Biographie

Kardorff, Konrad von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler, Graphiker
* 13. Januar 1877 in Nieder-Wabnitz, Kr. Oels
† 12. Januar 1945 in Berlin

Konrad von Kardorff wurde auf dem Gut Niederrabnitz bei Oels als Sohn des bekannten Politikers Wilhelm von Kardorff geboren. Schon als Schüler des Gymnasiums in Oels und der Ritterakademie zu Liegnitz zeigte er künstlerisches Talent. Der berühmte Münchner Malerfürst Lenbach wurde befragt, ob der Junge Talent habe. Nach der positiven Aussage wurde Kardorff nach München auf die Akademie geschickt und studierte bei Fehr und Herterich. Er schloß sich der ungarischen Künstlergruppe in Nagybanya an. 1898 ging der junge Schlesier wie Erler, Spiro, Purrmann und Moll nach Paris und besuchte die Académie Julian. 1900 war er wieder in München als Schüler des hervorragendenPorträtisten Ludwig von Löffitz. Im Herbst 1901 machte er sich in Berlin selbständig. „Damals entstand das erste Porträt meines Vaters, mit dem ich unbegreiflicherweise einigen Erfolghatte, jetzt ist das Bild vollkommen schwarzgeworden. Vorher hatte ich schon in der Münchner und in der neu gegründeten Berliner Secession ausgestellt. Die Sachen habe ich später alle sorgfältig vernichtet, sie waren zu schlecht“, so berichtete er August Grisebach. Kardorff wollte wieder nach Paris, doch der Vater verordnete Italien. Er blieb längere Zeit in Venedig, fasziniert von dem Licht. Mehr noch zog es ihn aber nach dem Norden, nach Holland, wo er in Noordwyck mit Max Liebermann zusammentraf. Dieser wurde ihm Freund und Vorbild. Daneben bewunderte er die französischen Impressionisten, vor allem Manet, dessen Arbeiten er in Paris und in Berlin studierte.

Kardorff war äußerst kritisch seinen Arbeiten gegenüber. „Durchschnittlich war es erschreckend, wie viele Sachen ich verdarb, ehe nur das eine oder andere einigermaßen gelang. Wenn ich im Winter ein oder zwei Porträts fertig bekam, so war das viel. Mit Fanatismus kratzte ich nach den Sitzungen alles wieder ab. Keiner wollte mir mehr sitzen.“ Was Kardorff dann bestehen ließ, zeigte höchste Qualität. Das Porträt seines Vaters von 1905/06 wurde sofort von den Berliner Museen gekauft. Kardorff verband die traditionelle Porträtkunst, die er vor allem bei Löffitz erlernt hatte, mit impressionistischen Elementen zu einer beeindruckenden Farbkomposition, die die jeweilige Person charakterisierte. Während er im Porträt seines Vaters noch einen neutralen Hintergrund wählte, bezog er in späteren Jahren den Lebensraum bewußt ein. In einem Kinderbildnis hat das Mädchen seine Puppe eng umschlungen, sitzt fast thronend auf einem Sessel mit einem duftigen, hellen Bezug, auf dem Schmetterlinge und Vögel zwischen Blumen erscheinen. Der neben ihr stehende Knabe wird von einem dunkleren Wandstück hinterfangen. Sein Matrosenhemd korrespondiert farblich mit den Postkutschen der Tapete. Wenn auch der Breslauer Professor für Kunstgeschichte, Richard Muther, in seinerGeschichte der Malerei bemängelte, Kardorff hätte „ein aus Paris bezogenes Monokel“ auf, so hält er durchaus einen Vergleich mit Renoirs besten Kinderbildnissen aus. Auch seine Landschaften, das „Königin-Augusta-Ufer“ oder der „Calandrelli-Platz“, sind eine ganz eigenständige Umsetzung der Tendenzen des französischen Impressionismus. Kardorff stellt die sonnendurchfluteten Alleen dar, in denen das Berliner Leben pulsiert, mit Droschken und Autos, den hohen repräsentativen Gebäuden und vielen Menschen, die vorüber hasten oder geruhsam auf einer Bank sitzen. Er malt auf heller Grundierung, so daß die Farben leuchten, ohne aufdringlich zu sein. Helle Lichtflecken spielen auf dem Grau der Straße, kontrastiert durch dunkle Baumstämme. Wenn er sich im „Schöneberger Ufer im Schnee“ mit den berühmten Schneebildern der Franzosen auseinandersetzt, so zeigt das Konsequenz, aber auch seine künstlerische Qualität.

1920 berief August Endell den bereits weit über Deutschland bekannten Konrad von Kardorff, dessen Bilder 1914 auf der Baltischen Ausstellung in Malmö, 1917 im Zürcher Kunsthaus zu sehen waren, als Leiter einer Malklasse an die Breslauer Kunstakademie. 1922 malte er das Porträt seines Kollegen Dr. August Grisebach, in dem er sich langsam vom Spätimpressionismus entfernte hin zu Neuen Sachlichkeit.

1927 wurde Konrad von Kardorff an die staatliche Schule für Kunsterziehung in Berlin berufen. Der Kontakt zu Schlesien riß aber nicht ab. Zu seinem 60. Geburtstag im Jahre 1937 veranstaltete das Schlesische Museum der Bildenden Künste in Breslau eine repräsentative Ausstellung, die bis heute letzte Einzelausstellung des Künstlers.

Konradvon Kardorff gehörte zu den wenigen Professoren der Breslauer Kunstakademie, die nicht als „entartet“ diffamiert wurden, obwohl er kompromißlos zu Max Liebermann stand und dies an dessen Grab demonstrierte. Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit Hans Purrmann, mit dem er Malerreisen nach Ischia und an den Bodensee unternahm. Konrad von Kardorff erlebte den Zweiten Weltkrieg in Berlin. In den letzten Kriegsmonaten fiel fast sein gesamtes Lebenswerk den Bomben zum Opfer: Gemälde und Zeichnungen, die er besonders schätzte und in seinem Atelier und seiner Wohnung verwahrte. Der Künstler überlebte diesen Verlust nicht. Am 12. Januar 1945 starb er, einen Tag vor seinem 68. Geburtstag, in Berlin.

Lit.: Allg. Lexikon der bildenden Künstler. Von der Antike bis zur Gegenwart. Hg. von U. Thieme und F. Becker, Leipzig 1907/08 (Nachdruck München 1992) Bd. 19, S. 554–555. – Allg. Lexikon der bildenden Künstler im 20. Jh. Hg. von H. Vollmer, Leipzig 1953 (Nachdruck München 1992), Bd. 3, S. 18 mit Literaturangaben. – August Griesebach: Konrad von Kardorff, in: Künstler Schlesiens, I. Buch, 1925, S. 21–22 mit Abb. – Ausstellungskatalog: Konrad von Kardorff. Ausstellung zum 60. Geburtstag – Schlesisches Museum der bildenden Künste, Breslau 1937. – Hans Purrmann: Konrad von Kardorff, in: Schlesien, 1961, S. 214–217 mit Abb. – Peter Wolfrum: Konrad von Kardorff, in: Ostdeutsche Gedenktage 1995, Bonn 1994, S. 27–29. – Idis B. Hartmann: Konrad von Kardorff – Ein schlesischer Impressionist, in: Schlesische Nachrichten 4 (1995), S. 10.

Bild: Selbstbildnis 1924 aus: Schlesien, 1961.

Idis B. Hartmann