Biographie

Kennemann, Hermann

Herkunft: Posener Land
Beruf: Großgrundbesitzer
* 4. Januar 1815 in Soldin/Brandenburg
† 11. April 1910 in Klenka/Kleka, Kr. Jarotschin, Prov. Posen

Den größten und erfolgreichsten Großgrundbesitzer der Provinz Posen kennt man heute nur noch durch die Abkürzung seines Nachnamens in dem historischen Schlagwort „Hakatisten“. Den Begriff „Hakatisten“ (polnisch Hakata) auch „HKT“, als Synonym für den prodeutschen-kämpferischen „Deutschen Ostmarkenverein“, kennt heute in Deutschland kaum noch jemand, während der Kampfbegriff „Hakata“ aus der Zeit des deutsch-polnischen Nationalitätenkampfes in Polen immer noch bekannt und gebräuchlich ist.

Der Begriff „HKT“ oder „Hakata“ ist eine Übernahme dieser polnischen Verwendung der Anfangsbuchstaben der Protagonisten des „Deutschen Ostmarkenvereins“: Ferdinand v. Hansemann (1861-1900), Hermann Kennemann und Heinrich v. Tiedemann (1843-1922).

Der Deutsche Ostmarkenverein war eine Organisation, die man durchaus als nationalistisch bezeichnen kann. Vor allem in späterer Zeit näherten sich seine Mitglieder dem Gedankengut der Nationalsozialisten an.

Der Deutsche Ostmarkenverein wurde im Jahr 1894 in Posen gegründet. Sein Ziel war es, das Deutschtum in den immer polnischer werdenden preußischen Ostprovinzen, vor allem in Posen, Westpreußen und (Ober-)Schlesien, zu fördern.

Der Verein war in diesen Gebieten unter der einheimischen deutschen Bevölkerung durchaus umstritten, wurde oft sogar abgelehnt. Seine Zusammensetzung zeigt dies deutlich. Es ist auffällig, dass die Gruppe der heute sogenannten Multiplikatoren, der Lehrer, Professoren, Unternehmer, Beamten und leitenden Angestellten sehr hoch war. Die meisten dieser Mitglieder stammten gar nicht originär aus diesen Provinzen. Im Jahr 1913 bestanden bereits 446 Ortsgruppen mit 50.230 Mitgliedern, was belegt, dass der Verein ein starkes Anliegen hatte und großen Rückhalt in der Führungsschicht dieser Provinzen hatte.

Der Artikel 1 der Satzung des Deutschen Ostmarkenvereins lautet: „Ziel des Vereins ist Kräftigung und Sammlung des Deutschtums in den Ostmarken und Hebung und Befestigung deutsch-nationalen Empfindens und wirtschaftliche Stärkung des deutschen Volkes.“

Man könnte dieses Denken als typisch für die Kaiserzeit, für die Wilhelminische Ära ansehen, weniger aber als typisch preußisch, denn Preußen war Nationalismus immer fremd. Seit den 1890er Jahren war der deutsche Nationalismus – durchaus hervorgerufen durch den immer stärker werdenden polnischen Nationalismus – auch im polnischen Teilungsgebiet Preußens angekommen.

Nach 1919, durch den Großpolnischen Aufstand und den Friedensvertrag von Versailles, gingen die heftigsten Kampfgebiete, die größten Teile der Provinz Posen und Teile der Provinz Westpreußen sowie Teile Oberschlesiens Deutschland verloren. Damit verlor der Deutsche Ostmarkenverein auch den Großteil seiner Mitglieder und seiner Berechtigung. Er entwickelte sich immer weiter zu einer nationalistischen Organisation, doch diese Entwicklung betrifft nicht mehr die namensgebenden Gründer.

Hermann Kennemann könnte man durchaus als „Selfmademan“ amerikanischen Typus bezeichnen. Er war wesentlich älter als seine beiden Mitgründer Hansemann und Tiedemann, die letztlich drei verschiedenen Generationen angehörten.

Hermann Kennemann wurde am 4. Januar 1815 im brandenburgischen Soldin geboren. Nach der Schule trat er in das 4. Infanterieregiment in Soldin ein und wurde 1838 Offizier. Nach einigen Jahren beim Militär erlernte er auf einem Gut in Pommern die Landwirtschaft von der Pike auf. Er war bei der Bewirtschaftung derart erfolgreich, dass er bis 1902 vierzehn Güter – vor allem in der Provinz Posen – erwarb. Er galt als der größte Großgrundbesitzer in der Provinz Posen mit den Gütern: Sedan (Kr.Posen), Karzetz, Kuczyna, Kuczynka, Pudliszki mit Vorwerk Kokoszki, Ziemlin (Kr. Kröben, Posen), Rittergutsbesitzer der Herrschaft Klenka/ Neustadt a. Warthe (Nowe Miasto nad Wartą, Kr. Jarotschin, Posen) mit Boguszczyn, Falkstädt (Kr. Pleschen, Posen), in Xionzek mit den Vorwerken Radoszkowo und Zakrzewo (Kr. Schrimm, Posen), Gut Boguslawki (Kr. Schroda, Posen), Nikolskowo, Vorwerk Chrostowo (Kr. Kolmar, Posen). Seinen Sitz hatte er auf dem Gut Klenka.

Vielleicht rührte seine antipolnische Haltung nicht nur aus seinen Erfahrungen auf seinen Gütern her, sondern auch von den Misserfolgen, die er durch die Polen erlitt. In den Jahren 1867 bis 1885 unternahm er mehrere vergebliche Versuche in den Wahlkreisen Schrimm-Schroda-Wreschen und Pleschen-Krotoschin-Koschmin, ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt zu werden. Jedes Mal scheiterte er an dem polnischen Kandidaten. Erst von 1886 bis 1888 war er für die landwirtschaftlich geprägten Freikonservativen als Abgeordneter des Wahlkreis 83, Posen 6 (Lissa-Fraustadt), Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus, der zweiten Kammer. Als wichtigster Landwirt der Provinz genoss er jedoch einen großen Einfluss. Von 1886 bis 1889 war er Mitglied des Landesökonomiekollegiums, seit 1894 Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Provinzialvereins. Politisch stand er später den Nationalliberalen nahe. Er gehörte zu den wichtigen, maßgeblichen Gründern des „Vereins zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken“, auch wenn er wegen seines Alters vornehmlich als Sponsor tätig war.

Hermann Kennemann starb am 11. April 1910 auf seinem Gut in Klenka (Klęka, Kr. Jarotschin) im Alter von 95 Jahren. Sein Erbe traten seine Tochter Hedwig Kennemann und ihr Mann Maximilian Jouanne an. Die Familie Jouanne zählte bis 1945 zu den wichtigsten deutschen Gutsbesitzern im Posener Land.

Lit.: Sabine Grabowski, Deutscher und polnischer Nationalismus – der Deutsche Ostmarken-Verein und die polnische Straż 1894-1914 (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung; 3), Marburg 1998. – Jens Oldenburg, Der Deutsche Ostmarkenverein 1894-1934, Berlin 2002. – Martin Sprungala, Die Hakatisten – Teil 1+2, in: Posener Stimmen, 56. Jahrgang, Nr. 5, Mai und Nr. 6, Juni, die Fotos wurden in der Ausgabe August/ September veröffentlicht, Lüneburg 2009.

Bild: Privatarchiv des Autors.

Martin Spungala