Der Name der jüdischen Familie Kempinski verweist nach Kempen, polnisch Kępno, in die Provinz Posen. Es wurde im preußischen Teilungsgebiet für die Juden zur Pflicht, Familiennamen zu führen und viele griffen auf eine alte Tradition zurück, sich nach dem Herkunftsort zu benennen. In diesem Fall war das Kempen i.P., dessen Bevölkerung, auch die evangelische deutsche, starke Züge einer Polonisierung aufwies. Darauf ist es wohl zurückzuführen, dass die Familie eine deutsch-polnische Namensvariante annahm – anders als der ebenfalls aus Kempen stammende bekannte Posener Archivar und Historiker Adolf Warschauer (1855-1930), dessen Familie nach dem deutschen Namen für die polnische Hauptstadt benannt wurde.
Die jüdische Gemeinde Kempen entstand in dieser adeligen Stadt erst nach 1660, also nach dem Kleinen Nordischen Krieg. Diese auch „Schwedisch-Polnischer Erbfolgekrieg“ genannte militärische Auseinandersetzung hätte für Polen fast fatale Folgen gehabt, denn der polnische Adel lief in Massen zu dem schwedischen Angreifer über und der polnische Wasa-König musste sogar außer Landes fliehen.
Nurdurch eine Volkserhebung unter der Führung des Kleinadels und durch das wechselnde Kriegsglück an anderen Kampforten dieses Krieges wurde Polen vor seiner ersten Teilung bewahrt und feiert seither das „Wunder von Tschenstochau“ durch die „Schwarze Madonna“. Dieser Krieg hatte jedoch fatale Auswirkungen für die Minderheiten im Lande. Der aufkeimende Nationalismus erblickte in den protestantischen Deutschen und den mosaischen Juden den Feind und Helfer des Unglücks. Es kam zu fürchterlichen Pogromen im ganzen Land, vor allem im Posener Gebiet. Die überlebenden Juden flohen vor der marodierenden Soldateska und gründeten offenbar auch in Kempen eine neue Gemeinde, die am 16. Mai 1674 ihr Privileg erhielt und sich 1690 eine Synagoge baute.
Von hier aus muss die Familie Kempinski in die Kleinstadt Raschkow gezogen sein. Die Namen mehrerer Rabbiner von Raschkow und Kempen lauten Landau, was eine enge Beziehung zwischen beiden Nachbarstädten untermauert. Die jüdische Gemeinde Raschkow entstand Anfang 19. Jahrhunderts; seit ca. 1837 ist hier ein Rabbiner nachweisbar.
Am 10. Oktober 1843 wurde Berthold Kempinski in Raschkow geboren. Schon früh betrieb er mit seinem Bruder Moritz (* 7. Septemner1835 Raschkow, † 15. August 1910 Breslau) einen Weinhandel mit Ungarnweinen, den Moritz in Breslau gegründet hatte. Seit 1862 hieß die gemeinsame Weinhandlung „M. Kempinski & Co.“.
Im Jahr 1872, direkt nach der Reichsgründung, eröffnete Berthold im schnell wachsenden Berlin eine Filiale. Das Stammhaus stand in der Friedrichstraße 178/ Ecke Taubenstraße. In die Gründerzeit fallen auch die Anfänge der späteren Hotelkette Kempinski, denn neben dem Weinhandel richtete Berthold Kempinski einen Imbiss mit Weinprobierstube, also einen ersten gastronomischen Betrieb.
Der Name „Kempinski“ wurde bald zum Markenzeichen und das Geschäft expandierte. Berthold übernahm schließlich das gesamte Unternehmen mit Sitz in Breslau. Den nächsten Schritt in die Gastronomie tat er 1889 mit der Eröffnung eines großen Restaurants in der Leipziger Str. 25. Es war zum einen ein Massengeschäft, aber auf hohem Niveau. An manchen Tagen zählte man bis zu 10.000 Gäste, denn hier gingen alle Schichten ein und aus. Kempinski glaubte an die Idee der „Sozialisierung des Luxus“ und verkaufte halbe Portionen zum halbem Preis, so dass sich jeder etwas Luxus leisten konnte.
Die eigentliche Hotelkette wurde 1897 von Leopold Koppel gegründet und entwickelte sich zum führenden Hotelbetreiber – mit den Luxushotels „Bristol“, „Bellevue“ und dem „Centralhotel“ – in Berlin. Auch die Cafés der gehobenen Kategorie, wie das „Café Kranzler“ und das „Café Bauer“, gehörten zum Konzern.
Da das Ehepaar Berthold und Helena Kempinski keinen männlichen Nachkommen hatte, übernahm der Schwiegersohn Richard Unger den Betrieb. Der Firmengründer starb am 14. März 1910 in Berlin. Berthold Kempinskis Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.
Am 1. Mai 1937 wird der Betrieb, wie es damals hieß, „arisiert“. Richard Unger emigrierte mit seiner Familie in die USA. Viele Angehörige der Familie erlebten Verfolgung und Holocaust.
Im Jahr 1952 eröffnete Kempinskis Enkel Dr. Friedrich Unger erneut ein „Hotel Kempinski“ am Kurfürstendamm 27 in Berlin. Bereits ein Jahr später verkaufte er seine Anteile an die Hotelbetriebs-AG, die seit 1970 „Kempinski Hotelbetriebs-AG“ heißt – seit 1977 „Kempinski AG“. Heute ist Kempinski, mit Sitz in Genf, mehrheitlich im Besitz des thailändischen „Crown Property Bureaus“, der Vermögensverwaltung des siamesischen Königshauses.
Bild: Grabstein von Berthold Kempinski auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.
Martin Sprungala