliche Geschichte. Seine wichtigsten akademischen Lehrer waren Eberhard Gothein und Karl Hampe. In Heidelberg schloß sich Kantorowicz dem George-Kreis an – eine Tatsache, die sich nachhaltig in seinem Werk bemerkbar machte. Das galt insbesondere für die schnell zu Berühmtheit gelangte Monographie über Kaiser Friedrich II., die 1927 erschien und rasch mehrere Auflagen erreichte. In diesem Werk, dem Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen wurde und das in der führenden Historischen Zeitschrift unter die Rubrik "Mythenschau" eingeordnet wurde, spiegelt sich die von George inspirierte Wirkung auf die Sprache des Verfassers und dessen Komposition einer Biographie. Zur Verblüffung seiner Gegner publizierte Kantorowicz einige Jahre später einen Anmerkungsband, der gewissenhaft belegte, daß er aus den Quellen gearbeitet hatte.

Seit 1932 hatte Kantorowicz in Frankfurt/Main eine ordentliche Professur für mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte inne. 1934 wurde er wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Hochschuldienst entlassen. Er emigrierte 1938 nach Oxford und von dort übersiedelte er als Dozent nach Berkeley, wo er 1945 eine Professur übernahm. Da er aus grundsätzlichen Erwägungen den seinerzeit geforderten antikommunistischen Loyalitätseid nicht leistete, wurde er 1951 auch hier entlassen. Das Institut für Advanced Study in Princeton erteilte ihm im selben Jahr einen Ruf. Dort blieb er bis zu seinem Lebensende als Forscher tätig.

Kantorowicz´ Forschungsinteressen richteten sich auf dieGrundlagen des mittelalterlichen Herrschertums und dessen Ausdrucksformen, was Niederschlag in Laudes regiae 1946 und vor allem in The King´s Two Bodies 1957 fand, ein Werk, das wegen seiner verfassungsgeschichtlichen Essenz auch in Deutschland, wenn auch mit einiger Verzögerung, in einer deutschen Übersetzung rezipiert wurde. Fernerhin beschäftigten ihn grundsätzliche Probleme der Mediaevistik, die er in der von ihm vertretenen geistesgeschichtlichen Ausrichtung anging. Sein erlesener Sprachstil, der auch in den USA geschätzt wurde, blieb vordergründig ein Stein des Anstoßes. Dahinter stand aber die von zünftigen Mediaevisten nicht goutierte wissenschaftliche Position, was letztens auf der Frankfurter Gedächtnisveranstaltung vom Dezember 1993 zum Ausdruck kam.

Lit.: Neue Deutsche Biographie, Bd. 11, S. 126-127. – F. Baethgen: Ernst Kantorowicz. In: Deutsches Archiv 21 (1965) S. 1-17 und S. 662 (mit Werkverzeichnis). – R. A. Müller, In: Historikerlexikon. Hrsg. v. vom Bruch u. Müller, S. 163. – G. Seibt: Deutschland, geheim. Widerständiger Geist: Ernst Kantorowicz im Streit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 297 vom 22.12.1993, S. N. 5.

 

  Carl August Lückerath