Biographie

Kather, Linus

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Herkunft: Ostpreußen, Rußland (Wolga- u. Schwarzmeer)
Beruf: Jurist, Politiker
* 22. September 1893 in Prossitten, Kr. Rößel/Ostpr.
† 10. März 1983 in Stühlingen

Geboren als Sohn eines Volksschullehrers in Prossitten, studierte Linus Kather nach Absolvierung des Gymnasiums in Kulm a. W., wo er gleichzeitig mit Kurt Schumacher Schüler war, Rechtswissenschaft in Berlin, Königsberg und Breslau und schloß 1918 nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger (1916 verwundet) das Studium mit der Promotion zum Dr. iur. ab. Von 1921 bis 1945 wirkte er als Rechtsanwalt und Notar in Königsberg, wo er auch durch eine gute kommunalpolitische Schule ging. Als einziger Abgeordneter vertrat er von 1930 bis 1933 das Zentrum im Königsberger Stadtparlament. Der nationalsozialistischen Bewegung Hitlers versagte er von Anfang an seine Mitarbeit und Unterstützung. Unter dem NS-Regime trat er in zahlreichen politischen Prozessen als Verteidiger auf, wodurch er das Mißfallen der Gestapo erregte und sich selbst der Verfolgung aussetzte. Etliche Haussuchungen und zeitweilige Inhaftierungen waren die Folge. Zum ersten Mal setzte er sich mit dem braunen Gewaltsystem auseinander, als er den Hauptangeklagten Domherrn Buchholz in dem mittlerweile berühmt gewordenen Fronleichnamsprozeß gegen die Willkürjustiz verteidigte. Er hat dann im Laufe der Zeit fast alle ermländischen Geistlichen vor Gericht verteidigt und war während des Krieges im Auftrage ausländischer Missionen der Anwalt tausender französischer, belgischer und italienischer Kriegsgefangener. Nach dem Untergang des Dritten Reiches wie zahllose andere aus seiner Heimat vertrieben, kam Linus Kather zunächst nach Hamburg, wo er ab Dezember 1945 zunächst wiederum als Rechtsanwalt tätig war. Er wirkte an der Gründung der dortigen CDU mit und war von 1946 bis 1950 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Zugleich setzte er sich energisch und „ohne Rücksicht auf Verluste“, wie er zu sagen pflegte, für die Eingliederung der Vertriebenen ein, gleich nach Kriegsende als Vorsitzender der von ihm begründeten Aufbaugemeinschaft der Kriegsgeschädigten in Hamburg, ab 1948 als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Vertriebenen in der britischen Zone, ab 1950 als Vorsitzender des Zentralverbandes, später des Bundes der vertriebenen Deutschen, von 1949 bis 1957 als Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Vertriebenenausschusses des Bundestages sowie auch in hohen parteipolitischen Ämtern, z. B. als Mitglied des CDU-Bundesvorstandes oder als Stellvertreter Konrad Adenauers im Vorsitz der CDU in der britischen Besatzungszone.

Mit hoher Intelligenz, starkem persönlichem Einsatz und mit Hilfe ungezählter parlamentarischer und Verbandsfreunde hat Linus Kather in der entscheidenden Phase der legislativen Eingliederung, häufig gegen massiven Widerspruch und auch gegen den Unverstand zahlreicher Kontrahenten, respektable Erfolge erreicht, wenn auch nicht alle Hoffnungen und Erwartungen erfüllt worden sind und oft genug empfindliche Rückschläge zu verzeichnen waren.

Weil es ihm bei der CDU mit dem Lastenausgleich und einer Aktivierung der Wiedervereinigungsbestrebungen zu langsam ging, trat Linus Kather Mitte Juni 1954 zum GB/BHE über, zu einem Zeitpunkt also, da diese Partei den Höhepunkt ihres politischen Einflusses bereits überschritten hatte. Dieser Schritt wurde von vielen seiner Gefolgschaft nicht verstanden und nicht nachvollzogen, zumal es auch da bereits Ende 1954 zu innerparteilichen Auseinandersetzungen kam, als deren Folge er Anfang Juni 1955 sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der BHE-Bundestagsfraktion „wegen Überlastung“ niederlegte. Als Verbandspolitiker schied er 1958/59 nach dem Zusammenschluß der Landsmannschaften und Landesverbände zum Bund der Vertriebenen aus. Als stellvertretender Bundesvorsitzender des GB/BHE trat Kather im September 1960 wegen Meinungsverschiedenheit mit anderen führenden Politikern dieser Partei zurück. Mit seinem späten Engagement und seiner Kandidatur für die NPD bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte seine letzte Hoffnung auf ein politisches Comeback.

Der zielbewußte und unermüdliche Kampf  Linus Kathers um eine freie ostdeutsche Heimat mit mit dem Ziel der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit und um das soziale Wohl der Vertriebenen ist jedoch aus der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik nicht wegzudenken. Daran anläßlich seines 90. Geburtstages zu erinnern, heißt nichts anderes als der Wahrheit die Ehre zu geben.

Lit.: „Die Entmachtung der Vertriebenen“ (zwei Bände), Olzog-Verlag, München 1964/65; „Halali in Ostpreußen“, Bruno Langer Verlag, Esslingen, 1977.